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Sommelier zu Wein-„Entdeckung“„Totaler Schrott, aber solange Sie nicht blind werden“

Lesezeit 3 Minuten
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Ist die Wein-„Entdeckung“ aus dem Urlaub wirklich so „klasse“?

  • In unserer PLUS-Kolumne „Köln kulinarisch” schreiben unsere Kölner Gastro-Experten Sebastian Bordthäuser und Julia Floß wöchentlich im Wechsel über aktuelle Themen in der Gastronomie.
  • Auf billigen Fusel möchte unser Autor nur eine Antwort geben: „Totaler Schrott, aber solange Sie nicht blind werden…“
  • Wieso die Wahrheit über Wein soziale Kehrseiten hat, beschreibt er hier.

Neulich war ich zu Gast auf einer kleinen Grillparty. Man plauderte ein wenig über Gott und die Welt, bis das Gespräch seinen Lauf nahm. „Du bist doch Sommelier…“– wenn eine Unterhaltung so beginnt, ahne ich bereits Übles. Meist möchte mein Gegenüber seinen guten Geschmack attestiert bekommen. Man möchte es amtlich vom Fachmann bestätigt haben, dass der momentane Lieblingswein oder die „Entdeckung“ aus dem letzten Urlaub einfach klasse sei.

„Und für den Preis!“, kommt es dann wie das Amen in der Kirche. Spätestens dann wird es unangenehm, denn ich bin die Preisdebatte unendlich leid. Eine Antwort wie: „Totaler Schrott, aber solange Sie nicht blind werden…“, wäre die einzig richtige Antwort. Man müsste dann aber die Party schleunigst verlassen.

Die Wahrheit über Wein hat soziale Kehrseiten

Die Wahrheit über Wein hat also immer auch soziale Kehrseiten. Letztlich ist es nur recht und billig, wenn einem der Grauburgunder aus dem Discounter für 3,50 schmeckt. Das sagt allerdings mehr über den Geschmack des Zechers aus, denn über die Güte des Weines. Dafür Absolution zu verlangen, ist infam. Und letztlich geht die Diskussion nie über Qualität, sondern endet immer beim Preis. Meine Antwort ist daher immer die Gegenfrage: „Wer hat den Wein denn gemacht?“  Es folgen verschwommene Beschreibungen des Etiketts und wo man ihn gekauft habe. Namen? Fehlanzeige.

Aber jedes Kind braucht einen Namen, und das ist beim Wein nicht anders, denn jeder anständige Wein wurde von einem Winzer hergestellt. Der hat einen Namen, und der steht auf dem Etikett. Manchmal sogar eine Adresse. Einen kürzeren Weg vom Erzeuger zum Konsumenten gibt es nicht.

Wein ist kein Lebensmittel

Steht kein Name auf dem Etikett? Finger weg! Denn dann wissen wir nicht, wo die Brause herkommt. Es ist dann nur der Abfüller auf dem Rückenetikett vermerkt. Das besagt nur, dass dieser Abfüller den Wein in Flaschen füllt, aber nichts über dessen Qualität. Natürlich kann das dem einen oder anderen schmecken, schließlich haben wir eine strenge Lebens- und Genussmittelkontrolle. Die achtet darauf, dass alle im Verkehr befindlichen Weine den Mindestanforderung der analytischen und sensorischen Verkehrsfähigkeit genügen – sie also für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Für ein Genussmittel hängt die Latte da aber ganz schön tief.

Natürlich kann ich nicht jeden Tag eine teure Flasche trinken, man isst ja schließlich auch nicht jeden Tag Filetsteak. Dennoch gibt es keinen ersichtlichen Grund, dass nicht auch das tägliche Gläschen zur Käsestulle mehr leisten darf, als nach technischen Standards verkehrsfähig zu sein. Schließlich führt er das Wörtchen „Genuss“ im Namen verankert, denn Wein ist kein Lebensmittel. Falls es dann immer noch der billige Discounter-Wein soll, ist das nur recht und billig, dennoch scheint mir dann oft der Rausch im Vordergrund zustehen. Im Bedarfsfalle rate ich persönlich gerne zu eiskaltem Wodka, ein reines Destillat mit einer Fehlerquote gen Null. Immer sauber, immer gut. Und das zu dem Preis!

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