Initiative „FC Reloaded“Fan-Aufstand vom Oberrang

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"Wir sind keine Königsmörder": Stefan Müller-Römer (l.) und Ingo Böll von "FC-reloaded". (Foto: Schmülgen)

"Wir sind keine Königsmörder": Stefan Müller-Römer (l.) und Ingo Böll von "FC-reloaded". (Foto: Schmülgen)

KÖLN - Die Idee entstand spontan, und sie wurde befeuert vom Ärger über den eigenen Verein. Stefan Müller-Römer wollte am Abend der Jahreshauptversammlung schon mit gesenktem Kopf nach Hause gehen, aber dann traf er in der Kölnmesse einen ähnlich frustrierten Fan. Der sagte: „Ich geh' nicht, ich will denen bei der Entlastung die Rote Karte zeigen.“ Auch Müller-Römer ging also in den Saal zurück und stellte den berühmten Antrag auf Nicht-Entlastung des Vorstandes, und dann lernte er jemanden kennen, der sagte: „Du, ich habe schon eine Web-Seite vorbereitet.“ Das war die Geburtsstunde von „FC-reloaded“. Und dass diese zusammenfiel mit einer der traurigsten Veranstaltungen der jüngeren Vereinsgeschichte, ist natürlich alles andere als Zufall.

Inzwischen haben sich auf der Seite hunderte Unterstützer eingetragen, und die Mitgliederinitiative treibt den Verein vor sich her. Sie will eine vorzeitige Mitgliederversammlung im Frühjahr und Strukturreformen. Sie will einen Beirat und zwei stimmberechtigte Vertreter im Verwaltungsrat. Als „Dauersponsoren haben wir ein Recht darauf“, heißt es auf der Homepage „ www.fc-reloaded.de“ Die Unterzeile der Seite lautet übrigens: „Wir holen uns unseren FC zurück.“

Die Kölner Fans entdecken also ihre Macht. Nicht dumpf per Sitzstreik am Marathontor oder per Pöbeleien im Grüngürtel, sondern vom Schreibtisch aus. Mit Schlips und Kragen und der Kenntnis von Vereinsrechtsparagrafen und Bundesgerichtshof-Urteilen.

Stefan Müller-Römer ist Anwalt für Urheber- und Medienrecht. Sein Büro hat er in einem aufwendig sanierten Fabrikgebäude im Agnesviertel. Dunkler Anzug, Krawatte, die langen Haare bindet er fürs Foto zum Zopf. Im Stadion steht er nicht auf der Südtribüne, sondern sitzt auf dem Oberrang. Seine Dauerkarte hat er irgendwann abgegeben. „Das tat zu sehr weh. Das wollte ich mir nicht mehr antun.“

Als Klingelton hat der 42-Jährige die Melodie der „Sendung mit der Maus“ installiert. Und wie das funktioniert, einen Verein und seine Funktionäre unter Druck zu setzen, kann er auch ganz gut erklären. „Es war von Anfang klar, dass wir die Strukturen des Vereins verändern wollen.“ Weil es nicht gehe, dass Wolfgang Overath und vor allem Jürgen Glowacz „permanent ins operative Geschäft eingreifen und in jede Entscheidung reinreden“. Weil der Verein Transparenz brauche, die Mitglieder eine Stimme und Respekt. All das müsse geändert werden - auch wenn der Verein auf wundersame Weise die Klasse halten sollte.

Mehr Mitbestimmung für FC-Mitglieder gefordert

Deswegen finden sich auf der Internetseite Vorschläge zur Satzungsänderung: zur Stimmgewichtung in der Gesellschafterversammlung, zum Mitgliederbeirat und einer Geschäftsordnung für Vorstandsvertreter. Bis Ende kommenden Monats soll die zwölfseitige Vereinssatzung mit farbigen Änderungsvorschlägen im Netz stehen. Müller-Römer erarbeitet die Reformvorschläge mit mehreren befreundeten Juristen.

Sechs Köpfe bilden das Team von „FC-reloaded“. Ingo Böll ist einer von ihnen. Er ist Chef der Bier-Bike GmbH und als Mitglied der „SüdstadtBoyz“ ein organisierter Fan - mit Sitzplatz im Oberrang Nord. Andere Fan-Clubs waren allerdings nicht sehr erfreut von der Initiative und der Debatte um die Club-Führung. Als „Königsmörder“ wurden sie in Internetforen beschimpft, als „Overath-Jäger“, die eine „Hetzkampagne“ betreiben. Der 50-jährige Böll hat viel zu erklären, wenn er zurückschreibt. „Der Club wird geführt wie in den 70er Jahren, nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen. Das ist so ein Satz. Und Müller-Römer sagt: „Ich kenne Overath gar nicht. Es geht uns um seine Funktion, und die füllt er schlecht aus.“ Aber man müsse nicht drum herumreden. „Der gesamte Vorstand sollte gehen.“

In dieser Woche kam es zu einem Treffen mit rund fünfzehn Fan-Vertretern in der Kölner Südstadt. Clubs wie die „Wilde Horde“ und „East Belgium“ hätten viel Skepsis mitgebracht, sagen die Initiativen-Gründer. Holger Richter vom Dachverband der aktiven Fan-Clubs sagt: „Wir werden das kritisch beobachten und warten zunächst ab, welche Änderungen die Initiative will.“ Dumm, dass es Gegenwind auch von prominenter Stelle gab: „Wir müssen zusammenrücken und dürfen uns nicht an unnötigen Diskussionen aufreiben“, kommentierte Lukas Podolski die Strukturdebatte. Für Müller-Römer ein erwartbarer Vorgang: „Wir haben genau eine solche Attacke erwartet, um uns in Misskredit zu bringen. Der Vorstand bedient sich des Spielführers der Mannschaft, um sich selbst so Druck vom Leib zu halten.“

"Gutes Gespräch" mit Schramma

Es gebe nie den richtigen Zeitpunkt für eine Satzungsreform, sagt der groß gewachsene Mann, da sei man sich mit vielen Fans einig. Mit Overath haben die selbst ernannten Reformer bislang keinen Kontakt gehabt. Dafür mit Verwaltungsratsmitglied Fritz Schramma. Es sei ein „gutes Gespräch“ gewesen, und natürlich sei es am besten, der Verein würde die Mitgliederversammlung einberufen. Solange diese Frage offen bleibt, verlangt die Initiative die Herausgabe der Mitgliederdaten, um die 7.500 notwendigen Unterzeichner zusammenzubringen. „Der Verein muss uns die Daten geben“, sagt Müller-Römer. „Wenn wir uns nicht sicher wären, hätten wir es nicht gefordert.“

Ein Letztes will er noch anmerken: Es gehe um die Sache, nicht um Machtkämpfe: „Wir wollen irgendwann schönen Fußball vom FC sehen.“

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