Mönchengladbacher Schüler ins Koma geprügelt„Der Angriff darf nicht ignoriert werden“

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Symbolfoto

Geräte auf einer Intensivstation (Symbolbild)

  • Nach einer Prügelattacke auf einer Klassenfahrt im englischen Canterbury liegt ein Mönchengladbacher Schüler noch immer im Koma.
  • An seiner Schule ist an Unterricht nicht zu denken, auch in England gibt es Anteilnahme.

Mönchengladbach/Canterbury – Wenn er von seinem kleinen Bruder erzählt, kämpft Bassam mit den Tränen. Gut 450 Kilometer Luftlinie entfernt von ihm liegt sein Bruder Daniel seit Tagen im Koma. „Wir machen uns Sorgen, was danach ist“, sagt Bassam. Der 17-jährige Daniel war am vergangenen Donnerstag in der südostenglischen Stadt Canterbury von einer Gruppe Jugendlicher verprügelt und dabei schwer am Kopf verletzt worden. Der Schüler der Hauptschule Stadtmitte in Mönchengladbach war mit rund 30 Mitschülern der zehnten Klasse auf Abschlussfahrt in England.

Die Polizei der Grafschaf t Kent hat nach eigenen Angaben bislang sieben Verdächtige vorübergehend festgenommen. Dabei handelt es sich um 15- bis 17-jährige Mädchen und Jungen überwiegend aus Canterbury sowie einen 44-jährigen Obdachlosen. Sie alle wurden gegen Zahlung einer Kaution wieder freigelassen. Auf Anfrage unserer Redaktion sagte eine Sprecherin der Polizei Kent, dass die Ermittlungen noch andauerten. Einen Bericht der britischen Zeitung „The Guardian“, wonach die Täter möglicherweise ein rassistisches Motiv hatten, wollte die Behörde weder bestätigen noch dementieren. Allerdings sagte die Sprecherin: „Alle möglichen Motive werden im Rahmen der Ermittlungen überprüft.“ Der 17-Jährige hat libanesische Wurzeln.

Streit unter den Jugendlichen

Angehörige der Schüler erzählen indes, dass es Streit zwischen der Klasse und den englischen Jugendlichen gegeben haben soll. Auch Daniels Bruder sagt, es habe angeblich bereits einige Tage vor der Tat Streit zwischen den deutschen und den eng lischen Jugendlichen in einem örtlichen Fastfood-Restaurant gegeben. Aber: „Jeder erzählt das ein bisschen anders. Wie es genau war, wissen die Täter am besten“, sagt Bassam. Der Mönchengladbacher Schüler war nach der Attacke in einer Londoner Klinik notoperiert worden. Dort liegt er derzeit auf der Intensivstation im künstlichen Koma. Die Ärzte in England versuchten laut Bassam ihn aufzuwecken – doch bisher könnten sie nicht sagen, ob sein Bruder jemals wieder ganz gesund wird. Auch die Polizeibehörde bestätigte, dass der Zustand des Schülers „ernst“ sei.

„Ich hoffe, wir können noch schöne Zeiten erleben“, sagt der 21-jährige Bruder. Die Mutter der beiden reiste am Wochenende zu ihrem Sohn nach London. Weil sie keine EU-Bürgerin ist, hatte es zunächst Probleme mit einem Einreise-Visum gegeben. „Meine Mutter bleibt. Egal bis wann“, sagt Bassam und muss schlucken. „Wenn er es nicht schafft, kann ich hier nicht bleiben. H ier gibt es zu viele Erinnerungen.“

Tiefe Betroffenheit an der Schule

An der Mönchengladbacher Schule herrscht derweil „tiefe Betroffenheit“, wie die Schulleiterin sagt. Am Mittwoch war der erste Unterrichtstag nach der abgebrochenen Klassenfahrt – doch an Unterricht war laut dem Mönchengladbacher Stadtsprecher Wolfgang Speen „überhaupt nicht zu denken“. Demnach habe die Schule die betroffenen Schüler zusammengeholt, um die Situation aufzuarbeiten. Der schulpsychologische Dienst ist ebenfalls an der Schule im Einsatz.

Auch in Canterbury, dem Zentrum der anglikanischen Kirche Englands, herrscht Fassungslosigkeit. Noch Tage nach dem Vorfall legten Menschen laut einer Lokalzeitung Blumen am Tatort nieder. Für Mittwochabend hatten sich bei Facebook mehr als 300 Menschen für einen Marsch gegen Rassismus in Canterbury angemeldet. Der Labour-Politiker Ben Hickman organisierte die Veranstaltung. Er schrieb dazu: „Wir müssen zusammenhalten, Rassismus darf nic ht toleriert werden.“ Die Unterhaus-Abgeordnete Rosie Duffield hatte sich beim Innenministerium für das Einreise-Visum für die Mutter eingesetzt. Sie bezeichnete den Angriff als furchtbar und dankte allen Helfern der Familie.

Eine Spendenaktion, initiert von dem Bürger Paul Johnson aus Canterbury, sammelte bis Mittwochabend mehr als 9000 Euro für die Familie. Mehr als 500 Menschen beteiligten sich an der Aktion. Mit dem Geld sollen unter anderem Flüge und Unterkunft der Familie bezahlt werden. Initiator Johnson sagt: „Dieser Angriff darf nicht ignoriert werden.“ Der Ruf Canterburys als gastfreundliche Stadt stehe auf dem Spiel.

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