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Vollgas Richtung GeschmackspapillenWie schmeckt es im „Haus Bosen“?

Lesezeit 3 Minuten
2018 Haus Bosen 12560 klein

Man könnte vier komplette Speisekarten anderer Restaurants aus dem Angebot im „Haus Bosen“ basteln. Kann die Küche all das kochen?

  • Die Karte ist groß im Restaurant „Haus Bosen” in Erftstadt, genau wie die Portionen. Kann das Essen dann auch schmecken?
  • Subtilität ist nicht das Thema dieser Küche, meint unser Gastrokritiker Carsten Henn. Stattdessen geht es mit Vollgas Richtung Geschmackspapillen.
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Im „Haus Bosen“ wird Willkommenskultur noch in gefüllten Tellern gelebt – und das ist weiß Gott keine Kritik! Solche Teller sind in Restaurants mit Anspruch heute eine absolute Seltenheit.

Dass man hier mit Anspruch kocht, ist von außen nicht unbedingt zu erkennen. Das Fachwerkhaus am Markt in Lechenich wirkt eher wie eine gemütliche Kneipe. Innen setzt sich das fort, wobei das Rustikale etwas aufgehübscht wurde, und weiße Tischdecken und Servietten genau wie Brot und Butter zur Begrüßung dazugehören. Nicht alles passt bei der Einrichtung zusammen, aber das macht gerade den Charme aus.

Auch bei der Karte von Benjamin Edery passt nicht alles zusammen. Ist das jetzt ein gutbürgerliches Restaurant, ein ambitioniertes Bistro, ein Flammkuchen-Haus, oder ein italienisches Restaurant? Antwort: alles auf einmal. Kalbsniere? Weinbergschnecken? Caesar-Salad? Königsberger Klopse? Zander mit Orangen-Meerrettich-Kruste? Trendiges wie Shakshuka? Ja, ja und nochmal ja. Man könnte vier komplette Speisekarten anderer Restaurants daraus basteln.

Subtilität ist nicht das Thema der Küche

Eigentlich ist das ein Zeichen, dass nichts richtig verstanden oder gekocht wird. Aber die Tomaten-Orangen-Suppe mit Ziegenkäse hält schon mal prima die Balance zwischen Fruchtigkeit, Säure und präzisem Gemüse-Ton. Ein Klassiker ist hier das Vitello „Haus Bosen“, bei dem der italienische Klassiker sowohl traditionell wie leicht aufgepimpt auf den Teller kommt. Das ist kräftig gewürzt, aber die Aromen von Fleisch und Fisch behaupten sich. Auch bei der Tortilla wurde mit Salz nicht gespart, und die Aioli hat ordentlich Wumms. Subtilität ist nicht das Thema der Küche, es geht stattdessen Vollgas Richtung Geschmackspapillen.

Richtig gefreut habe ich mich, mal wieder, einen Fisch im Kartoffelmantel zu sehen, in diesem Fall einen Wolfsbarsch. Ein Filet besitzt die leicht knusprigen Kartoffelschuppen, ein anderes nicht. Das Grillgemüse ist nett, wenn auch nicht weiter erwähnenswert und der Senfsauce fehlt der sonst hier übliche Wumms – aber viele Köche trauen sich in Sachen Schärfe leider gar nichts mehr. Als wären wir ein Land der kulinarischen Weichlinge geworden!

Der Höhepunkt kommt dann zum Schluss: ein am Tisch mit Calvados Dauphin flambierter Apfelflammkuchen mit Vanilleeis und Kirschen. Der Teig ist herrlich flach und knusprig, die Apfelscheiben hauchdünn, der karamellisierte Duft köstlich – und das Ganze reicht auch für zwei. All das zu sehr fairen Preisen und mit einer freundlichen Bedienung samt Mutterwitz (beim Servieren des Bieres „Jetzt zischen wir erst mal einen!“).

Passend zum Jubiläum hat man dieses Jahr einen Bib Gourmand vom Michelin verliehen bekommen, für sorgfältig zubereitete Speisen zu einem besonders guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Passt!

Fazit: Ein kulinarischer Hans-Dampf in allen Gassen – große Portionen, gut gekocht.

„Haus Bosen" Herriger Straße 2, 50374 Erftstadt, Tel. 02235/ 691618 Öffnungszeiten: Di-So 12-14 und 18.30-22 Uhr

www.hausbosen.de

Henns Auswahl

Vitello „Haus Bosen“ / Kalbfleisch / Thunfisch // 12,50 Euro

Tomaten-Orangen-Suppe mit Ziegenkäse // 6,50 Euro

Kartoffel-Tortilla / Gemüsegarnitur / Aioli // 12,50 Euro

Wolfsbarsch im Kartoffelmantel / Senfsauce / Grillgemüse // 19,50 Euro

Apfelflammkuchen mit Vanilleeis, am Tisch flambiert  // 9,50 Euro

Menü: 32,50 / 35,40 Euro (drei / vier Gänge)

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