InterviewEinladend, funktionell und bürgernah

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Dr. Bettina Schmidt-Czaia (Bild: Schmülgen)

Dr. Bettina Schmidt-Czaia (Bild: Schmülgen)

Was muss das künftige Archiv der Stadt auszeichnen?

Sicherheit, Bürgernähe, eine anziehende Architektur mit hoher Funktionalität und transparenter Atmosphäre.

Was halten Sie vom neuen Standort am Eifelwall?

Ich bin von dem neuen Standort überzeugt. Das Grundstück ist relativ flexibel zu bebauen. Wir müssen keine Rücksicht auf alte bauliche Gegebenheiten nehmen, können ein ökologisch durchdachtes Gebäude errichten und damit auch die Unterhaltungskosten senken.

Haben Sie Archiv-Vorbilder?

Es gibt eine Reihe von Bauten, die beeindruckend sind, aber ein Archivgebäude muss immer auch ein Maßanzug für die Bestände sein.

Inwieweit sind Sie an den Planungen beteiligt?

Als Nutzer sind wir mit unserem restauratorischen und archivischen Sachverstand immer vertreten. Wir haben ein Raumprogramm entwickelt und uns Archive angeschaut. Wichtig ist eine Planung mit kurzen Wegen und optimalen klimatischen Verhältnissen, aber nicht durch Klimatechnik, sondern durch die Wahl der Baumaterialien und eine geschickte Architektur. Sinnvoll ist zum Beispiel eine kubische Bauweise für die Magazine, das Herz eines jeden Archivs.

Wie sieht das Raumprogramm aus?

Die Eingangssituation muss sehr benutzerfreundlich sein. Wir benötigen eine etwa 150 Quadratmeter große Fläche für die Dauerausstellung zur besonderen Geschichte des Archivs mit Einsturz, Bergung, Restaurierung und Wiederaufbau. 300 weitere Quadratmeter brauchen wir für Wechselausstellungen. Darüber hinaus soll es Veranstaltungsräume für Vorträge, kleine Tagungen und Seminarräume für die Archivpädagogik geben und natürlich einen großzügigen Lesesaal mit der Möglichkeit zur Gruppenarbeit.

Ein richtiges Bürger-Archiv also . . .

Ja, in 20 Jahren soll jeder Schüler sagen, dass er das Stadtarchiv kennt und es ganz selbstverständlich nutzt. Wir möchten Veranstaltungen für Schulen und Erwachsene durchführen, städtische Ämter bei ihrer Arbeit unterstützen, über die Bedeutung der Bestände informieren, Geschichte und Ereignisse der Gegenwart verknüpfen. Der bürgernahe Service muss ausgebaut werden.

Wie soll das konkret aussehen?

Wir möchten eine gute archivarische Fachberatung für alle Benutzergruppen bieten. Wir haben zum Beispiel vor, Kurse einzurichten, wie ein Archiv funktioniert und wie man darin recherchiert. Wir wollen mit unserer Archivpädagogin Kurse zum Verständnis alter Handschriften wie Sütterlin anbieten. Außerdem planen wir Workshops zu bestimmten Themen.

In welcher Form werden die Bestände zur Verfügung gestellt?

Wir haben bereits 2008 einen Scan-Service eingeführt: die Anfertigung und Mitnahme von Ausdrucken von den Archivalien. Dieses Angebot wurde rege angenommen. Nach und nach werden die Bestände digital aufbereitet. Wenn das neue Archiv eröffnet, werden alle wichtigen Bestände der Alten Abteilung am Bildschirm abrufbar sein. Die Nutzer können dann im Lesesaal an Bildschirmen sowohl die nötigen Hilfsmittel bei der Suche nach einem bestimmten Buch oder Dokument finden, als auch die Bestände an den Rechnern lesen. Für die meisten Nutzer reicht es, ein solch digitales Abbild zu haben. Die Digitalisierung dient nicht zuletzt dem Schutz der Bestände. Für Spezialfälle werden die Originale vorgelegt.

In welcher Größe wird das Historische Archiv konzipiert?

Uns werden rund 20 000 Quadratmeter zur Verfügung stehen, 80 Prozent davon für die Magazine. Wir hatten bisher 30 Regalkilometer, brauchen aber einige Kilometer mehr, weil alles Restaurierte anders verpackt wird und zum Teil aufgequollen ist. Eingeplant sind darüber hinaus Reserven für 30 Jahre.

Was sind die besonderen Anforderungen an die Magazine, also die Lagerflächen für die Bestände?

Sie müssen klimasicher sein, auch extreme Sommer und Winter aushalten, wie es sie in den letzten Jahren in Köln gab. Das Klima muss über die Luftfeuchtigkeit gesteuert werden, nicht über die Temperatur. Optimal sind konstante Werte von 16 bis 18 Grad und eine relative Luftfeuchtigkeit von 45 bis 50 Prozent. Alles Papier leidet, wenn die Temperaturen über 25 Grad und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit geht, weil es das Wachstum von Schimmelpilz und die Papieralterung fördert.

Wann soll der neue Archivbau fertig sein?

Die Fertigstellung ist für 2015 geplant, danach muss man aber noch warten, bis die Klimastabilität gegeben ist. Erst dann kann man einlagern. Das Papier zieht sonst die Feuchtigkeit aus den Wänden. Der Zeitpunkt für den Einzug steht noch nicht fest.

Wie viele Benutzer hatten Sie jährlich vor dem Einsturz?

2008 waren es fast 6000 Benutzungen, das waren Benutzer im Lesesaal, Besucher im Rahmen von Führungen und Recherche-Anfragen, die an uns gestellt wurden. Wir hatten 2008 allein 1200 Besucher von Führungen und 1800 Rechercheanfragen. Die Zahlen haben sich seit 2006 stetig nach oben entwickelt.

Wer frequentiert Ihre Dienstleistungen am meisten?

Schüler für ihre Facharbeiten, Familienforscher, Bürger, die die Geschichte ihres Hauses, ihrer Straße oder ihres Veedels interessiert. Hinzu kommen Wissenschaftler mit Fragen zu allen Jahrhunderten und allen Bereichen der Stadtgeschichte, Urkunden- und Handschriftenforscher.

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