Gestüt Tanneck„Ein Stück Geschichte geht unter“

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ELSDORF-TANNECK – Im Nebel eingehüllt ist das Gestüt Tanneck - Endzeitstimmung auf dem Hof. Beim letzten Sturm umgestürzte Uralt-Bäume liegen in dem kleinen Park. Der weiße Anstrich strahlt nicht mehr wie zu besten Zeiten. Denn der Besitzer Heinrich Zölzer und seine Zucht- sowie Pensionspferde müssen der Braunkohle weichen und sind gerade dabei auszuziehen.

„Wir sind die Letzten, die den Hof verlassen“, erklärt Heinrich Zölzer wehmütig und betont mit traurigem Herzen: „Das ist schwer. Diese Anlage war einmalig im Rheinland, so etwas ist gar nicht mehr zu finden. Es war sehr schön hier. Der Verlust ist groß.“

Und damit blickt Heinrich Zölzer nicht nur auf seine 24-jährige Tanneck-Vergangenheit, sondern auch auf die des Gestüts, welche bis ins Jahr 1860 zurückreicht.

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Mitte des 19. Jahrhunderts ließ die Familie Langen, eine der Gründerfamilien der Zuckerfabrik Pfeifer & Langen, Haus Tanneck aufbauen. Sie nutzte es als ihren Sommerwohnsitz. Bis in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts soll die Familie dort gewohnt haben. Angeblich, so wird erzählt, bekamen die Kinder im Dorf zu Weihnachten Spielzeug und Süßigkeiten geschenkt.

In den 1930er Jahren soll laut Heinrich Zölzer ein Industrieller namens Guilleaume in Tanneck gewohnt haben. Er betrieb ein Gemüse- und Gärtnereiunternehmen.

In der Nazi-Zeit wurde aus dem Haus Tanneck ein Lazarett, welches dem Reichsaußenministerium unterstellt war. Der damalige Außenminister Joachim von Ribbentrop soll hier Vollblüter gezüchtet haben. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass das alte Gebäude im Jahre 1944 durch Luftangriffe zerstört wurde.

Im Jahre 1952 kaufte der Unternehmer Adolf Schindling Haus Tanneck und prägte die neuen Gemäuer mit seinem Stil. Der ehemalige Seemann ließ sich mit einem Wappen am offiziellen Eingang verewigen. Nicht etwa Pferd und Hufeisen, sondern Fisch und Ruder zieren das Familienzeichen. Dennoch wurden von nun an offiziell Vollblüter gezüchtet.

Adolf Schindling nannte das Gestüt Asta. „Das ist die Abkürzung des Firmennamens Adolf Schindling Tachometer, aus dieser Firma sind die VDO-Werke hervorgegangen“, erzählt Heinrich Zölzer.

Die Erfolgsgeschichte begann. Schnell zählte Asta neben Schlenderhan zu einem der bedeutendsten Gestüte in Westdeutschland. Mit den Pferden „Kaliber“ und „Manometer“ stellte es zwei Derbysieger.

Aber auch ein anderer Pferdesport erhielt Einzug in Tanneck. Die Tochter des Hauses, Lieselotte, später verheiratete Linsenhoff, entdeckte den Dressursport für sich. Mehr noch, sie gewann 1956 Olympiasilber mit der Mannschaft und im Einzel Bronze in Stockholm, Mannschaftsgold 1968 in Mexiko und als erste Frau überhaupt bei den Olympischen Spielen 1972 in München eine Goldmedaille im Einzel. Getragen wurde sie bei ihren beiden letzten Olympiaden vom berühmten Hengst „Piaff“, der zur Erholung von den Turnieren auf der kleinen Parkwiese des Gestüts Tanneck herumtollen durfte, selbst damals noch, als Lieselotte Linsenhoff schon längst in Kronberg im Taunus lebte.

1972 verkaufte sie die Anlage an Pferdeliebhaber Franz-Josef Graf aus Sindorf, der mit der Reitpferdezucht begann. Aus der erfolgreichen Vollblut-Linie des Hengstes „Obermaat“ von Gestüt Asta entwickelte er eine Warmblutzucht.

Im Laufe der Jahre fand der Zucht-, Reit- und Fahrverein des Kreises Bergheim auf Tanneck sein Zuhause. Das alljährliches Sommerturnier und die Herbstjagden fanden dort statt. Schon damals lud der Kreispferdezuchtverein jährlich zur Stuten- und Fohlenschau.

Als Heinrich Zölzer 1986 das Gestüt, das mittlerweile den alten Namen Tanneck wieder trug, kaufte, erwarb er auch gleich „Orchidee“, die Tochter eines Hengstes aus der Zucht von Adolf Schindling. Unter den Nachkommen war Stute „Carina“, mit der Zölzer seine eigene Zuchtlinie begründete. „Carina“ hatte neun Fohlen, von denen einige im internationalen Turniersport erfolgreich waren und noch sind. Der beste Nachkomme ist „Cantaro Z“, der im Jahre 2009 mit Thomas Weinberg beim CHIO in Aachen mehrfach platziert war. Nicht ohne Grund wurde in dem Jahr Heinrich Zölzer als der erfolgreichste Züchter des Rhein-Erft-Kreises vom Kreispferdesportverband geehrt.

Natürlich geht bei Heinrich Zölzer die Zucht weiter, auch wenn er nun Tanneck verlässt. Allerdings wurden 2010 wegen des Umzugs keine Fohlen geboren. „Auch für die nächste Saison haben wir die Stuten nicht gedeckt. Zum Teil gehen sie unter meinen Söhnen, Carsten und Andreas, im Sport und wir müssen uns im neuen Betrieb in Dansweiler erst mal orientieren“, sagt Heinrich Zölzer, der abschließend betont, dass für die Gemeinde Elsdorf ein wichtiger Teil der Geschichte untergehen wird - und das in einem riesigen See, wenn der Tagebau Hambach einmal ausgekohlt ist.

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