Betrüger im ArztkittelFalsche Mediziner sind ein Problem für Kliniken

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Symbolbild.

Kassel – Für die Patienten war er ein Halbgott in weiß. Doch den Ermittlern zufolge steckte unter dem Arztkittel nur ein notorischer Betrüger: Immer wieder soll es einem 37-Jährigen gelungen sein, Arbeitgeber zu täuschen und einen Job als Arzt zu bekommen. Am Montag (15.7.) steht der Mann nun in Kassel vor Gericht - wieder einmal. Der Mann ist kein Einzelfall: Immer wieder narren Hochstapler Krankenhäuser und Praxen.

Gewerbsmäßige Urkundenfälschung, Betrug, versuchte gefährliche Körperverletzung lauten die Vorwürfe gegen den 37-Jährigen unter anderem. Laut Anklage erschlich er sich zwischen Oktober 2017 und Mai 2018 Anstellungen als Arzt. Urkunden - Approbationsbescheinigungen und Anerkennungen als Facharzt - habe er gefälscht.

So arbeitete er in einer Kasseler Praxis, ließ sich über einen Personalservice in eine Klinik in Kemnath (Bayern) vermitteln und wurde in einer Klinik in Melsungen (Hessen) eingestellt. Dort enttarnte ihn eine Krankenschwester, das Krankenhaus machte den Fall öffentlich.

Kein Patient kam zu Schaden

Dass kein Patient zu Schaden kam, ist Zufall: Laut Staatsanwaltschaft verordnete er einem Baby ein falsches Medikament, einer Nachbarin der Mutter des Kindes fiel das rechtzeitig auf. Bei seinem Einsatz in Melsungen machte er Fehler bei einer Bluttransfusion.

Dabei war der Mann zu diesem Zeitpunkt bereits wegen ähnlicher Vergehen verurteilt. Er hatte sich in Kassel und Hildesheim als Arzt auf Probe anstellen lassen und war aufgeflogen. Doch weil er sich gegen das Urteil wehrte, wurde es erst im April rechtskräftig: zwei Jahre und fünf Monate Gefängnis. Eigentlich hätte der Mann nicht einmal in Deutschland sein dürfen. Der Libyer hatte laut Anklage seinem Arbeitgeber auch in dieser Sache gefälschte Unterlagen vorgelegt.

Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr

Immer wieder gibt es bundesweit ähnliche Fälle. Strafbar sind solche Vergehen laut Strafgesetzbuch als „Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen“. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Wie im Kasseler Fall können aber noch weitere Vergehen hinzukommen.

Laut der Hessischen Krankenhausgesellschaft machen es Datenschutz und moderne Kopiertechniken den Kliniken schwer, Betrüger zu erkennen. „Sie können nicht hundertprozentig ausschließen, dass Sie einem Betrüger aufsitzen“, sagt Geschäftsführer Steffen Gramminger. So rate man Kliniken, sich von Bewerbern nur Originaldokumente vorlegen zu lassen. Doch Farbkopien seien von Originalen oft kaum noch zu unterscheiden. Das Problem mit den Hochstaplern sei auch, das sie zumindest in Ansätzen Ahnung von Medizin hätten.

Hochstapler täuschen auch Landesärztekammern

Schritte wie die engere Einbindung der Landesärztekammer wiederum erschwere der Datenschutz. In der Kammer müssen praktizierende Mediziner Mitglied sein. „Früher bekam man mal schnell Informationen über einen Arzt bei der Landesärztekammer, heute ist man da vorsichtiger“, sagt Gramminger. Zudem gebe es Hochstapler, die auch die Landesärztekammern täuschten.

„Fachlich gesehen kann bei Hochstaplern eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegen“, sagt Peter Walschburger, Professor für Psychologie an der Freien Universität Berlin. Viele hätten aber keine ausgeprägte Störung, sondern verfügten über eine Mischung aus Charme, intelligenter Einfühlung und Erfahrung im medizinischen Berufsfeld. Dies verbinde sich mit einer schwachen Sanktionsempfänglichkeit. „Eine Hochstapler-Karriere wird auch dadurch begünstigt, dass die Ängstlichkeit gegenüber sozialen Sanktionen unterentwickelt ist“, erklärt er.

Gesellschaft sei nicht auf Betrüger vorbereitet

Für die Betrüger sei der Arztberuf zudem wegen seines hohen Ansehens in der Gesellschaft besonders attraktiv. Einige Fälle hätten auch eine tragische Komponente. Etwa, wenn junge Leute im Studium scheiterten und der Erfolgsdruck aus dem Elternhaus groß sei. „Dann kommt eine Verführungssituation auf sie zu. Es wird eine Urkunde gefälscht und wenn sie merken, dass es gut ging, machen sie unbekümmert weiter.“

Die Gesellschaft sei auf Betrüger auch schlecht vorbereitet: Oft gewännen sie mit nachhaltigem Charme das Vertrauen ihres Umfelds. „Ist aber Vertrauen erst einmal etabliert, dann sind wir Menschen sehr arglos“, erklärt der Psychologe. Walschburger geht deshalb auch von einer hohen Dunkelziffer aus. Da die erfolglosen Betrüger meist durch Kleinigkeiten auffielen, sei zu vermuten, „dass viele erfolgreiche Hochstapler unter uns sind“. (dpa)

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