Lebensader RheinWie ein Aktionsplan bei Niedrigwasser helfen soll

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Ein Containerschiff fährt auf dem Rhein vor der Kölner Innenstadtkulisse. Das Niedrigwasser 2018 hat vielen Unternehmen entlang des Flusses schwer geschadet.

Bei BASF in Ludwigshafen legen täglich zwölf Schiffe an oder ab. Sie bringen Rohstoffe für die Chemieindustrie und nehmen Zwischenprodukte wieder auf, die in der Pharma-, Bau-, Textil- und Automobilindustrie weiterverarbeitet werden. „Müssten wir diese Mengen per Lkw abfertigen, bräuchten wir täglich 2000 Lkw“, berichtet Michael Heinz, Vorstandsmitglied von BASF.

Heinz steht mit anderen Industrievertretern auf dem bundeseigenen Motorschiff „Mainz“, das an diesem Donnerstagnachmittag von Porz aus den Rhein flussabwärts gefahren ist und nun vor der Kulisse des Kölner Doms wieder gen Süden dreht. Das ist natürlich kein Ausflug wie jeder andere: Zu der Spritztour hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingeladen, mit ernstem Hintergrund. Der Rekordhitzesommer 2018, der monatelanges Niedrigwasser im Rhein und anderen deutschen Flüssen nach sich zog, hat der Politik, der Wirtschaft und der Bevölkerung wie selten zuvor verdeutlicht, dass die Wasserstraßen lebenswichtig für unseren Wohlstand sind.

„Der Rhein ist für uns überlebenswichtig“

Premal Desai, Vorstandssprecher von Thyssenkrupp Steel Europe, berichtet etwa, dass das extreme Niedrigwasser den Konzern im vergangenen Jahr „einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ gekostet habe. Darin enthalten sind Produktionsrückgänge, weil zwischenzeitlich weniger Rohstoffe angeliefert werden konnten, sowie höhere Transportkosten durch geringere Ladekapazitäten der Schiffe. So werden Thyssenkrupp Steel über den Hafen Rotterdam jährlich 30 Millionen Tonnen Rohstoffe geliefert. „Der Rhein ist für uns überlebenswichtig“, sagt Desai. „Wenn die Zulieferung bei uns stottert, dann zieht das auch die Automobilindustrie in Mitleidenschaft. Wir sind Systemlieferant. Das ist extrem gefährlich.“

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Im Heck der MS Mainz haben sie an diesem Nachmittag einen kleinen Tisch aufgebaut, auf dem nun der Acht-Punkte-Aktionsplan liegt, den der Minister und die Industrievertreter unterzeichnen. Anwesend sind auch Vorsitzende von Verbänden wie dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt und des Verbandes der Chemischen Industrie. Der CSU-Politiker, der gerade mit seiner Pkw-Maut krachend vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert ist, berichtet, dass sein Haus seit vergangenem Jahr in Arbeitsgruppen gemeinsam mit der Wirtschaft an diesem Plan gearbeitet habe, der die schlimmen Folgen des Niedrigwassers für den Transportsektor mildern soll. „Der Sommer 2018 darf sich nicht wiederholen“, betont der Minister.

Präzisere Prognosen zum Pegelstand

So sollen künftig die Prognosen für den Wasserstand präziser und auch langfristiger möglich sein. Trendaussagen sollen für Zeiträume von sechs Wochen bis zu sechs Monaten gemacht werden können. Die Digitalisierung soll in vielen Bereichen unterstützend wirken: Scheuer sieht bereits automatisierte und vernetzte Schiffe auf den Wasserstraßen fahren. Neue Schiffstypen würden zudem leichter sein und hätten somit einen geringeren Tiefgang. Scheuer lobt: „Unsere Logistiker sind top in Deutschland“, die neuen Entwicklungen könnten auch den Export beflügeln.

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Hinter vorgehaltener Hand berichtet man in Scheuers Ressort auch, dass die Politik das Momentum nutzen wolle, das durch das Rekordniedrigwasser 2018 entstanden sei: nämlich Zustimmung in der Bevölkerung für einige große Infrastrukturprojekte zu gewinnen, die eine jahrzehntelange Vernachlässigung durch die Bundeshaushälter nun erzwingt. Im Blick hat das Verkehrsministerium unter anderem die Rinnenvertiefungen zwischen Duisburg und Stürzelberg am Niederrhein und die zwischen Mainz und Sankt Goar. Dort soll die Fahrrinne jeweils um 20 bis 30 Zentimeter vertieft werden, wodurch sich die Ladekapazität pro Schiffseinheit um 200 bis 250 Tonnen erhöht. Kostenpunkt: 200 Millionen Euro am Niederrhein, 60 Millionen Euro am Mittelrhein – so steht es im Bundesverkehrswegeplan 2030.

Die Krux ist, dass sich solche Großprojekte wegen der langen Planungs- und Genehmigungszeiten nur im Laufe von Jahrzehnten fertigstellen lassen. Am Mittelrhein etwa rechnet man derzeit erst mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2030.

Um das Verfahren zu beschleunigen, hat man sich im Ausland umgesehen. Vorbild sind nun die Niederlande und Dänemark, wo bereits gute Erfahrungen mit sogenannten Maßnahmegesetzen gesammelt wurden. Statt dass eine Planfeststellungsbehörde die Projekte prüft und beschließt, würde der Bundestag nach Prüfung durch die Planfeststellungsbehörde per Gesetz die Maßnahme beschließen. Der Vorteil: Gegen das Projekt könnte nur noch vor dem Verfassungsgericht geklagt werden.

Im Koalitionsvertrag hat die große Koalition ein solches Maßnahmengesetz vorgesehen, ob es sich umsetzen lässt, muss man sehen. „Wir wollen auf keinen Fall Umweltstandards einschränken“, betont man im Verkehrsministerium. Als Teil eines beschleunigten Verfahrens soll die Bevölkerung bereits sehr früh in die Anhörung und Planung solcher Großprojekte mit eingebunden werden.

BASF-Vorstand Heinz sagt, an der Seite von Scheuer stehend, der ihm das Mikrofon hält: „Der Klimawandel ist real und wissenschaftlich belegt. Was wir 2018 gesehen haben, werden wir auch in Zukunft erleben.“

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