Auf Wasser gebautUnter Aachen liegen die heißesten Quellen Europas

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Der Elisenbrunnen in Aachen. Den Geruch, den man hier wahrnimmt, gehört zu Aachen wie Printen, Karl der Große und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule. Das Thermalwasser ist schwefelwasserstoffhaltig.

  • Aachen ist bekannt für Printen, Karl den Großen und seine Hochschule. Was viele nicht wissen: Unter der Stadt liegen die heißesten Quellen Europas.
  • Um die Wichtigkeit des Wassers wieder sichtbar zu machen, haben Ehrenamtler die App „aachen72grad“ entwickelt.
  • Mit der App geht es auf den Spuren des Wassers zu zehn Stationen in der Aachener Innenstadt – ein lehrreicher und wunderbarer Ausflug durch die historische Stadt.

Aachen – Mitten in Aachen stinkt es permanent nach faulen Eiern. Die Aachener stört das aber nicht. Niemand nimmt an dem Geruch aus dem Elisenbrunnen Anstoß, der nur wenige Hundert Meter von Dom und Rathaus entfernt liegt. Der Geruch des schwefelwasserstoffhaltigen Wassers aus dem Brunnen gehört zu Aachen wie Printen, Karl der Große und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule.

Aachen ohne Wasser? Undenkbar

Wie bei vielen anderen Städten ist auch die Gründung Aachens eng mit Wasser verbunden. Einen großen Fluss sucht man in Deutschlands westlichster Großstadt indes vergebens. Bereits die alten Römer und vermutlich schon zuvor die Kelten wussten aber die heilsame Wirkung des Thermalwassers voller Mineralien zu schätzen, das aus bis zu 3000 Meter Tiefe an die Oberfläche sprudelt. Mit bis zu 72 Grad Wassertemperatur gehören die 30 Quellen in der Aachener Innenstadt und im Stadtteil Burtscheid zu den heißesten ihrer Art in Mitteleuropa. 

Jahrhundertelang war Aachen mit seinen Heilbädern ein Gesundheitszentrum. Das Wasser wird etwa bei Gelenkschäden, Gicht, Osteoporose oder zur Rehabilitation nach Unfällen und Operationen eingesetzt. Der Heilbäderbetrieb prägte die Architektur und die Entwicklung der Stadt. Zu den berühmten Kurgästen gehörten Karl der Große, Albrecht Dürer, Zar Peter der Große, Georg Friedrich Händel, Casanova und Napoleon Bonaparte. 

Ohne Wasser kein Aachen. Heutzutage kann man aber auch sagen: Aachen ohne Wasser. Vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau ist es aus dem Stadtbild und dem Bewusstsein vieler Aachener weitgehend verschwunden. Fünf Quellen werden noch teilweise genutzt, unter anderem für eine Kurklinik, ein Thermalbad und den Elisenbrunnen. Die meisten Quellaustritte sind überbaut, zugedeckt und versteckt. Der größte Teil des Aachener Wassers wird abgepumpt und landet in der Kanalisation. Was auch nötig ist. Ließe man das Wasser in Ruhe fließen, würden sich in der Stadt nach und nach Tümpel und Seen bilden. Schließlich stoßen die Quellen täglich 3,5 Millionen Liter Wasser aus.

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Ricarda Quest und Ulrich Lieser engagieren sich für das Aacher Wasser.

Für Ulrich Lieser steht fest: Das Thermalwasser ist ein zu wenig genutzter Schatz der Stadt. „Dabei prägt das Wasser die Geschichte und das Bild der Stadt seit über 2000 Jahren“, sagt er. Lieser und andere engagierte Menschen wollen den Schatz heben. Innerhalb der Bürgerstiftung Lebensraum Aachen haben sie sich des Wassers angenommen. „Wir wollen das Thema wieder angemessen in Aachen platzieren“, sagt Lieser.

Stadtrundgang mit App: „aachen72grad“

Ein erster Baustein lässt sich auf Smartphones und Tablets herunterladen. In Zusammenarbeit mit einer Fachagentur und mit Fördergeldern haben die Ehrenamtler die App „aachen72grad“ entwickelt. Mittels der App geht es auf den Spuren des Wassers zu zehn Stationen in der Aachener City.

Rund 210.000 Euro habe die Entwicklung gekostet, erläutert Lieser. Und diese Summe merkt man der App an. Wie Ricarda Quest, ebenfalls Mitglied im Thermalwasser-Projektteam, sagt, beinhalte die App unter anderem Augmented Reality (zu Deutsch: „erweiterte Realität“). Das bedeutet, dass über den Bildschirm unter anderem alte Römer mimende Schauspieler ins heutige Aachen projiziert werden, um zu berichten, wie das Leben einst war. Ebenso kommt der animierte grüne Quellgeist Granni ans Tageslicht und erzählt vom Wasser. Dazu gibt es Videos, Zeichentrickfilme, historische Bilder und mehr.

Rund anderthalb Stunden sollte man sich für den App-Rundgang Zeit nehmen, sagt Quest. Selbstredend könne man zwischendurch Pausen einlegen. Da die App über GPS funktioniert, sollte man den Akku im Blick behalten – und natürlich darauf achten, beim konzentrierten Blick auf den Bildschirm nicht gegen Pfähle, Bänke oder Mitmenschen zu laufen. „Die App ist quasi ein virtuelles Museum“, meint Lieser, und daher auch coronatauglich.

Thermalwasser in Aachen sichtbar machen

Die Lobbyarbeit für das Wasser von Lieser, Quest und den anderen Engagierten geht indes noch weiter. Quellgeist Granni wurde einst von dem Aachener Puppenspieler Stephan Wunsch für eine Unterrichtsreihe in Grundschulen entwickelt. Ebenso will das Projektteam das Thermalwasser auch städtebaulich sichtbar machen, durch museale Schaufenster oder Kunstwerke. „Ein Fernziel ist auch das Thermalbaden vor Ort“, so Lieser. 

Eine Station der 72-Grad-App ist natürlich der Elisenbrunnen. Dort fließt das Wasser aus zwei goldenen Löwenmäulern. Und so wie es stinkt, so schmeckt es auch. Dennoch ist es trinkbar. Allerdings ist es kein Wasser nach der Trinkwasserverordnung, sondern Heilwasser und fällt unter das Arzneimittelgesetz. Wer regelmäßig davon trinken will, sollte einen Arzt konsultieren. Sonst sind Geruch und Geschmack vielleicht nicht die einzigen unangenehmen Nebenwirkungen des eigentlich heilsamen Wassers.

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Der Aachener Dom gehört zu den prägendsten Gebäuden der Stadt.

Die App „aachen72Grad“ gibt es für IOS und Android. Sie ist kostenlos und viersprachig (Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch). Ebenso gibt es eine Option für einfache Sprache. Für den Weg mit der App gibt es eine barrierefreie Alternative. Startpunkt ist das Centre Charlemagne, das Stadtmuseum im Katschof zwischen Dom und Rathaus. Im Museum gibt es auch eine gedruckte Version des Rundgangs zu kaufen, um das Aachener Wasser auch offline zu entdecken.

Weiterführende Tipps zum Ausflugsziel

Anreise: Von Bonn und Köln aus ist Aachen mit dem Auto am besten über die A4 beziehungsweise zuerst über die A555 zu erreichen, von Düsseldorf über die A46 und weiter über die A44. Am Aachener Hauptbahnhof halten verschiedene Züge zwischen Paris und Brüssel sowie Köln beziehungsweise dem Ruhrgebiet.

Für Radfahrer: Aachen ist an verschiedene Fernradwege angeschlossen. Dazu zählen der Vennbahnradweg durch das deutsch-belgische Grenzgebiet bis nach Luxemburg oder die Fußballroute NRW. Weitere Infos: www.aachen.de/radfahren

Für schlechtes Wetter: Sollte es regnen, bietet sich ein Museumsbesuch oder der Aachener Dom an. Wer das Aachener Heilwasser genießen will, geht zum Wellness in die Carolus Thermen: www.carolus-thermen.de

Der besondere Tipp: Am höchsten Punkt der Niederlande (323 Meter) treffen Belgien, Deutschland und die Niederlande zusammen. Der Dreiländerpunkt ist am besten mit dem Auto zu erreichen. Dort gibt es einen Spielplatz und ein Labyrinth.

Für Kinder: Nicht nur bei Kindern ist der Aachener Tierpark beliebt. Auf rund neun Hektar leben etwa 1000 Tiere. Das Pinguin-Ticket der Aachener Straßenbahn und Energieversorgungs-AG (ASEAG) beinhaltet eine Busfahrt sowie den Eintritt. Es kostet 9,70 Euro für Erwachsene und 5,60 Euro für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Weitere Infos zum Tierpark finden Sie hier: www.euregiozoo.de

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Pausensnack für den Städtebesuch: Apfelcrumble

Zutaten: 1 großer süß-saurer Apfel, z.B. Braeburn ca. 120 g Zitronensaft 50 g gehobelte Mandeln 50 g Weizenmehl 405 50 g Zucker 30 g kalte Butter Prise Salz

Zubereitung: Apfel mit dem Ausstecher entkernen, schälen, in schmale Scheiben schneiden, mit Zitronensaft beträufeln, auf vier Schälchen verteilen.

Mandeln, Mehl, Butter, Salz mit den Händen zügig zu Streuseln verarbeiten, auf dem Obst verteilen, bei 180 Grad Umluft 20 Minuten goldbraun backen. (Rezept: Schatzbergalm, Dr. Inga Persson)

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