Neu im Kino„Atlas“ ist ein herausragendes Regiedebüt

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Rainer Bock (1)

Rainer Bock (2.v.r.) als Walter und Thorsten Merten (r) als Alfred in einer Szene des Films "Atlas" (

Die Tätowierung auf dem Oberarm wirkt schon ein wenig ausgebleicht. Sie zeigt den griechischen Titan Atlas, der sich die ganze Welt auf seine Schultern geladen hat. Wahrscheinlich dachte Walter (Rainer Bock), als er in jungen Jahren das Bild in seiner Haut verewigen ließ, dass er alle Lasten des Lebens stemmen könne. Walter war einmal Gewichtheber. Auch mit Sechzig hat er immer noch diesen schweren, breitbeinigen Gang und nimmt als Möbelpacker einen Kleiderschrank allein auf den Rücken. Aber sein Blick wirkt scheu, die Haltung geduckt, als würde er sich am liebsten unsichtbar machen.

Walter will vor allem eins: Keinen Ärger. „Du bist der Einzige, auf den ich mich verlassen kann“ sagt sein Chef (Uwe Preuss) zu dem wortkargen Mitarbeiter, der für ihn schon seit dreißig Jahren schuftet. Zwangsräumungen sind die Haupteinnahmequelle des Speditionsunternehmens. Aber dann erkennt Walter ein bekanntes Gesicht: Es ist sein Sohn Jan (Albrecht Schuch), der sich per Gerichtsbeschluss den Zwangsmaßnahmen entzieht. Die junge Familie ist die letzte, die noch in dem Frankfurter Mietshaus wohnt, das von einem kriminellen Clan gekauft wurde und nun entmietet werden soll.

Walter, der seinen Sohn zum letzten Mal im Alter von vier Jahren gesehen hat, gibt sich nicht zu erkennen, aber er fängt an, etwas zu tun, dass er sein ganzes Leben lang vermieden hat: Er mischt sich ein. Und so landet Walter einen Tag später am Essenstisch der Familie, die nicht ahnt, dass sie den Großvater ihres Sohnes eingeladen hat.

Erste Kinohauptrolle

Ein starker, gebrochener Mann, der sich langsam und still wieder aufrichtet, steht im Zentrum von David Nawraths herausragendem Spielfilmdebüt „Atlas“. Der wichtigste Verdienst des Filmes ist es, dass hier Rainer Bock endlich für seine erste Kinohauptrolle unter Vertrag genommen wurde.

Rainer Bock

Der Film kommt am 25.04.2019 in die deutschen Kinos.

Bock ist ein alter Hase, der seit „Das weiße Band“ zumeist als Nebendarsteller auf die Rolle des kalten Intellektuellen abonniert war und auch international ein gefragter Mann ist. Er bringt eine ruhige und klare körperliche Präsenz in die Rolle des Möbelpackers, der sich langsam aus der selbst gewählten Isolation herausarbeitet und seine väterlichen Verantwortungsgefühle hervorholt. Zu sehen, wie Bock die Figur Schicht um Schicht allmählich aufbricht, ist gerade aufgrund der limitierten verbalen Möglichkeiten der Rollenvorgabe ein unglaublich spannendes Erlebnis.

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Aber „Atlas“ lebt nicht allein von seinem Hauptdarsteller. Mit einem äußerst präzisen Erzählstil baut Nawrath seine Vater-Sohn-Geschichte auf, reichert sie mit Versatzstücken aus dem Gangsterfilm an und platziert seinen Film im hochaktuellen politischen Kontext großstädtischer Gentrifizierung. Das alles gelingt ihm mit sozialer Authentizität und Figuren, die bis in die Nebenrollen hinein glaubwürdig wirken. Aus den sorgsam gestalteten Charakteren und ihren unerwarteten Entscheidungen ergeben sich Wendungen, die die ruhige Spannung des Filmes bis zum Schluss aufrecht erhalten.

Infos zum Film

Atlas D 2018, 100 Minuten, R David Nawrath,D Rainer Bock, Albrecht Schuch, Thorsten Merten

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