ARD-Film„Liebe Schwestern in Lucullus!“

Lesezeit 3 Minuten
Die Schauspieler Jan-Josef Liefers (als Clemens Wilmenrod), Gustav Peter Wöhler (l, als Fernsehintendant) und Anna Loos (als Erika Wilmenrod). (Bild: dpa)

Die Schauspieler Jan-Josef Liefers (als Clemens Wilmenrod), Gustav Peter Wöhler (l, als Fernsehintendant) und Anna Loos (als Erika Wilmenrod). (Bild: dpa)

Es sehr beruhigend zu wissen, dass wohl kaum ein bretonischer Fischer in den 50er Jahren Gelegenheit hatte, deutsches Fernsehen zu schauen. Denn dort hätte er mit ansehen müssen, wie man vor laufender Kamera Tomatenketchup mit Dosensahne („allein schon eine wunderbare Creme!“) vermischte, Heringsstückchen, Banane und Ei kräftig darunter matschte und diese aparte Kreation den deutschen Hausfrauen als „Heringssalat nach Art der bretonischen Fischer“ verkaufte.

Erfinder dieses Gerichtes, bei dem sich heute wohl nicht nur bretonischen Fischern der Magen herumdreht, war Clemens Wilmenrod. Der ging 1953 mit seiner Kochshow „Bitte in 10 Minuten zu Tisch“ erstmals auf Sendung und servierte den Nachkriegsdeutschen fortan mehr als zehn Jahre lang Woche für Woche eigenartige Gerichte.

Fast immer hatten die exotische Namen, fast immer waren Ketchup und / oder reichlich Dosengemüse unter den Zutaten. Und fast immer war die deutsche Hausfrauenschaft komplett vor den Schwarz-weiß-Geräten versammelt, wenn Wilmenrod jeweils freitags abends um 21.30 Uhr seine Zuschauer mit „Ihr geliebten goldigen Menschen!“, „Liebe Brüder und Schwestern in Lucullus!“ oder „Verehrte Feinschmeckergemeinde!“ begrüßte.

Geboren 1906 als Carl Clemens Hahn in Wilmenrod im Westerwald, schlug sich der Lebenskünstler zunächst als Schauspieler durch. Das Kochen war ein Hobby, das ihm angeblich eine französische Geliebte und später seine Frau Erika (eine Metzgerstochter) nahe gebracht hatten. Die Profiköche rümpften beim Anblick des Fernsehkochs die Nasen und schimpften, Wilmenrod könne weder Gemüse schneiden noch ein Huhn tranchieren. Als er eines Abends kurz angebratenes Fleisch in kochendes Wasser schmiss und als „Blitzgulasch“ verkaufte oder Madeira mit Sahne vermischte (was die Sahne zum Gerinnen bringt), wandte sich die Zunft entsetzt ab.

Spitzbuben aus dem Libanon

Da hatte sich der Fernsehkoch mit seinem berühmten „Toast Hawaii“ aber längst in die Herzen der Nation gekocht. Auch, weil er seine oft obskuren Gerichte mit noch obskureren Geschichten aus der weiten Welt präsentierte.

Beispiel: Sein „Arabisches Reiterfleisch“ (eigentlich eine stinknormale Frikadelle), verkaufte Wilmenrod als Originalrezept aus dem fernen Libanon und garnierte es mit den Worten: „Obwohl nur 200 Kilometer lang und 20 Kilometer breit, leben dort mehr Spitzbuben als auf der gesamten Nordhalbkugel zusammengenommen!“ Immerhin ein paar Arabistik-Professoren protestierten.

Wilmenrod war aber nicht nur Kochshow-Pionier, sondern gilt auch als Erfinder der Schleichwerbung. Mit ausgesprochen blumigen Worten legte er den Hausfrauen mal den vollautomatischen Schnellbrater „Heinzelkoch“, mal den „Schneidboy“ oder einen Bosch-Kühlschrank ans Herz. Ein Putenzüchter zahlte ihm 1000 Mark dafür, den Deutschen das Putenfleisch schmackhaft zu machen.

Dass das funktionierte, beweist eine Meldung aus dem Handelsblatt von 1954: Nachdem Wilmenrod Kabeljau zubereitet hatte, sei der Fisch am nächsten Tag in Düsseldorf ausverkauft gewesen, heißt es dort. Zumindest das dürfte die Fischer gefreut haben.

TV-Tipp: Es liegt mir auf der Zunge, mit Jan Josef Liefers, Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr.

Rundschau abonnieren