Rundschau-Podium mit VideoWie Corona unser Weihnachtsfest auf den Kopf stellt

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Bellevue

Schloss Bellevue erstrahlt unter einer Lichtprojektion, die Mut machen will.

Köln – Dieses Weihnachten ist anders, ganz anders als gewohnt. Ausgiebige Besuche sind nicht möglich, gemeinsames Singen in den Gottesdiensten gibt es nicht. Rituale und Geselligkeit fallen den Corona-Schutzmaßnahmen zum Opfer. Gerade in der unsicheren Zeit ist das eine Herausforderung, sagt Psychologe Stephan Grünewald. „Weihnachten bringt auch Stabilität in den Alltag.“ Etwas, das derzeit vielen fehlt. Die Pandemie fordert einen Spagat – zwischen Schutz der Liebsten und vertrauter Nähe. „Weihnachten ist ein Fest, an dem man den Nächsten nahe kommt, und gerade die will man nicht gefährden“, verdeutlicht Grünewald.

Die außergewöhnlichen Umstände während der Corona-Pandemie bedeuten schmerzhafte Einschränkungen, aber auch Chancen. Das wurde beim „Rundschau-Podium“ zum Thema „Weihnachten versus Corona“ deutlich. Bei der Veranstaltungsreihe, die von der Kreissparkasse Köln und der Sparkasse Köln Bonn unterstützt wird, beantworten Experten Leserfragen. Der Kölner Stadtdechant Monsignore Robert Kleine, Diplom-Psychologe und Bestsellerautor Grünewald und Professor Horst Kierdorf, Klinischer Direktor der städtischen Kliniken Köln, diskutierten in einem Livestream. Wegen der Pandemie kann das „Rundschau-Podium“ derzeit nur digital stattfinden.

Hier gibt es den Beitrag in voller Länge zu sehen:

Corona stellt alles auf den Kopf

Klar ist: Corona stellt auf den Kopf, was zu Weihnachten gehört. Gemeinschaft und Zuwendung spielen dem Virus in die Karten. Es gibt aber auch einen anderen Aspekt. „Paradoxerweise nähern wir uns jetzt dem Geist der Weihnacht an“, sagt Grünewald. Denn Weihnachten feiere auch das Provisorium, mit der Geburt Christi in einem Stall. Die Beschränkungen böten Chancen. Wie die, sich auf Wesentliches zu besinnen. Mit wem möchte man wirklich zusammen feiern, wer ist nicht so wichtig? Die Frage „Was tut mir wirklich gut?“ stellten sich laut Grünewald viele in der Krise. In tiefenpsychologischen Interviews hat sein Marktforschungsinstitut Rheingold zur aktuellen Gemütslage der Deutschen intensiv geforscht. „Viele Menschen sind durch Corona in eine Art Besinnungsphase eingetreten“, so Grünewald.

Eine Innenschau, die sich Mitarbeitende in der Pflege seit Monaten kaum erlauben können. Ihre Belastung ist enorm. „Viele gehen über ihre Grenze hinaus“, betont Professor Kierdorf. Sollte es dazu kommen, dass nicht alle Covid-Patienten behandelt werden können und eine Triage erforderlich werde, stünde das Personal zusätzlich unter starkem emotionalem Druck. Umso wichtiger scheint es, dass die Bürger bereit sind, Einschränkungen und Auflagen zu befolgen.

Ein Wechsel aus Lockerungen und Warnungen

Doch es besteht die Gefahr des Ermüdungseffekts. Das glaubt zumindest Grünewald, der auch die NRW-Regierung berät. „Wir können nicht neun Monate lang den Leuten sagen, dass die Lage brandgefährlich ist“, warnt er. Stattdessen müsse eine stärkere Rhythmik gefunden werden – mit Lockerungen und Freiheiten im Sommer und stärkeren Warnungen, wenn der Winter kommt. Im Frühjahr habe die Solidarität wunderbar funktioniert. Doch die Lebenswirklichkeit der Menschen im Lockdown sei sehr unterschiedlich. Während finanziell Abgesicherte Entschleunigung und Muße genießen könnten, erlebten andere existenzielle Verunsicherung, räumliche Enge oder Überforderung. „Corona ist kein Gleichmacher“, sagt Grünewald.

Umso wichtiger scheint deshalb ein Hoffnungsschimmer. Für Christen besteht er auch in der frohen Botschaft der Geburt Jesu. Trotz Übertragungen via TV, Radio und Sozialer Medien, halten die Kirchen im Corona-Jahr an den Gottesdiensten fest. „Ich hoffe, dass jeder, der möchte, in einen Gottesdienst kommen kann“, unterstreicht Monsignore Kleine. Die Angebote sind jedoch mächtig ausgedünnt. Während zum Beispiel normalerweise an die 4500 Leute bei der Christmette im Dom dabei sind, werden Heiligabend nun nur jeweils 250 Plätze in vier Messen vergeben. Fehlende Gemeinschaftserlebnisse können gerade Menschen, die alleine stehen, zu Weihnachten arg zusetzen. „Viele sind allein. Für sie wird dieses Weihnachten vielleicht noch einsamer“, warnt Kleine. Sein Appell: „Jeder sollte versuchen, für einen anderen ein Segen zu sein. Da gibt es ein großes Potential gerade im Corona-Jahr.“

Kraft der Kirche an Weihnachten

Den „Zauber des Glaubens“ und die „Kraft der Kirche“ gerade zur Weihnachtszeit sieht auch der Psychologe Grünewald als wichtige Grundfeste. Er bedauert, ebenso wie ein Leser beim „Rundschau-Podium“, dass das gemeinsame Singen nicht stattfindet. „Das schafft erhabene Gefühle, da spürt jeder Gottesnähe“, so Grünewald.

Doch die christliche Verheißung des Weihnachtsfestes, dass ein Retter geboren sei, kann aus Sicht des Psychologen durchaus auf den Impfstoff übertragen werden. Gewissermaßen am „dritten Weihnachtstag“, am 27. Dezember, sollen die Impfungen beginnen. „Wir sind in Köln sehr gut vorbereitet auf die Impfung“, findet Klinikdirektor Kierdorf. Dennoch dämpft er zu hohe Erwartungen: „Dass wir 60 Prozent der Deutschen innerhalb des ersten Quartals 2021 impfen, ist eher unrealistisch.“

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