Burnout-Selbsthilfe„Man kennt sich selbst nicht wieder“

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Wenn man sich nur noch wie eine leere Hülle fühlt: Vom Burnout-Syndrom Betroffene können nicht mehr vom Berufsstress "abschalten" und genießen. (Symbolbild: dpa)

Wenn man sich nur noch wie eine leere Hülle fühlt: Vom Burnout-Syndrom Betroffene können nicht mehr vom Berufsstress "abschalten" und genießen. (Symbolbild: dpa)

Berufsalltag, Abendschule, Weiterbildung, dazu noch Aktivitäten in der knappen Freizeit. „Ich war immer eine Power-Frau“, sagt Gisela M. „Und ich hätte nie gedacht, dass ich von so was mal selber betroffen sein würde“, fügt die tatkräftige 45-Jährige hinzu, die in Köln die neue Selbsthilfegruppe „Burnout“ mit aus der Taufe gehoben hat.

Familie und Freunde hätten sie in der Krise zwar unterstützt, so die Betriebswirtin, „aber was da abgeht, können Außenstehende nur begrenzt nachempfinden“. Die ständige innere Anspannung mit Herzrasen und Schlafstörungen, dazu die Versagensängste, die Vergesslichkeit und die Konzentrationsstörungen: Was mit ihr los war, habe sie ja lange selber nicht begriffen, beschreibt die Kölnerin die schleichenden und sehr unterschiedlichen Symptome des Syndroms, das die Ärzte durch den Wandel der Arbeitswelt immer öfter diagnostizieren. „Man hat das Gefühl, man kriegt nichts mehr gestemmt, kennt sich selbst nicht wieder und verliert sein ganzes Selbstbewusstsein“, schildert Gisela M. den Zustand der völligen psychischen und körperlichen Erschöpfung - und die Unfähigkeit, sich aus eigener Kraft zu erholen.

Zehn Jahre lang, bis 2003, war die Betriebswirtin als Führungskraft erfolgreich im kaufmännischen Bereich tätig. Dann kam, nach massivem Personalabbau, auch für sie die betriebsbedingte Kündigung. Gisela M. fand als Projektleiterin sofort eine neue Stelle - allerdings befristet für zwei Jahre. 2005 wechselte sie gezwungenermaßen erneut das Unternehmen. Eine Mutterschaftsvertretung: Die Kölnerin wurde Referentin, befristet für ein Jahr. Die nächste Position als Handlungsbevollmächtigte sollte unbefristet sein. „Ich war verantwortlich für 400 Mitarbeiter.“ Doch dann wurde genau dieser Standort geschlossen. Wieder übernahm die allein stehende Frau eine befristete Stelle - als Krankheitsvertretung. Anfang 2008 die nächste berufliche Veränderung: eine Führungsposition, diesmal zeitlich nicht begrenzt, dafür aber mit „Stress ohne Ende“ verbunden. „Im ersten halben Jahr hatte ich schon 300 Überstunden.“

„Schon seit Monaten ausgebrannt gefühlt“

Als kurz vor Weihnachten dann noch eine Operation nötig war, sei sie danach einfach nicht mehr zu Kräften gekommen, so Gisela M. „Im Nachhinein betrachtet hatte ich mich schon Monate vorher ausgebrannt gefühlt.“ An einem Dienstagabend im letzten Februar spitzte sich die Krise zu.

Gisela M.: „Der Arbeitstag war sehr anstrengend, außerdem hatte ich mich über einen arroganten Kollegen geärgert. Und ich verließ mal wieder als letzte die Firma. Im Auto bekam ich plötzlich einen Heulkrampf und konnte mich kaum beruhigen.“ Mit Mühe und Not habe sie es nach Hause geschafft, zitternd am ganzen Körper. „Der kalte Schweiß stand mir auf der Stirn.“ Der Hausarzt schickte seine Patientin sofort zum Neurologen, der den Verdacht bestätigte: Burnout. Sechs Wochen war die Angestellte krankgeschrieben, danach begab sie sich in eine psychosomatische Klinik zur Kur. Das Arbeitsverhältnis wurde in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst. Mittlerweile gehe es ihr schon „viel, viel besser“, erzählt Gisela M. „Das Herzrasen und die Anspannung ist weg. Ich kann wieder besser schlafen und bin fast so fröhlich wie früher.“ Durch die Ruhe und die therapeutischen Gespräche - in Verbindung mit einem Antidepressivum - sei sie wieder zu sich selbst gekommen, nachdem sie in den letzten Jahren vor lauter Arbeit nicht mehr habe Luft holen können. „Ständig neue Kollegen, neue Strukturen und Aufgaben, und immer wieder musste man sich beweisen.“

In Kürze wird Gisela M. eine neue Stelle antreten - unbefristet und keine Führungsaufgabe. „Vielleicht hab ich mich auch selbst zu stark unter Druck gesetzt - oder unter Druck setzen lassen“, meint sie selbstkritisch. Sie habe wieder mit Sport angefangen und gönne sich mehr Muße, um eine solche Erschöpfung nie wieder zu erleben. „Ich kenne jetzt die Zeichen - und werde früh genug die Notbremse ziehen.“

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