Abo

ReisebusunternehmenFlixbus nach tödlichem Unfall in der Kritik

Lesezeit 3 Minuten
schwerer Unfall Flixbus

Leipzig: Einsatzkräfte sind am Abend mit Bergungsarbeiten am verunglückten Reisebus beschäftigt.

  • Nach dem schweren Unfall eines Reisebusses der Firma Flixbus erläutert ein Kfz-Experte des Tüv Rheinland, welches Sicherheitssystem für Fernbusse Standard sein sollte.
  • Verdi kritisiert die Partnerschaften des Reisebusunternehmens.

Leipzig/Düsseldorf – Eine Frau stirbt, 72 Verletzte, davon neun schwer, darunter auch der 59-jährige Busfahrer – das ist die Bilanz des Flixbus-Unfalls vom Sonntag auf der A 9 nahe Leipzig. Der Bus war von Fahrbahn abgekommen und umgekippt. Derzeit wird der Bus laut Polizei untersucht, die Passagiere erhielten Anhörungsbögen, um die Unfallursache aufzuklären. Die Autobahnpolizei hatte erklärt, nach ersten Ermittlungen könnte Sekundenschlaf des Fahrers zu dem Unfall geführt haben. Eine Polizeisprecherin in Halle bestätigte das am Montagmorgen nicht.

Thorsten Rechtien ist Kfz-Experte beim Tüv Rheinland und weiß, welche Assistenzsysteme den Fahrer in Gefahrenlagen unterstützen können. „Es gibt Kontrollsysteme, die das Fahrverhalten analysieren, zum Beispiel die Spurhalteassistenz“, sagt Rechtien. Solche Systeme könnten unterscheiden zwischen einem bewussten Spurwechsel und einem unkontrollierten Verlassen der Fahrbahn. „In so einem Fall gibt das System einen leichten Lenkimpuls“, erläutert Rechtien. Bedeutet: Das Lenkrad steuert dann leicht gegen, gleichzeitig vibriert es, um den Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass er aus der Fahrbahn schert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Systeme wie die Spurhalteassistenz könnten zwar hilfreich sein, mehr aber auch nicht: „Diese Systeme suggerieren zwar vermeintliche Sicherheit, doch als erstes kommt immer noch der Mensch“, sagt Rechtien. „Ein System kann nur fünf bis zehn Prozent der Sicherheit ausmachen, der Rest hängt vom Fahrer ab. Es gibt auch Situationen, da kann kein System der Welt helfen.“

Eine solche Situation muss auch im Fall des verunglückten Flixbus-Fahrzeugs ursächlich gewesen sein. Nach Unternehmensangaben hat es an moderner Technik nicht gemangelt: „Die Fernbusflotte, die für uns im Einsatz ist, ist mit modernsten Sicherheitssystemen ausgestattet“, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Zu den Ausstattungsmerkmalen gehörten unter anderem ein Spurhalteassistent, ein Abstandsregeltempomat und ein Aufmerksamkeitsassistent.

Pflicht sind solche Systeme für Reisebusse allerdings nicht: „Das sind freiwillige Systeme. Aber eine Pflicht zu Spurhalteassistenten für Reisebusse und Lkw würde Sinn ergeben“, sagt Thorsten Rechtien.

Fahrer war bei Subunternehmer angestellt

Der 59-jährige Fahrer konnte aufgrund seiner schweren Verletzungen zunächst nicht befragt werden. Er war nach Unternehmensangaben nicht bei Flixbus direkt angestellt, sondern bei einem Subunternehmer. „Flixbus arbeitet mit regionalen Buspartnerunternehmen zusamme n“, erklärte ein Sprecher. Die Busfahrer seien bei den Partnerunternehmen angestellt.

Einen Einblick in diese Partnerschaften gibt Mira Ball, Leiterin der Fachgruppe Busse und Bahnen bei Verdi. „Die Partnerunternehmen von Flixbus haben sich in den vergangenen Jahren sehr verändert“, sagt Ball. „Anfänglich hat Flixbus nur mit deutschen Unternehmen zusammengearbeitet. Mittlerweile hat sich der Anteil deutscher Unternehmen rapide reduziert.“ Der übergroße Teil seien nun ausländische Firmen. „Auch die Fahrer kommen oft nicht aus Deutschland, sind oft nicht einmal Angestellte der Partnerfirmen, sondern werden über Personalagenturen vermittelt“, so Ball. „Deswegen sind die Fahrer der Flixbus-Flotte für uns als Gewerkschaft so schwer zu greifen: Das fängt beim Sprachproblem an und hört bei Flixbus auf, die nur auf die Subunternehmer verweisen.“

In puncto Arbeitnehmerrechte gehörten die Firmen auch nicht zur Speers pitze: „Unter den Unternehmenspartnern von Flixbus ist mir kein einziges bekannt, das tarifgebunden wäre oder einen Betriebsrat hätte.“ Balls Fazit: „Wer die Preise trotz steigender Wertstoffkosten nicht erhöhen will, der kann, um seine Profitspanne zu vergrößern, nur an einer Stelle sparen: beim Fahrer.“

Rundschau abonnieren