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„Ich wollte mich wieder aufladen“Interview mit Kölner Regisseur Moritz Sostmann

Lesezeit 4 Minuten
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Moritz Sostmann, Hausregisseur im Schauspiel Köln

  • Moritz Sostmann, einer der Hausregisseure am Schauspiel Köln, hat sich in der letzten Spielzeit rar gemacht.
  • Nun bereitet der 50-Jährige seine nächste Premiere am 25. Oktober vor: eine Bühnenfassung von Virginie Despentes’ Trilogie „Das Leben des Vernon Subutex“.
  • Mit Axel Hill sprach er über seine unpolitische Generation und unangenehme Plattenhändler.

Köln – In der letzten Spielzeit gab es in Köln mit „Bewohner“ nur eine Inszenierung von Ihnen – wie kam es?

Moritz Sostmann: Wir sind jetzt im siebten Jahr hier, und ich wollte kürzer treten, um mich zu sammeln, wieder aufzuladen. Und da es viele andere Produktionen für die Spielzeit gab, haben die Intendanz und ich uns geeinigt, dass ich ein Jahr lang weniger mache. 

Sehr viel weniger möchte man meinen, bei einer eher kleinen Inszenierung in der Außenspielstätte...

Das macht aber nicht weniger Arbeit. Und das war für mich ein zentrales Projekt, das in meinem Leben sehr viel Platz eingenommen hat, denn meine Mutter leidet auch an Demenz. 

Hat sich die Rolle als Hausregisseur verändert?

Ich bin nach wie vor Fan des Konzeptes. Ich liebe es, Hausregisseur zu sein, weil man mit Leuten kontinuierlich arbeiten, einen bestimmten Stil entwickeln kann. Wenn man Gast ist, kann man vielleicht frischen Wind reinbringen, was aber ziemlich viel Kraft kostet. 

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Wie kann man die „Subutex“-Bücher für jemanden zusammenfassen, der sie nicht kennt?

Ein 50-jähriger Schluffi, der jung geblieben ist, fliegt aus seiner Wohnung, versucht bei ehemaligen Freunden unterzukommen und landet auf der Straße. Durch Zufall, Fügung oder Schicksal ergibt sich, dass er ein gottbegnadeter DJ ist, und er steigt auf zu einem neuen Messias – und begründet eine Religion einer „europäischen weißen Subkultur“. Dazu gibt es ein Krimimotiv: Alle sind auf der Suche nach dem Video-Testament des verstorbenen Sängers Alex Bleach, das dieser Vernon gegeben hatte. Auf der zweiten Ebene steckt ein klassisches Rachedrama: eine Tochter, die ihre ermordete Mutter rächen will. Fast ein bisschen griechisch. 

Wie entstand die Idee, die Trilogie auf die Bühne zu bringen?

Als ich an „Bewohner“ arbeitete, habe ich es bei Beate Heine, der Chefdramaturgin, liegen sehen und gesagt, das lese ich auch. Mit „Bewohner“ wollte ich etwas über die Generation meiner Eltern erzählen, von den großen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts, den großen Ideologien Faschismus, Kommunismus, Kapitalismus. Und bei „Vernon Subutex“ dachte ich, das ist genau das Material, um etwas über meine Generation zu erzählen.

Was zeichnet die Gruppe aus?

Wir sind merkwürdig unpolitisch. In den 90ern ging es um Spaß, um Selbstverwirklichung, um Globalisierung im guten Sinne. Wir mussten nicht mehr kämpfen und um es mit dem Politikwissenschaftler Fukuyama zu sagen: Es kam uns vor wie das Ende der Geschichte. Alles wird gut. Aber wir haben’s so’n bisschen verkackt, denn was jetzt passiert: Die neuen politischen und ideologischen Diskussionen treffen uns besonders hart. Wir dachten nicht, dass Demokratie noch einmal zur Disposition stehen könnte.

Pop-Musik ist ja einer der Dreh- und Angelpunkte der Bücher. Was für einen Bezug haben Sie dazu? Gibt es etwas aus der Sturm- und Drang-Zeit in Halle an der Saale, was Ihnen wichtig ist?

Ich hatte natürlich nicht den freien Zugang, ich habe vor dem Radio gesessen und alles aufgenommen. Die Neue Deutsche Welle war eine Zeit lang das A und O. Ende der 80er bin ich nach Berlin gezogen, und als sich die Mauer öffnete, gingen Welten auf – und ich habe in Techno-Kellern rumgehangen. Vor einem Monat habe ich nach 20 Jahren wieder einen Plattenspieler gekauft, für meine ganz alten Platten aus den 70er, 80er Jahren, vor allem Klassik. Und es war so eine Freude, die wieder aufzulegen und zu hören. Der Klang ist wärmer – und es kommt nicht gleich die nächste Playlist, sondern es ist immer eine begrenzte Zeit: Nach 20 Minuten ist es vorbei, und man muss wieder aufstehen und umdrehen. 

Vernon ist ja für einen Plattenhändler ein sehr netter Zeitgenosse – da denkt man, dass Virginie Despentes nicht viele kennengelernt hat.

Ja, (lacht) die sind ein bisschen doktrinärer. Mich hat es früher gegraust, in Plattenläden zu gehen, denn wenn man nach etwas gefragt hatte, wurde man gerne mal bloßgestellt. Ich hatte dann immer das Gefühl, ich bin der letzte Honk, der Null Ahnung hat. 

Die Bühne erinnert an die Britz im Hänneschen-Theater. Waren Sie schon mal drin?

Wir sind nicht reingekommen! Als wir nach Köln kamen, haben wir zu viert mehrere Anläufe unternommen, im Theater nachzufragen. Man könne uns mal eine Karte oder an einem anderen Tag mal zwei anbieten – ansonsten erst in vier Monaten. Für meine spontane Terminplanung zu ausverkauft.

Termine

Für die Premiere von „Das Leben des Vernon Subutex 1-3“ am Freitag, 25. Oktober, 19.30 Uhr im Depot 1 gibt es noch Karten. Weitere Aufführungen sind u.a. am 27.10. sowie am 5. und 6.November.

„Bewohner“ wird am 10. und 18. Dezember in der Außenspielstätte am Offenbachplatz gezeigt.  

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