IntegrationsprojektBesser ein Punk werden als ein Schläger

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Kleine Hände an der Geige, Mozart und Chorgesang, das Integrationsprojekt „Culture Clash“ erntete im Medio viel Applaus. (Foto: Tripp)

Kleine Hände an der Geige, Mozart und Chorgesang, das Integrationsprojekt „Culture Clash“ erntete im Medio viel Applaus. (Foto: Tripp)

BERGHEIM – Die Mädchen Bohee Jung und Sarej Hajabi erlaubten sich auf ihrem Weg zum Flügel auf der großen Bühne im Medio einen Spaß. Sie trugen bunt angemalte Masken mit langen Perücken, einmal blond, einmal brünett. Nach den ersten Takten zu Mozarts Sonate für vier Hände, D-Dur, ließen sie die Masken zu Boden gleiten und zeigten dem Publikum ihre Gesichter.

Bohees Antlitz zeugt deutlich vom asiatischen Ursprung der Koreanerin, Sarejs ähnelt dem ihres Vaters aus dem Iran, Eghbal Hajabi. „Ich bin ein Kurde aus dem Iran“, antwortet Hajabi, wenn er nach seiner Nationalität gefragt wird. Von den einen wird er respektvoll mit „Professor“, von seinen Schülern liebevoll mit dem Spitznamen „Aako“ angesprochen.

„Culture Clash“, was so viel heißt wie das „Aufeinandertreffen der Kulturen“, hatten Hajabi und Ursula Schlößer vom SüdWestWind-Verein das Konzert im großen Saal des Medios genannt. Und „Culture Clash“ nennt der Professor der Musikwissenschaften sein Integrationsprojekt in Bergheim Süd-West. Kindern und Jugendlichen will Hajabi die Chance geben, ein Instrument zu erlernen. Ungeachtet des kulturellen oder sozialen Hintergrunds gehe er auf die Familien zu, sagte Hajabi. Es gehe darum, den Kindern eine Perspektive zu bieten, den Umgang mit Kindern anderer Kulturen sowie ein Musikinstrument zu erlernen.

So ist Sängerin Sirma Demir erst seit drei Monaten beim türkischen Kinderchor. Ihr Vater habe Hajabi erzählt, seine Tochter könne schön singen, erzählte die 19-Jährige. Nach Hajabis Aufforderung „Schick sie zu mir“, habe sie erst richtig singen gelernt und selbst ihre Scheu überwunden, dies auch vor Publikum zu tun.

Kurzerhand nennt sich auch die erste der gegründeten Rockbands mit Jugendlichen des Viertels „Culture Clash“. Hier spielt Patrick mit, mit 18 Jahren der Älteste des Projektes. Es ist eine von mittlerweile acht Bands, zwei Jahre nach Gründung des Integrationsprojektes.

Beim Konzert standen jetzt erstmals mehr als 80 Kinder und 40 Jugendliche des Projektes auf der Bühne. „Das ist eine große Leistung, denn anders als in Musikschulen fluktuiert die Teilnahme der Kinder am Unterricht stark. Man weiß nie, wer zur nächsten Probe da sein wird“, sagte Ursula Schlößer.

So unterschiedlich wie die Bewohner des Stadtteils, so unterschiedlich präsentierte sich auch das Programm mit dem vierhändig gespielten Mozart der Mädchen Bohee und Sarej über B.B. Kings Blues „Stand by me“ der „Culture Clash“-Band bis hin zu türkischen und kurdischen Volksliedern. Ein konzertantes Schostakowitsch-Trio war ebenso zu hören wie „Freut euch des Lebens“ oder „We are the World“.

Auch dem Punk-Trio „Froschkotze“ hatte Hajabi Platz für vier laute Lieder eingeräumt, in denen die Drei mit teils unflätigen Vokabeln die Liebe oder den „Sozialstaat“ besingen. Auf die Aufforderung des Sängers, doch mitzutanzen erhoben sich immerhin drei Mädchen zum Pogo von ihren Stühlen.

„Sie gehören mit dazu, sie lassen die Sau raus und schreien, das ist ihre Art, Musik zu machen. Das ist besser, als auf der Straße jemandem den Kopf einzuschlagen“, sagte Hajabi im Gespräch mit einer Zuhörerin, die die Musik nicht „nach ihrem Geschmack“ fand. Und natürlich begleite er die jungen Männer bei ihren Proben in den Räumen des Jugendzentrum.

Ganz anders wirkte der türkische Chor mit den Mädchen und Jungen im Grundschulalter. „Da geht einem das Herz auf, wenn man sich die Kinder anschaut, die strahlen einen an und singen dabei so herrlich daneben“, freute sich eine Zuhörerin.

In der Pause forderte Hajabi dann die Kinder auf, mit Spendenbüchsen durch die Stuhlreihen zu ziehen. Denn das Projekt „Culture Clash“ brauche, neben Musikinstrumenten, jetzt vor allem Geld, um eigene Probenräume mieten zu können, erläuterte Schlößer. Man habe Räume in Aussicht. „Wir arbeiten daran“, signalisierte auch Bürgermeisterin Maria Pfordt ihre Unterstützung für das Integrationsprojekt, in dem Musik eine Sprache spreche, die jeder verstehe.

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