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Erst begradigt, jetzt renaturiert

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RHEIN-ERFT-KREIS. Die königlich-preußische Verordnung erging am 3. Januar 1859. Gegründet wurde mit diesem Dekret die „Gesellschaft zur Melioration der Erft-Niederung“ - ein Vorläufer des heutigen Erftverbands.

Vor 150 Jahren galt das Interesse noch weniger dem Fluss selbst als der landwirtschaftlichen Nutzung seiner Umgebung. „Melioration“ bedeutet vor allem Maßnahmen zur Steigerung der Ertragsfähigkeit. Sümpfe sollten entwässert, vertrocknete Böden bewässert werden. Als probates Mittel, das dazu auch dem Schutz vor Hochwasser dienen sollte, galten damals auch die Flussbegradigungen.

Dazu wurden gigantische Anstrengungen unternommen. Allein zwischen 1860 und 1866 entstand ein Netz von Flut-, Entwässerungs- und Bewässerungsgräben mit einer Gesamtlänge von 150 Kilometern. Auf 31 Kilometern wurde der Flusslauf reguliert, meistens begradigt. Bekanntestes Bauwerk dieser Zeit: der Erftflutkanal zwischen Türnich und Blerichen. Darüber hinaus entstanden 50 Kilometer Deiche und Staudämme, 112 Brücken und Stege, 15 Aquädukte, 56 Wehre und Schleusen, 68 Röhren, Rinnen und Durchlässe sowie 16 Grundschwellen.

Mit zunehmender Industrialisierung rückte auch der Fluss selbst langsam aber sicher in den Vordergrund. Nachdem in den 1870er Jahren zunächst die ersten Zuckerfabriken Fuß gefasst hatten, leiteten bald auch Brauereien, Molkereien sowie Papier- und Textilfabriken ihr Abwasser in die Erft und ihre Nebenflüsse. Es dauerte bis 1934, ehe insgesamt sechs Kläranlagen und zwei Sickeranlagen den Betrieb aufgenommen hatten.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch an der Erft Spuren. Nach Kriegsende war die in „Erftverband Bergheim“ umbenannte Gesellschaft noch bis 1952 mit der Beseitigung von Trümmern und der Errichtung von Notbrücken beschäftigt. Schon bald folgten neue Herausforderungen. Mit der Einrichtung der Tieftagebaue im Braunkohlenrevier bestand die Gefahr, dass durch Grundwasserabsenkungen Wassermangel an der Erft eintritt. Das Resultat einer langen Debatte war das Gesetz zur Gründung des „Großen Erftverbands“, das vor 50 Jahren am 29. Juli 1959 das Bundesverfassungsgericht passierte.

Erster Geschäftsführer dieses Verbandes, der bis zur Fusion 1969 parallel zum Erftverband Bergheim existierte, war seit 1960 Werner Lindner, der das Amt bis 1978 innehatte. 25 Jahre später übernahm sein Sohn Wulf die Aufgabe als Vorstand der jetzt nur noch unter dem Namen „Erftverband“ auftretenden Körperschaft. Inzwischen haben sich die Aufgaben erneut verändert. Vieles, was früher als Fortschritt galt, wirkt heute nicht mehr zeitgemäß. Größtes Zukunftsprojekt des Erftverbandes ist deshalb die Renaturierung der Erft in ihrem Flussbett vor der Begradigung. Die Renaturierung soll nicht nur an der Gymnicher Mühle, sondern auch am Erftflutkanal in am Vogelwäldchen in Bergheim und schließlich bis 2045 die Erft hinunter bis nach Neuss in Angriff genommen werden.

Auf einen Festakt zum doppelten Jubiläum verzichtet der Erftverband. Gefeiert werden soll aber dennoch, und zwar im Rahmen zum Wasserwirtschaftssilvester am 30. Oktober im Freilichtmuseum Kommern in der Eifel.

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