City-BahnBier, Bockwurst und der Berg

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Der Knüller: Speisewagen mit „kulinarischem“ Angebot.

Der Knüller: Speisewagen mit „kulinarischem“ Angebot.

OVERATH / RÖSRATH – Abends läuteten die Fahrgäste auf der Rückfahrt mit einem Glas Bier und heißen Bockwürstchen den Feierabend ein. „Es herrschte wirklich eine beinahe familiäre Atmosphäre unter den Stammkunden“, erinnert sich der Overather Prot Kienitz, damals Oberamtsrat bei der Bundesbahn. Möglich machte dieses Fahrgastvergnügen die bis heute unvergessene „City-Bahn“. So lautete damals die Zuggarnitur, die von 1984 bis 1995 zwischen Köln und Gummersbach verkehrte.

Die Bedeutung der City-Bahn kann gar nicht hoch genug geschätzt werden: Ohne den Diesel-Brummer in der markanten Farbe wäre die Aggertalbahn vermutlich schon Geschichte. Denn Anfang der 80er Jahre stand die Strecke vor dem Aus.

Fahrgastzahlen sanken dramatisch

Die zunehmende Konkurrenz durch Autobahn und Busverkehr drohte, wie schon bei der Strecke Dieringhausen-Olpe, einer weiteren Nebenbahn das Lebenslicht auszublasen.

Die Fahrgastzahlen sanken Anfang der 70er Jahre dramatisch, eine immer wieder geforderte Elektrifizierung scheiterte nicht zuletzt am zu niedrigen Portal des Honrather Tunnels. Die von der Bundesbahn zugesagten schnelleren Zugfolgen klappten ebenfalls nicht.

Als 1982 ein Erdrutsch vor Overath die Strecke lahmzulegen drohte, schrieb Kienitz dem damaligen Präsidenten der Bundesbahndirektion, Dr. Hanns Beck: „Beim nächsten Erdrutsch würde die Aggertalbahn zerlegt.“ Nach vielen Debatten und Diskussionen standen Politik und Bahn vor den Alternativen: Stilllegung oder Ausbau. Zum Glück für die Bahn sahen die Verantwortlichen für die Strecke immer noch ein gewisses Fahrgastpotenzial. Ein behutsamer Ausbau wurde beschlossen. Doch um gegen den Rivalen der Straße zu bestehen, musste sich die Bahn etwas einfallen lassen. Nötig war der Streckenausbau zu einer Hauptbahn, um die Fahrtzeiten zu beschleunigen.

Es bewegte sich wieder etwas an der Agger. Reisende an der Strecke konnten per Fragebogen ihre Wünsche zu einem möglichen S-Bahnbetrieb äußern. Ergebnis dieses Aufwandes: Der Zug namens „Aggertaler“, der ab dem 3. Juni 1984 mit 38 Fahrten täglich zwischen Köln und Gummersbach sowie zusätzlichen Zügen für den Berufs- und Schulverkehr aufwartete. Bereits drei Monate später - am 3. September - wurde aus dem „Aggertaler“ die „City-Bahn“.

Der sterbende Ackergaul „Aggertalbahn“ entwickelte sich zum prächtigen Paradepferd. Möglich machte das auch die bullige Diesellok V 218 mit 2500 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern. Nicht nur von der Leistung, auch optisch machte die Aggertalbahn mächtig Eindruck.

Außen war die Lok in den markanten S-Bahn-Farben Orange und Kieselgrau umlackiert. Die gleiche Farbgebung erhielten auch die Waggons, die „Silberlinge“. So hießen umgangssprachlich die Nahverkehrswagen mit der Außenhaut aus poliertem Edelstahl. Die moderne Innenausstattung auf Intercity-Niveau bekam ebenfalls einen charakteristischen Farbanstrich. Das Klasse-1-Abteil zeigte sich im strahlenden Himmelblau, die Klasse 2 in knackigem Orange.

„Herzstück“ der City-Bahn war natürlich das eingangs erwähnte City-Bahn-Café mit dem Verkaufsstand für Getränke und Speisen. Auf der Speisekarte: das üppige „City-Bahn-Baguette belegt mit Schinken und Käse“ für Zwei Mark und achtzig Pfennige sowie die leckere „Landmettwurst aus dem Bergischen Land“ für ganze zwei Mark.

Slogan: „Ohne Stau im Stundentakt“

Alternativ befanden sich in einer weiteren Zuggarnitur zwei Automaten für zwölf heiße und fünf kalte Getränke. Bewirtschaftet wurden Café und Automaten vom Pächter der Dieringhausener Bahnhofsgaststätte.

Dieser Service, Fahrzeitverkürzungen durch gestrichene Haltepunkte wie Rath-Heumar oder Ehreshoven, ermäßigte Fahrpreise und eine umfangreiche Werbekampagne unter dem Motto „City-Bahn: Ohne Stau im Stundentakt“ ließen die Fahrgastzahlen rasant ansteigen. Rund ein Jahr nach seiner Premiere steigerte sich allein zwischen Overath und Rösrath das Fahrgastaufkommen von rund 19.000 auf 30.000.

Prominenz befand sich auch darunter: Kein Geringerer als Bundespräsident Richard von Weizsäcker lernte am 10. Juli 1986 als Fahrgast die Vorzüge der City-Bahn kennen. Der damalige City-Bahn-Manager Arnold Göntgen resümierte bereits ein Jahr nach der Einführung: „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden und wollen die City-Bahn noch höher fahren“.

Danach sollten eigentlich ab 1999 die windschnittigen Talent-Triebwagen die lokbespannten Züge ablösen. Doch die hochmodernen Triebwagen erwiesen sich als technisch unausgereift, immer wieder sorgten Elektronikdefekte für Zugausfälle.

Dadurch verlängerte sich die Lebenszeit der Diesellok. Erst 2001 waren die Talenttriebwagen schließlich störungsfrei und prägen bis heute das Bild der Aggertalbahn. Die Dieselloks verschwanden dagegen auf Nimmerwiedersehen.

Nur noch Modelleisenbahnfreunde können heute die City-Bahn fahren lassen. Marken wie Trix, Märklin und Fleischmann haben oder hatten eine komplette „City-Bahn-Garnitur“ im Angebot.

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