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HexenkommissarWie „hungrige Mücke“ auf Opfer gestürzt

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EUSKIRCHEN/BAD MÜNSTEREIFEL – Gefürchtet und berüchtigt war im 17. Jahrhundert Dr. Johannes Moeden, Hexenkommissar und Bürgermeister von Münstereifel. „Wie eine hungrige Mücke“ habe sich der Doktor des weltlichen und kanonischen Rechts auf seine Opfer gestürzt, berichtet der Zeitzeuge Hermann Löher. Der Bürgermeister von Rheinbach wurde von Moeden 1636 der Hexerei beschuldigt und angeklagt. Er konnte aber mit seiner Familie nach Amsterdam fliehen.

Doch welcher Mensch steckte hinter dem Hexenkommissar, wie war er als Ehemann und Vater, wie als Geschäftsmann und Nachbar? Diesen Fragen ist Karin Trieschnigg nachgegangen. Die Bad Münstereifelerin schloss 1977 ihr Geschichtsstudium mit dem Examen ab. Als Lehrerin hat die 59-Jährige nie gearbeitet. Wissenschaftliche Geschichtsforschungen sind ihr Metier. „Es ist beeindruckend, wie sicher Frau Trieschnigg die handschriftlichen lateinischen und altdeutschen Texte lesen kann“, lobte Dr. Gabriele Rünger, Vorsitzende des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen und Leiterin des Euskirchener Stadtarchivs.Auf Einladung des Geschichtsvereins stellte Trieschnigg ihre Forschungsergebnisse vor. „Er war der intelligente und redegewandte Doktor der Rechte, ein attraktiver, leichtlebiger, unzuverlässiger und wortbrüchiger junger Mann, ein ehrenwerter Herr, Bürger und Familienvater einerseits, andererseits ein eiskalter Streber nach Macht und Ansehen, immer auf seinen Vorteilbedacht, aufKosten seiner Mitmenschen und einer der meist gehassten und skrupellosesten Massenmörder zwischen Rhein und Mosel“, so Trieschnigg.Das Privatleben Moedens ließ sich allerdings nur noch anhand fragmentarischer Aufzeichnungen aus Kirchenbüchern und Prozessakten rekonstruieren. Trieschnigg begab sich auf ihrer Suche unter anderem in das Archiv des St.-Michael-Gymnasiums, ins Personenstandsarchiv in Brühl und in die Archive der Bistümer Köln und Trier.

Bereits seit 1999 beschäftigt sie sich mit Moeden – da hat sich einiges angesammelt. Den Anstoß zu ihren Nachforschungen habe ein Artikel von Dr. Heinz Renn über die Hexenverbrennung des Münstereifeler Pfarrers gelieferten. „Mich interessierte die Privatperson des Hexenkommissars. Darüber war bis dahin nur wenig bekannt. Ich wusste also nicht, was mich erwartet“, schilderte die 59-Jährige. Und: „Ich hatte Glück, dass er kein skandalfreies Leben geführt hat.“ So schien der Sohn eines reichen Koblenzer Wollenwebers und Tuchhändlers ein gut getarnter Casanova gewesen zu sein. „Manches liest sich wirklich wie eine Seifenoper“, scherzte Trieschnigg. So sei sie auf eine dicke Akte gestoßen, in der es um eine Hochzeitstruhe des Hexenkommissars ging, die der Zoll hatte beschlagnahmen lassen.

Als er seine Hochzeit mit der Tochter des Remagener Bürgermeister, Agnes Dunckhass, verkünden ließ, erhob eine weitere Verlobte gerichtlich Einspruch: Moeden habe ihr bereits die Ehe versprochen und seine Schulden mit ihrem Geld beglichen. Die Gerichtsvorladungen ignorierte Moeden. „Agnes war zu diesem Zeitpunkt bereits im sechsten Monat schwanger. Hätte er sich auf eine Verhandlung eingelassen, hätte sich die Hochzeit verzögert und Moeden hätte riskiert, dass sein erstes Kind unehelich zur Welt kommt“, so die Bad Münstereifelerin. Moeden setzte sich über die Beschlüsse des Konzils von Trient hinweg, die eine dreimalige Ausrufung der Ehe vorschrieben, bevor diese geschlossen werden durfte und heiratete Agnes Dunckhass ohne weitere Eheausrufung.

„Es scheint auch noch eine dritte Verlobte gegeben zu haben, die aber nicht namentlich erwähnt wird. Ihr Verlobungsgeschenk, eine wertvolle Münze, soll Moeden behalten haben, obwohl er sie ja nicht geheiratet hat“, so Trieschnigg.

In Geldangelegenheiten schien Moeden sein Leben lang kein glückliches Händchen besessen zu haben. In seiner Amtszeit als Münstereifeler Bürgermeister (1637 bis 1638) war sowohl die Stadtkasse als auch seine private Kasse häufiger leer. Als er 1641 fast fluchtartig die Stadt verließ, ließ er nicht nur sein Haus in der Orchheimer Straße und seinen gesamten Hausrat zurück, sondern auch 23 Gläubiger, die ihr Geld nie zurück erhalten sollten.

„Als Ende der 1630er Jahre die Hexenprozesse weniger wurden, hatte sich Moedens finanzielle Situation immer mehr verschärft“, erläuterte die Heimatforscherin. 15 Jahre nachdem er Münstereifel verlassen hatte, kauften schließlich die Jesuiten das „Moeden-Haus“ und errichteten dort ein Hospital.

Die meisten der 70 Zuhörer waren erstaunt, dass viele Männer Opfer von Moedens Hexenjagd waren. Er schien gezielt Konkurrenten und Widersacher mit seinen Hexenprozessen aus dem Weg geräumt zu haben.So beschuldigte er neben seinem Bürgermeisterkollegen Löher auch den 70-jährigen Vogt von Rheinbach der Hexerei. „25 Prozent der verurteilten Hexen waren Männer“, so Trieschnigg.

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