88 Hüpfer sind WeltrekordJeder kann beim Steine-Flitschen punkten

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Der optimale Winkel, mit dem der Stein die Wasseroberfläche treffen sollte, beträgt 20 Grad. Und ein bisschen Glück braucht man auch.

Der optimale Winkel, mit dem der Stein die Wasseroberfläche treffen sollte, beträgt 20 Grad. Und ein bisschen Glück braucht man auch.

Köln – Wer hat im Urlaub nicht schon einmal Steine über das Wasser springen lassen? Drei bis vier Hüpfer sind selbst bei Anfängern durchaus drin, mit ein bisschen Glück auch ein paar mehr. Mit ganzen 51 Hüpfern warf sich der US-Amerikaner Russell Byars am 19. Juli 2007 ins Guiness-Buch der Weltrekorde. Den aktuellen Rekord hält sein Landsmann Kurt Steiner mit atemberaubenden 88 Sprüngen.

Da fragt man sich natürlich: Wie schaffen die das bloß? Russell Byars sagt zu seinem Erfolg: "Ganz ehrlich - ich weiß selbst nicht, wie ich das mache." Damit stellt er sein Licht natürlich unter den Scheffel, und das ist ihm auch bewusst, denn Russell Byars ist nicht irgendwer in der Szene der "Stoneskipper", wie sich die Steineflitscher in den USA nennen. Russell Byars ist ein vielprämierter Champion, der sich Jahr für Jahr harte Wettkämpfe mit seinem größten Herausforderer Kurt Steiner liefert. Nur seine Tricks will er anscheinend nicht so gerne verraten. Also legt er lieber noch eins drauf in Sachen Tiefstapelei: "Ich bin Handwerker und habe einen kräftigen rechten Wurfarm. Das ist schon alles." Ein bisschen Training gibt er dann aber doch zu: "Ich führe regelmäßig den Hund aus und werfe ab und zu ein paar Steine." Ohne Training geht es nicht, das ist klar, aber welche Tricks hat der Profi auf Lager? "Es kommt darauf an, schnell und flach zu werfen", verrät Byars. "Der Winkel, mit dem der Stein auf die Wasseroberfläche auftrifft, sollte etwa zehn bis 20 Grad betragen." Na, das ist doch schon einmal was.

Aber auch der Stein will mit Bedacht ausgewählt werden, weiß der amtierende Weltmeister Kurt Steiner: "Der Stein sollte etwa handtellergroß und abgerundet sein, eine flache Unterseite haben und etwa einen halben bis einen Zentimeter dick sein. Das Gewicht sollte bei 100 bis 200 Gramm liegen."

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Ist das alles? Ist das bereits das ganze Geheimnis des perfekten Wurfs? Einer, der es genauer wissen wollte, ist der französische Physiker Lydéric Bocquet von der Universität Lyon.

Katapult mit Aluminiumscheiben

Für seine Versuchsreihen baute er sich ein Katapult, mit dem er Aluminiumscheiben in verschiedenen Winkeln und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten über eine Wasseroberfläche schießen konnte, und filmte das Ganze mit einer Hochgeschwindigkeitskamera. Die Auswertung der Aufnahmen brachte Interessantes zu Tage. "Der gyroskopische Effekt ist entscheidend", meint Bocquet. "Eine Eigenrotation stabilisiert den Stein im Flug und entscheidet mit darüber, wie der Stein von der Wasseroberfläche wieder abspringt." Man müsse dem Stein beim Werfen lediglich einen leichten Dreh mit dem Finger mitgeben, damit er während des Flugs um die eigene Achse rotieren kann.

Das ist aber noch nicht alles, was Lydéric Bocquet mit seinen Versuchen herausgefunden hat. "Es hat sich gezeigt", sagt der französische Physiker, "dass der optimale Winkel, mit dem der Stein die Wasseroberfläche treffen sollte, 20 Grad beträgt." Aber auch die Geschwindigkeit ist von Wichtigkeit. "Da der Stein bei jeder Kollision mit der Wasseroberfläche kinetische Energie verliert, sollte er mit einer möglichst hohen Anfangsgeschwindigkeit geworfen werden." Bocquets Aufnahmen zeigen zudem, dass es für erfolgreiche Sprünge wichtig ist, dass der Stein mit seinem hinteren Teil zuerst auf die Wasseroberfläche auftrifft, ansonsten taucht er nämlich früher oder später in das Wasser ein und geht unter.

Apropos Wasseroberfläche: Die Meisterschaften im "Stoneskipping" finden in der Regel an einem See statt und nicht an einem Fluss oder gar am Meer, und das hat durchaus seinen Grund. Spiegelglattes Wasser und Windstille sind nämlich die optimalen Voraussetzungen für den perfekten Wurf, darin sind sich die Experten einig. Leider lässt sich das nicht beeinflussen und so kommt es, dass selbst Weltmeister wie Russell Byars oder Kurt Steiner sich bei Wettbewerben auch schon mal einem Glückspilz geschlagen geben müssen, der vielleicht einfach nur einen guten Tag hat. Andererseits bedeutet das natürlich auch für alle Urlauber, dass jeder den perfekten Wurf landen kann.

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EIN PAAR TRICKS

Wasser: Das Wasser sollte nach Möglichkeit spiegelglatt sein und keine Wellen aufweisen. Diese Verhältnisse lassen sich meist an einem See eher finden als an einem Fluss oder gar am Meer. Bemerkenswert viele Sprünge wurden allerdings auch schon bei leichtem Wellengang erzielt.

Wind: Windstille ist optimal. Ganz leichter Seitenwind kann eventuell durch etwas schwerere Steine ausgeglichen werden, die sich nicht so leicht von einer Böe beeinflussen lassen. Wind verursacht in der Regel aber auch Wellen und das wirkt sich gleich doppelt negativ aus.

Stein: Der Stein sollte etwa handtellergroß sein, flach, abgerundet, eine ebene Unterseite und eine möglichst ausgewogene Geschichtsverteilung haben. Die Dicke beträgt optimalerweise einen halben bis einen Zentimeter. Das Gewicht sollte möglichst bei 100 bis 200 Gramm liegen. Die perfekte Kreisform braucht der Stein nicht zu haben, meint zumindest der amtierende Weltmeister Kurt Steiner.

Wurftechnik: Der Stein wird mit dem Daumen und dem Zeigefinger (oder auch mit dem Mittelfinger) der Wurfhand gehalten. Der Daumen zeigt dabei in Wurfrichtung. Beim Abwurf gibt der Zeigefinger beziehungsweise Mittelfinger dem Stein seinen Dreh mit, versetzt ihn also in eine flugstabilisierende Rotation um seine eigene Achse. Das erreicht man am einfachsten, indem der Stein beim Werfen entlang des Fingers abgerollt wird. Der Stein sollte möglichst flach geworfen werden (eventuell beim Werfen mit den Beinen etwas einknicken oder gleich ganz hinhocken), damit er in dem optimalen Winkel von 20 Grad auf die Wasseroberfläche auftreffen kann. Wichtig ist eine hohe Anfangsgeschwindigkeit, die manche Profis erreichen, indem sie beim Werfen ein paar Schritte Anlauf nehmen.

Glückes Geschick: Übung ist der Schlüssel zum Erfolg - und natürlich auch das Glück. Eines darf man nämlich bei all den Profitricks nicht vergessen: Selbst kleinste Veränderungen können Großes bewirken. Es bleibt also noch genügend Raum für den eigenen ganz großen Wurf.

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