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„Ich verstehe die Welt nicht mehr“Mann aus Ruppichteroth muss sein Gartenhaus abreißen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann steht vor einem massiven Gartenhäuschen aus Holz.

Raymond Stoquart soll sein Gartenhäuschen in Millerscheid abreißen und will sich vor Gericht wehren.

Das Gartenhäuschen des Millerscheiders Raymond Stoquart muss nach 13 Jahren abgerissen werden, denn es gab nie eine Baugenehmigung.

Sanfte grüne Hügel, Fachwerkhäuschen, so stellt man sich allgemein die Idylle im Bergischen vor. In Millerscheid trägt Raymond Stoquart dazu seinen Teil bei: Immerhin 8000 Quadratmeter ist sein Grundstück groß, und man sieht ihm an, dass Stoquart passionierter Gärtner ist. Doch derzeit vergraulen ihm Behörden und Justiz den Spaß an der eigenen Scholle. Der 75-Jährige soll ein Gartenhäuschen abreißen, in dem er seine Gerätschaften aufbewahrt, unter anderen einen Aufsitzrasenmäher. Stoquart ist verzweifelt. „Wo soll ich denn die ganzen Sachen unterbringen?“ Abriss und Neubau seien in seinem Alter kaum zu leisten.

Millerscheid: Gartenhäuschen ohne Genehmigung

Der Rhein-Sieg-Kreis macht geltend, das Häuschen liege rechtswidrig im Außenbereich, wo nur unter strengen Auflagen gebaut werden darf. Stoquart räumt auch ein, dass er vor 13 Jahren, als er den Bau anging, keine Baugenehmigung beantragt habe. Er beteuert aber, dass er mit der Gemeindeverwaltung Ruppichteroth telefoniert habe, wo ihm versichert worden sei, er brauche keine Genehmigung. „Daraufhin haben wir die Remise fertiggestellt.“

Die Crux: Ruppichteroth hat lediglich einen Fachbereich Bauen, für die Bauaufsicht ist der Kreis zuständig. Schriftlich hat Stoquart die Auskunft nicht, für das Gespräch gebe es aber Zeugen. Fachbereichsleiter Stephen Lang äußerte sich auf Anfrage der Redaktion zu dem Fall: Zu dem Gespräch vom 20. Juli 2009 liege im Rathaus nichts vor. „Bei der Vielzahl an telefonischen Beratungsgesprächen und Auskünften ist es nicht möglich, über jedes dieser Gespräche einen Aktenvermerk anzufertigen.“

Seitens der Gemeinde prüfe man baurechtliche Anfragen stets gewissenhaft und halte, falls erforderlich, Rücksprache mit der Bauaufsicht des Rhein-Sieg-Kreises. „Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass seinerzeit nach sorgfältiger Prüfung eine rechtlich richtige Aussage getroffen worden ist – auch wenn dies leider nicht der Angabe von Herrn Stoquart entspricht.“

Härtefall-Regelung wurde in Erwägung gezogen

Der Kreis bot Stoquart folgende Regelung an: Bis zum 20. Januar solle er einen öffentlich-rechtlichen Vertrag unterschreiben, demzufolge er dann bis zum 31. Dezember Zeit habe, das Häuschen abzureißen. Dieser aber sieht sich dazu außerstande und will sich auf die Suche nach einem auf Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt machen.

Herrn Stoquarts Alter führt nicht per se zu einem Absehen von ordnungsbehördlichen Maßnahmen gegen ihn.
Antonius Nolden, Sprecher des Rhein-Sieg-Kreises

Auch der Rhein-Sieg-Kreis äußerte sich auf Anfrage der Redaktion, insbesondere zu der Frage, ob im Fall Stoquart nicht eine besondere Härte vorliege. „Die Behörde hat zwar Ermessen, ob und in welcher Form sie gegen Schwarzbauten einschreitet“, teilt Pressesprecher Antonius Nolden mit. Die Voraussetzungen einer besonderen Härte lägen allerdings nicht vor. „Herrn Stoquarts Alter führt nicht per se zu einem Absehen von ordnungsbehördlichen Maßnahmen gegen ihn.“ Ein Nebengebäude könne dieser an anderer Stelle auf dem großen Grundstück errichten.

Unterstand für den Traktor des Gärtners

Das behördliche Ermessen reduziere sich auf die Entscheidung, die Anlagen im Außenbereich abbrechen zu lassen. Ein anderer Standort kommt für Stoquart aber nicht in Frage: Auf dem unebenen Areal sei das nur mit umfangreichen und kostspieligen Erdbewegungen möglich.

Eine interessante Frage ist, warum das Gartenhäuschen mit seiner Grundfläche von vier mal fünf Metern überhaupt auffiel. Stoquart besitzt für die Arbeiten auf seinem Gelände einen kleinen Traktor, der momentan auf dem kleinen Stellplatz an der Grundstücksgrenze zur Straße hin geparkt ist. Für einen Unterstand in der Tiefe des Grundstücks hatte er eine Baugenehmigung beantragt, diese aber beim Kreis nicht erhalten: Wie auch ein Carport dürfe diese nicht mitten auf dem Grundstück errichtet werden.

Stoquart zog vor Gericht, und die Gemeinde kam ihm sogar zu Hilfe, wenn auch vergeblich. Ein Traktorunterstand sei nicht mit einem Carport zu vergleichen, argumentierte Stephen Lang im Oktober 2021 in einer Stellungnahme für das Verwaltungsgericht: „Der Traktor des Antragstellers stellt kein Luxusgut dar, sondern ein für die Bewirtschaftung des Grundstücks erforderliches Arbeitsgerät.“ Zudem brauche der Traktor dank seiner breiten Reifen keine befestigte Zufahrt zu dem Unterstand. Als eine Richterin des Verwaltungsgerichts in Millerscheid erschien, wurde sie prompt auf das Gartenhäuschen aufmerksam.

Pressesprecher Nolden geht auch darauf ein: „Die Existenz dieser baulichen Anlage wurde im vergangenen August im Rahmen eines Ortstermins des Verwaltungsgerichts Köln in einer anderen Sache festgestellt.“ Zu dem Gartenhäuschen, das noch weiter im Außenbereich liege als der geplante Unterstand, habe die Richterin erklärt, dieses könne von der Bauaufsicht nicht mehr ignoriert werden.

Stoquart kann und will sich mit alldem nicht einfach abfinden, er vermutet, an ihm solle wohl „ein Exempel statuiert“ werden. Links und rechts seines Grundstücks hätten Nachbarn auch kleine Schuppen und Pavillons errichtet. „Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich habe korrekt gehandelt und betrachte das als Willkür.“

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