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Rheinland für EntdeckerDer Kölner Dom – Die wichtigste Kirche der Christenheit

Lesezeit 7 Minuten
Die Archäologin Ruth Stinnesbeck führt immer wieder Besucher durch die Überreste bedeutender Gebäude unter dem heutigen Dom.

Die Archäologin Ruth Stinnesbeck führt immer wieder Besucher durch die Überreste bedeutender Gebäude unter dem heutigen Dom.

Köln – Wer von Aachen über die A4 auf Köln zufährt, sieht die weltbekannten Doppelspitzen des Doms schon aus weiter Ferne. Dass der Dom ein so weithin sichtbarer Koloss wurde, hat er den in Köln wenig beliebten Preußen zu verdanken. Sie setzten den 1248 begonnenen und 1520 nicht weitergeführten Kathedralenbau 1842 endlich fort, um ein Nationaldenkmal zu errichten. „Vor allem sollte der Dom es den Franzosen zeigen, denn die Preußen glaubten irrigerweise, die Gotik sei ein deutscher Baustil“, klärt Archäologin Ruth Stinnesbeck regelmäßig Besucher der Ausgrabungen unter der Kathedrale auf. Und dort – und nicht etwa auf dem Dach – wird vor allem das gewaltige Gewicht des Doms spürbar – das politische, wie das physikalische und außerdem die 2000-jährige Geschichte der Stadt.

Besucherservice

Führungen unter dem Dom, Domkloster 4, 50667 Köln,

Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag, Sonntag jeweils 15 Uhr ohne Anmeldung, aber maximal 20 Teilnehmer. Dauer: 90 Minuten

12 Euro pro Person. Gruppen (mit Anmeldung) zahlen montags bis donnerstags 170 Euro, freitags und samstags 190 Euro.

www.domfuehrungen-koeln.de/Ausgrabung

Selbst im Hochsommer steigt die Temperatur unter dem Dom selten über 20 Grad, und so führt die Archäologin, deren Kollegen den Wiederaufbau der vom Krieg nahezu zerstörten Stadt 1946 zu ersten Grabungen nutzten, zunächst durch den Südturm hindurch in den Dom. Und tatsächlich durch den Turm, denn vor zehn Jahren waren die Archäologen einfach zu neugierig, wie dessen elf Meter dicke Außenwand und die sieben Meter dicke Innenwand beschaffen sein könnte. „Zudem brachten die auf eine Turmbesteigung wartenden Touristen, die damals im Innenraum warten mussten, zu viel Unruhe in das Gotteshaus“, sagt Stinnesbeck.

Im Tunnel zeigt sie auf die wechselnden Schichten aus dunklem, harten Basalt und weichem Tuff und erklärt wie genial dieses Mauerwerk Erdbeben abfedert. Dabei lässt sie offen, „ob die Baumeister im Mittelalter das wussten“. Jedenfalls weiß man seit der Tunnelbohrung, dass die Wände massiv gemauert waren und viele helle Steine hier unter dem Dom von seinem Vorgänger stammen, der an der gleichen Stelle stand.

„30 Mal 30 Meter nur Stein und Mörtel“, beschreibt Stinnesbeck das Süd-Turm-Fundament. „Das entspricht dem Volumen des 157 Meter hohen Turms, der obendrauf steht.“ Bis 40 Meter über der Erde stammt der Turm aus dem Mittelalter, den Rest bauten die Preußen nach den Original-Plänen auf.

„Statisch berechnen konnte man damals noch gar nichts. Man hat nur aus dem gelernt, was nicht klappte“, beschreibt Stinnesbeck die älteste Bauphase. Als die Kölner 1284 vom Einsturz zu gewagter Gewölbe beim Bau der Kathedrale zu Beauvais hörten, bauten sie einfach noch massiver: Die Archäologin zeigt auf ein 16 Meter tiefes, unter dem gesamten südlichen Seitenschiff verlaufendes, breites Fundamentmauerwerk, das mit allem damaligen Wissen bis ins Grundwasser hinunter gebaut worden war. „Überflüssig“, stellt sie fest: „Man wusste einfach noch nicht, dass die Last eines Skelettbaus nur auf den Pfeilern ruht. Die riesigen Öffnungen dazwischen sind – platt gesagt – nur aus einem einzigen Grund geschlossen, damit es nicht reinregnet.“ Bis zum Bau der Nordseite des heutigen Doms hatte sich das neue Wissen aber herumgesprochen, und entsprechend schlank sind die Pfeilerfundamente dort. Ein Glück für die Archäologen, denn so blieb mehr vom alten Dom erhalten. „Wie schon in der Römerzeit ist zunächst mit Abbruchmaterial aufplaniert worden“, erklärt Stinnesbeck. Das neue Bodenniveau wurde bereits am 15. August 1242 festgesetzt: zwei Meter über dem alten. Und weil doch mehr Abraum anfiel, erließ die Stadt – aus Angst vor Hochwasser – ganz schnell ein Gesetz, das verbot, Erde in den Rhein zu schmeißen. Da kam Abraum also üblicherweise hin.

Die Archäologen fanden unter der Aufschüttung einen römischen Straßenzug mit Abwasserkanal und Brunnen, an einer Stelle sogar eine Wand mit Bemalung. „Hier am Rheinufer lebten reiche Römer, drüben die Germanen, und da wollte man protzen“, sagt die Führerin. Doch alles ist vergänglich. „Alles wurde zugeschüttet, um die erste große Kirche hier zu bauen – vermutlich schon im Jahr 313 als Maternus der erste Bischof von Köln wurde. Beweisen können wir das nicht.“ Selbst die beiden reich bestatteten Franken, deren Gräber nicht geplündert waren, bewiesen nicht viel. „Wir wissen nur, dass Gräber im sechsten Jahrhundert vor der Stadt oder an einer Kirche lagen“, erklärt die Ausgräberin.

Als Hildebold, Berater von Karl dem Großen, 795 erster Erzbischof von Köln wurde, ließ der eine 200 Jahre ältere Kirche niederlegen und einen Dom bauen, der nur drei Meter schlanker als der heutige Dom war und 100 Meter lang. Das gebogene Fundament seines Westendes, das – wie beim heutigen Dom – dem Heiligen Petrus geweiht war, umgibt heute einen kleinen unterirdischen Ausstellungsraum. Ein mittelalterliches Gemälde zeigt die gewaltige Ausdehnung dieses Doms aus der Karolingerzeit, der runde Türme hatte.

Doch so groß der alte Dom auch war – als die Kölner ab 1164 die in Mailand geraubten Gebeine der Heiligen drei Könige ausstellten, entstand ein solcher Andrang an Pilgern, dass es nicht genügte, zu verbieten, vor den Reliquien stehen zu bleiben. Und weil die Pilger mit Übernachtung und Bewirtung die Stadt reich gemacht hatten, leisteten sich die Kölner einen neuen Dom und einen goldenen Schrein für die Gebeine der Heiligen. „Das stellte alles in den Schatten. London, Paris – alle Metropolen können Sie vergessen“, sagt Stinnesbeck: „Der Kölner Dom wurde zur wichtigsten Kirche der Christenheit.“ Und ab 1803 für Landvermesser.

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Denn schon die Dreiecksvermessung von Jean Joseph Tranchot orientierte sich am höchsten Punkt der Dom-Vierung, ebenso das preußische Urkataster für das Rheinland und Westfalen, auf dem alle Grundstückseinteilungen und Steuerbescheide für Grund und Boden beruhen. Stinnesbeck zeigt auf einen Haken und eine rote Markierung in der Betondecke, die den aktuellen Fußboden des Doms trägt. „109 Meter oberhalb sitzt der Goldene Stern von Bethlehem. Danach haben auch wir all unsere Grabungen ausgemessen.“

Tipps rund um den Ausflug

Anreise:   Am besten eignet sich die Bahn – jede. Denn der benachbarte Hauptbahnhof ist das Drehkreuz für alle erdenklichen Bahnverbindungen. Wer von rechts des Rheins kommt, kann bei schönem Wetter schon in Deutz aussteigen und über die Südseite der Hohenzollernbrücke zum Dom schlendern.

Autofahrer parken praktisch unter der Kathedrale, in der „Tiefgarage Am Dom“. Wer sich auf sein Navigationsgerät verlassen möchte, tippt „Kurt-Hackenbergplatz 2, 50667 Köln“ ein.  Ein Vorteil: Man sieht in der Garage  Mauern des Doms, und der Wagen steht im Schatten. Einkehr: An Einkehrmöglichkeiten mangelt es am Dom nicht. Von der Eisdiele über Cafés bis zum Brauhaus von Gaffel, Früh und Sion ist alles da.   Die Zentrale von Kölntourismus ist gleich vis à vis des Doms. Dazwischen stehen  die wieder aufgerichteten Steine des Nordtors der römischen Stadtmauer vor einer lauschigen Sitzecke unter Bäumen.

Für Kinder ist die Tour unter den Dom nicht freigegeben. 16 Jahre ist das Mindestalter. Wer mit Kindern unterwegs ist, benötigt also eine Aufsichtsperson für eine  Alternative – etwa  ein Besuch im Zoo per Bimmelbahn (Erwachsene zahlen mit Rückfahrt acht Euro, Kinder 4,50 Euro) oder per Stadtbahn (Kurzstreckenticket   1,90 Euro, ein Euro für Kinder ab 6 Jahre). Beide fahren am Dom ab. Einen Abstecher wert ist das nur 1300 Meter entfernte Schokoladenmuseum (Foto). Am Rhein entlang dauert das zu Fuß 15 Minuten – oder auch per Bimmelbahn (als Schoko-Express) zum gleichen Tarif wie die Fahrt zum Zoo.      Kinder unter sechs Jahren haben im Schokoladenmuseum übrigens freien Eintritt, ältere zahlen 7,50 Euro, Erwachsene 11,50 Euro. Ein Erlebnis ist ein Spaziergang über die Dächer des   Doms. Doch Führungen dort oben sind nicht nur sehr selten, sondern auch über Monate ausgebucht. Ein Tipp: Ist es draußen heiß,  empfiehlt es sich, zur Führung unter dem Dom eine Jacke zu tragen. Der Ausgang führt durch die Kirche, was bei der Kleidungswahl ebenfalls bedacht werden sollte. Das Begleitbuch gibt es im Dom Shop: „Schichten und Geschichte unter dem Dom“,  von Georg Hauser. Auf 92 Seiten mit 200 Abbildungen ist es sowohl für die Vor- als auch für die Nachbereitung der Entdeckungsreise  geeignet. Preis: 15 Euro.

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