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Zeitreise in BuchformFrühe Fotoateliers: Ehrenfelds erste Kreativszene

Lesezeit 3 Minuten
Dieses Gruppenbild entstand 1909 auf der Venloer Straße in Höhe der Fuchsstraße. Repro: Rösgen

Dieses Gruppenbild entstand 1909 auf der Venloer Straße in Höhe der Fuchsstraße. 

Ein kleines Bilderbuch erzählt von der Arbeit der Fotografen in Ehrenfeld von 1879 bis 1928.

Fabrikschlote, Arbeiter, Kneipen – es gibt so einiges, womit das alte Ehrenfeld in Verbindung gebracht werden könnte. Aber Fotografie? Dass sich tatsächlich schon in den frühesten Tagen von Ehrenfelds Geschichte Fotografen in großer Zahl dort niederließen, beweist ein Blick in alte Adressbücher.

Ehrenfeld lockte früh Kreative an

Die Kommunikationsdesignerin Aline Raab-Damaske und der gelernte Galerist Thor Zimmermann haben darin und in vielen Fotoalben geblättert und ein Büchlein mit dem Titel „Beiträge zur Geschichte der Photographie in Ehrenfeld“ erarbeitet. Es gibt einen spannenden Einblick in die „Szene“ der Fotografen in Ehrenfeld zwischen 1879 und 1928. Wenn man so will, finden sich darin lauter Beispiele und Belege dafür, dass Ehrenfeld schon früh Kreative anlockte.

Thor Zimmermann und Aline Raab-Damaske stellten das Buch über Ehrenfelds Fotografen zusammen.

Thor Zimmermann und Aline Raab-Damaske stellten das Buch über Ehrenfelds Fotografen zusammen.

Was auffällt: In den Ateliers scheint wenig gelacht worden zu sein. Dieser Eindruck entsteht wenigstens, wenn man die abgebildeten Porträts betrachtet. Lauter gestrenge Familienväter und beherrschte Gattinnen mit Korsett und gestärkter Bluse, dazu ernst und brav dreinschauende Kinder – zumeist mit weichen Kontrasten in warmem Sepiaton wiedergegeben. Das Blättern durch das 108 Seiten umfassende Bändchen im A6-Format ist eine kleine Zeitreise in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert.

Glashäuser oder Dachkammern statt Studiolampen

Die Modelle mussten eine Zeit lang still halten, bis der Mann oder die Frau hinter dem großen Holzkasten, der sich Fotoapparat nannte, fertig war. Dazu gab es sogar spezielle Kopfhalter, ein Gestell, das die Porträtierten am Hinterkopf in Position hielt. So wurden Verwacklungen und Unschärfen vermieden. Studiolampen waren noch unbekannt. Um möglichst viel Tageslicht zu bekommen, gab es Glashäuser in Hinterhöfen, oder man nutzte Dachkammern mit großen Fenstern, vorzugsweise nach Norden ausgerichtet.

Die Namen von 41 Fotografen und drei Fotografinnen haben Aline Raab-Damaske und Thor Zimmermann ausfindig gemacht. Die Abbildungen zeigen etliche der einst beliebten Bilder im Visitenkarten- sowie im etwas größeren Kabinettformat sowie einige Ansichtskarten. Außerdem haben die Autoren zahlreiche Ausschnitte aus Adressbüchern sowie Zeitungsanzeigen zusammengetragen.

Zimmermann sammelt schon seit geraumer Zeit historische Porträts und Ansichtskarten aus Ehrenfeld, die auf Flohmärkten oder via Internet angeboten werden. „Die Vielzahl der Fotografen überraschte mich schon. Womöglich gab es noch mehr. Einen Anspruch auf Vollzähligkeit erheben wir nicht. Noch faszinierender finde ich aber, dass die abgebildeten Menschen sehr wahrscheinlich alle aus Ehrenfeld kamen und wir somit viel über die gesellschaftliche Stellung oder über die Moden erfahren“, sagt Thor Zimmermann.

Bei Willy Chedells schauten die Modelle weniger streng

Zu einigen der Fotografen gibt es ausführlichere Informationen. Zu Maria Heinrich Hoster etwa, der zunächst an der Venloer Straße, dann an der Philippstraße sein Atelier hatte. Hoster, nach dem eine Straße in Neuehrenfeld benannt ist, ist jedoch vor allem als Karnevalist und Kolumnist bekannt geworden.

Gleich mehrere Bildbeispiele zeugen vom einfühlsamen Arbeiten Willy Chedells, dessen Modelle sowohl bei Porträts als auch bei Gruppenaufnahmen weit weniger streng blicken als bei vielen seiner Kollegen.

Auf technische Ausstattung wurde viel Wert gelegt – alleine schon um sich von der großen Zahl der Mitbewerber abzuheben. So warb Fotograf Fritz Nitzgen 1910 in einer Zeitungsanzeige: „Vermöge der neuesten technischen Einrichtungen bin ich in der Lage, meine Arbeiten in größtmöglicher Vollendung herzustellen.“

Die Beiträge zur Geschichte der Photographie in Ehrenfeld sind im Verlag Eyesat.Work Publishing erschienen. Das Buch kostet 12 Euro und kann in der Bunt-Buchhandlung, Venloer Straße 338, oder im Onlineshop Gemischtwaren erworben werden.