InterviewIm neuen Album blickt Mark Knopfler zurück

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Mark Knopfler kommt im Mai nach Köln.

Mark Knopfler kommt im Mai nach Köln.

Wer sich Mark Knopfler als einen gemütlichen Menschen vorstellt, der liegt genau richtig. In seinen „British Grove Studios“, wo nebenan gerade ein Filmsoundtrack aufgenommen wird, sitzt er gemütlich beim Tee und schließt die Studiotür nicht etwa, indem er aufsteht, sondern mit einem kleinen Knopf am Schreibtisch, was ihm eine fast kindliche Freude bereitet. Auch auf seinem jüngsten Album „Down The Road Wherever“ bleibt der 69-jährige Gitarrist, Komponist und Sänger ganz gepflegt in der Komfortzone. Der Ex-Frontmann der Dire Straits („Money For Nothing“, „Sultans Of Swing“) hat 14 neue und herrlich detailverliebte Songs eingespielt, die hin und wieder flott und funky, überwiegend jedoch schön gemächlich, melancholisch und nach Kaminfeuer und Heißgetränk klingen.

Ihr Studio sieht topmodern aus. Was ist das Besondere an diesen Räumen?

Machen wir uns nichts vor: So ein Studio zu betreiben, ist eine idiotische Idee, wenn du Geld verdienen willst. Ich verdiene jedenfalls keins damit. Mir geht es vielmehr darum, wirklich die bestmöglichen Aufnahmen zu machen.

Schreiben Sie Ihre Songs auch hier?

Nein, nie. Das mache ich zu Hause in meinem Studienzimmer. Und auf Tournee. Wenn du mich im Hotel den Flur entlanglaufen siehst, mit einem Hocker im Arm, dann deshalb, weil da fast nie Stühle im Zimmer sind, auf denen ich Gitarre spielen kann.

Haben Sie ständig Song-Ideen in Ihrem Kopf?

Jederzeit lauern musikalische Ideen und Gedanken darauf, mir den Tag durcheinanderzubringen. Meistens auf angenehme Weise. Aber ich spüre nie Stress oder den Zwang, irgendetwas zu schreiben. Alles in allem ist es eine wunderbare Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Ein traumhaftes Dasein, oder?

Ja, ich bin ein glücklicher Junge. Ich freue mich jeden Tag darauf, in meinem Studio aufzunehmen oder auch einfach bloß hier zu sitzen, den anderen Bands zuzuhören und ein Tässchen Tee zu trinken.

Eines der neuen Lieder heißt „Slow Learner“.

Oh ja. Ich bin in allem so langsam. Und so bedächtig. Ich gucke mir erst alles an, bevor ich es ausprobiere. Ich brauche zum Beispiel ewig, um herauszufinden, wie genau der Reißverschluss an einer neuen Jacke funktioniert.

Stört Sie aber nicht?

Nein, überhaupt nicht. Ich war aber immer schon der letzte. Auch hier im Studio mache ich immer als letzter das Licht aus. Die anderen sind dann längst schon weg. Ich bin damals schon ein verträumter Junge gewesen, und heute bin ich ein verträumter älterer Herr.

Die Welt um uns herum ist ja schnell genug.

Gott, ja. Speziell in den großen Städten. Deshalb verlasse ich die Stadt auch gern, um runterzukommen. Ich hasse die Ungeduld der Städter, ich finde den Straßenverkehr dort besonders furchtbar. Meistens bin ich auf zwei Rädern unterwegs und kann so den Staus ein bisschen ausweichen.

Ist Ihr Motorrad der eine Ort, auf dem Sie ihre Langsamkeit vergessen?

Oh nein, ich bin kein Hasardeur. Und seit ich vor zehn Jahren einen ziemlich üblen Unfall mit meinem Motorrad hatte, bin ich noch vorsichtiger und zurückhaltender geworden. Ich würde behaupten, ich fahre meinem Alter angemessen.

Sie werden kommendes Jahr 70. Denken Sie schon an Ihren Geburtstag?

Nein, überhaupt nicht. Ich neige ehrlich gesagt dazu, meine Geburtstage schlicht und einfach zu vergessen.

Ihre Lieder sind ja immer schon sehr zeitlos gewesen, und „Down The Road Wherever“ macht da keine Ausnahme. Schreiben Sie gerne Songs, mit denen man als Künstler gut älter werden kann?

Das ist mir auf jeden Fall lieber, als wenn meine Songs fünf Minuten cool und dann für immer peinlich wären. Ich versuche schon, sie handwerklich immer so liebevoll zu gestalten, dass sie nicht so schnell kaputtgehen, dass sie ein bisschen länger haltbar sind. Und ich finde, ich singe heute besser als früher, denn ich hatte seit 21 Jahren keine Zigarette mehr.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht , Ihre großen Dire-Straits-Hits neu aufzunehmen?

Ehrlich gesagt nicht, aber jetzt, da Sie es ansprechen: Wäre vielleicht eine Idee. Ich habe nur immer so wenig Zeit und letztlich doch mehr Interesse daran, komplett neue Musik zu machen als das Vergangene wieder aufzuwärmen.

„Back On The Dancefloor“ ist ein richtig schwungvolles und fröhliches Lied. Worum geht es darin?

Der Song ist ein wenig frech und amüsant. Ich spreche darin ein bisschen über die Kollegen, die auch schon sehr lange dabei sind, über die richtig alten Knacker. Wenn ich manche von uns so sehe, frage ich mich manchmal, ob es für uns Rock’n’Roll-Opas ein Haltbarkeitsdatum gibt. Oder ein Höchstalter, an dem man dann so langsam die Bühne verlässt.

Denken Sie, dass es so ein Höchstalter gibt?

Schon. Mit 100 noch zu touren, das stelle ich mir sehr problematisch vor.

Die Stones oder Bob Dylan sind Mitte 70, gegen diese Kollegen sind Sie noch ein Frischling. Denken Sie eigentlich gelegentlich über den Zeitpunkt nach, an dem Sie Schluss machen?

Ja, ziemlich intensiv sogar. Und meine Livekonzerte werden das erste Opfer dieser Überlegungen sein. Ich kann mir vorstellen, weiter zu schreiben und aufzunehmen, aber touren? Tourneen machen dich wirklich platt, früher spielte ich sechs Abende am Stück, heute schaffe ich allerhöchstens noch drei, bevor ich einen freien Tag brauche.

Was machen Sie denn, um Ihre Energiereserven wieder zu füllen?

Früher bin ich einfach saufen gegangen. Heute suche ich im Zweifelsfall lieber den nächsten Fitnessraum auf. Oder bleibe einfach noch ein bisschen liegen.

Sie blicken in einigen Songs auf Ihre Kindheit und Jugend zurück. Sind Sie alt genug für Nostalgie?

Ja, das Zurückschauen hat hundertprozentig was mit dem Alter zu tun. Man fängt an, die Welt aus dem umgedrehten Teleskop heraus zu betrachten. Je älter du wirst, desto wichtiger wird die Vergangenheit, zumindest geht es mir so. Aber ich bin nicht nostalgisch, ich verkläre die Vergangenheit nicht, ich sehe sie realistisch.

Was wäre für Sie denn nostalgisch?

Der Brexit.

Wie meinen Sie das?

Die Leute, die für den Austritt aus der EU gestimmt haben, träumen vom guten, alten, aber längst vergangenen Großbritannien. Sie glauben, wenn wir unabhängig sind, bekommen sie die Kontrolle über ihr Leben zurück. Sie wollen, dass alles irgendwie simpler wird. Aber das ist ein großer Fehler. Die Welt wird nicht wieder wie früher.

Bringt Sie der Brexit um den Schlaf?

Nein, das nicht. Seien Sie versichert, die Welt wird auch durch den Brexit nicht untergehen.

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