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Rheinland für EntdeckerWie das verstaubte Welterbe Mittelrheintal wachgeküsst wird

Lesezeit 7 Minuten
LP BuGa Bild 5 Jens Weber

Unesco-Welterbeführerin Ute Graßmann erzählt von einem interessanten Stück Sozialgeschichte am Rhein. 

  • Gehen Sie mit uns auf Tour in der Heimat: In unserer Serie „Rheinland für Entdecker“ geben wir Tipps für Ausflüge und Kurzurlaube vor unserer Haustür.
  • Das Unesco-Welterbe „Mittelrheintal" ist ein wenig verstaubt, findet unser Autor. Doch jetzt soll es wachgeküsst und mit alten Geschichten neu glänzen.
  • Führerin Ute Graßmann nimmt Sie mit ins Tal der Liebe, an einen verwunschenen Ort.
  • Lesen Sie hier auch alle bereits erschienenen Ausflugstipps aus unserer Sommerserie „Rheinland für Entdecker".

Im Mittelrheintal geht's zurück in die Zukunft. All die Burgen, die schroffen Felsen und Klippen, die steilen Rebenhänge und Märchen aus uralten Zeiten täuschen nicht darüber hinweg, dass das Weltkulturerbe zwischen Bingen und Koblenz Patina angesetzt hat. Eine Frischekur muss her. Darum fiel die Entscheidung für die Bundesgartenschau, die das Tal und seine verborgenen Schönheiten auf 67 Flusskilometern im Jahr 2029 wachküssen soll: Den Zauber des Rheins neu entdecken – wer damit nicht auf die Buga warten möchte, kann aber heute schon abseits der Touristenströme auf wundervollen Wegen viel erfahren über Natur und Kultur, und die Geschichten einer einzigartigen Kulturlandschaft.

Das „Tal der Liebe“ ist so ein verwunschener Ort; es zieht sich vom hessischen Weinstädtchen Lorch bis hinauf zum rheinland-pfälzischen Dorf Sauerthal. „Hier haben sich früher junge Leute getroffen, wenn sie vernarrt ineinander waren“, erzählt  Welterbeführerin Ute Graßmann und lacht,  „ist doch klar, dass die sich auch mal in die Büsche geschlagen haben ...“

Ein Tal, das kaum einer kennt

Ausgangs von Lorch, an der mittelalterlichen Kreuzkapelle, beginnt der sanft ansteigende Weg durch das liebevolle Tal, das in kaum einem Reise- oder Wanderführer verzeichnet ist. Aber Ute Graßmann stammt von hier und weiß alles: Im Gegensatz zum reichen Lorch war Sauerthal ein armes Dorf. Nach dem Dreißigjährigen Krieg sollen sich hier spanische Soldaten angesiedelt und in der Hauptsache von der Köhlerei gelebt haben. Später fanden die Menschen Arbeit im Schieferbergbau, an den noch etliche aufgelassene Stollen  erinnern. Das heute bewaldete Tal wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv landwirtschaftlich genutzt. Auf den Wiesen entlang des Tiefenbachs graste Vieh, selbst an den steilen Hängen wurden Obst, Kartoffeln und  Getreide angebaut. Es müssen kärgliche Ernten auf den steinigen Feldern gewesen sein...

Hier wird die Geschichte lebendig

In den Schilderungen von Ute Graßmann wird ein Stück Sozialgeschichte des Rheins lebendig, wie sie selbst vielen Einheimischen kaum mehr bekannt ist: Überreste von Trockenmauern im Hang, vereinzelte alte Obstbäume und etwas Fantasie lassen erahnen, wie schwer die Arbeit damals war. Die Welterbeführerin weist auf einen Baum hin, der vor vielen Jahren  circa 40 Zentimeter über dem Boden gekappt wurde und danach viele neue Äste ausgetrieben hat. „So konnten die Leute alle 20 bis 30 Jahre immer wieder Holz von ein und demselben Baum ernten“, erklärt Ute Graßmann. Heute heißt das  im Fachjargon  Niederwaldbewirtschaftung.

Das Tal hat sich jetzt merklich verengt. Man muss schon genau hinschauen, um  den Turm der Burgruine Waldeck zu erblicken. Hier lebten einst verschiedene Familien wie die Marschälle, die Waldbott und die Stumpf von Waldeck, ehe die Festung offengelassen wurde und verfiel. Nur noch wenige Schritte vorbei am „Sauren Jochen“, einer mineralhaltigen Quelle, und schon hat man das nächste mittelalterliche Gemäuer im Blick: die Sauerburg hoch über dem 160-Einwohner-Ort Sauerthal. Ziel nach rund fünf Kilometern und einer guten Stunde erreicht.

Trinkpause am Sauerbrunnen einplanen 

Wer jetzt einen Trinkbecher dabei hat, ist klar im Vorteil. Denn neben der Burg, dem Grabmal des Reichsgrafen Franz von Sickingen und der barocken St.-Anna-Kirche ist der mineralische und leicht kohlensäurehaltige Sauerbrunnen in der Ortsmitte Hauptanziehungspunkt. Man sollte das Wasser unbedingt kosten! Doch erst müssen die Quellgeister besänftigt werden, meint Ute Graßmann, legt eine Wildblume auf die Brunnenfassung, schöpft das kühle Nass und – gießt den ersten Schluck auf die Erde. Danke für den Trunk. Natur und Traditionen – wer will, kann sie im „Tal der Liebe“ noch entdecken, selbst wenn man nicht an Geister glaubt.

Eine Quelle hat auch den Ruf des linksrheinischen Bad Salzig begründet. Im Gegensatz zum ruhigen Sauerthal aber ist der Bopparder Stadtteil Bad Salzig dank seiner auf halber Höhe liegenden Rehaklinik etwas geschäftiger. Das Thermalwasser der Leonorenquelle wurde einst zu Trinkkuren genutzt und kann im schmucken, 1907 im neubarocken Stil erbauten Bäderhaus bis heute probiert werden. Die Zeiten des klassischen Kurbetriebs aber sind passé, aber  die Obstblüte in jedem Frühjahr könnte Ausweis genug sein für eine Gartenschau in zehn Jahren. Und  erst der Kurpark: eine weitläufige, künstlich angelegte Landschaft mit Bach, Promenadenwegen und Ausblick auf die Burgen der anderen Rheinseite.

Naturwunder am Pulsbachklamm 

Der historische Baumbestand ist eine Besonderheit; neben Ginkgo, Lederhülsen-, Tulpen-, Trompeten- und Riesenlebensbaum sind auch viele heimische Arten vertreten.  Ute Graßmann hat  noch ein weiteres „Wunder der Natur“ in petto. Rechtsrheinisch, zwischen dem Ort Kestert und dem zur Stadt St. Goarshausen gehörenden Flecken Ehrental, weist an der Bundesstraße 42 ein unscheinbares Schild auf die Pulsbachklamm hin.

Mit dem Auto: Von Köln oder Bonn aus erreichen sie Lorch über die A61, Autobahnabfahrt Pfalzfeld und mit der Fähre Engelsburg-Kaub über den Rhein. Die Fähre fährt je nach Bedarf alle zehn bis 15 Minuten  und kostet pro Person  im Auto 1,50 Euro. Dann über die  B42 bis Lorch(Rhein). Die Fahrt dauert mindestens zwei Stunden.

Mit der Bahn: Lorch erreichen Sie am Besten, in dem sie mit dem RE 5 nach Koblenz fahren und dort  in die „Rheingaulinie“ RB 10, die von Vias betrieben wird, umsteigen.

Nach den ersten betonierten Metern entfaltet sich ein Idyll: Das schmale Tal ist eingekerbt in hoch aufragende Felsen;  entlang uralter Trockensteinmauern, über hölzerne Stege führt der schmale Pfad mal gemächlich, mal steil bergan, immer in Sichtweite des Baches.  Alles hier ist grün. Die Flechten, Farne und Moose, die mächtigen Buchen und Eichen.  Herrlich, diese Ruhe! Nur Vogelgezwitscher und das Rauschen des Baches sind zu hören – obwohl das umtriebige Mittelrheintal gerade mal zehn Minuten Fußweg entfernt ist...

All die versteckten Schönheiten  erlebbar zu machen, das wird Herausforderung und Chance der Bundesgartenschau 2029. „Die ewige Sehnsucht des Menschen nach Liebe und Schönheit, nach Natur und Kultur, nach Geschichte und Geschichten, hier am Rhein hat sie ihre schönste Antwort gefunden“, sagt Ute Graßmann. „Mit der Buga können wir die alten Märchen für die Zukunft neu übersetzen.“

Ausflugstipps in Kürze: Museen,  Wein und Rafting-Touren

Für Kulturfreunde: In Boppard warten  freigelegte Ruinen der römischen Kastellbefestigung  ebenso wie Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die Kurfürstliche Burg, bürgerliche Fachwerkbauten des 16. bis 18. Jahrhunderts und prachtvolle Villen aus dem späten 19. Jahrhundert. Dem in Boppard geborenen  Möbelerfinder Michael Thonet ist im Museum Boppard eine  Ausstellung  gewidmet.

www.museum-boppard.de

Einkehr: In vielen Orten entlang des Mittelrhein gibt es hervorragende Winzer. Boppard mit den Weinen aus dem weltberühmten  Hamm ist ein  Hotspot, aber auch die Lagen in Lorch (Rheingau) oder im benachbarten Städtchen Kaub sind  bekannt.  

www.mittelrhein-wein.com  

Für Sportler:  Bogenschützen mit eigener Ausrüstung  finden im kleinen Ort Sauerthal einen der größten, ganzjährig geöffneten 3-D-Parcours Deutschlands. Die Tagesgebühr beträgt 10 Euro für Erwachsene, 5 Euro für Jugendliche, Kinder sind frei.

www.bf-sauerthal.de

Das Obere Mittelrheintal  sportlich auf dem Rhein entdecken zu können, verspricht eine geführte Rafting-Tour etwa durchs Binger Loch von Rüdesheim nach Kaub. 

www.mittelrhein-rafting.de

Mit bis zu 40 km/h saust der Loreley-Bob auf dem berühmten Felsen hoch überm Rhein. Die Sommerrodelbahn ist  täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

www.loreleybob.de 

>Lesen Sie hier alle bereits erschienenen Folgen der Serie Rheinland für Entdecker: 

www.ksta.de/entdecker www.rundschau-online.de/entdecker

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