Abschied vom WDR SinfonieorchesterJukka-Pekka Saraste setzte eigene nordische Akzente

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Jukka-Pekka Saraste

Abschied von Köln: Jukka-Pekka Saraste, Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters. 

Köln – Im vergangenen September kam es im Zürcher Konzertleben zu einer – zumindest aus Kölner Sicht – kuriosen Fügung. Da sprang der Dirigent Jukka-Pekka Saraste für den erkrankten Kollegen Semyon Bychkov ein und rettete die Saisoneröffnung des Tonhalle-Orchesters mit Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 9. Ein paar Jahre zuvor am Rhein hatte es eine ganz ähnliche Konstellation gegeben, nur, dass der Finne Saraste gleich den ganzen Job des Russen Bychkov übernahm, als er ihn im September des Jahres 2010 als Chef des WDR Sinfonieorchesters beerbte.

Neun Jahre Leitung

Neun Jahre lang hat Saraste den bedeutenden Klangkörper der Landesrundfunkanstalt geleitet, ihn neu ausgerichtet und geprägt. Anders als Bychkov ist Saraste ein Konzertdirigent reinsten Wassers. Sein Vorgänger liebt die Oper und lebte diese Leidenschaft selbst mit dem WDR Sinfonieorchester aus, man spielte Strauss und Wagner – auch weil Bychkov immer der Überzeugung war, dass ein Orchester Oper spielen muss, um wirklich gut zu sein.

Vielleicht lag es ja auch ein bisschen an diesem sehr unterschiedlichen ästhetischen Ansatz, dass Saraste, der mit dem Orchester bereits als Gastdirigent vertraut war, zu Beginn seiner Amtszeit nicht hundertprozentig zufrieden mit dem Klang war, wie er sich heute erinnert. „Aber nach zwei Jahren hatte sich das schon in alle Richtungen sehr gut entwickelt“, sagt der 63-Jährige im Gespräch im Dirigentenzimmer der Kölner Philharmonie. „Es ist so wichtig, dass ein Orchester mit einem Dirigenten gut zusammenspielt, dass sie ein Team sind.“ Dabei müsse freilich schon klar sein, wer das Sagen hat: „Ein Orchester kauft mit dem Dirigenten, den es verpflichtet, auch dessen Ideen ein. Es kann nicht aus sich heraus künstlerisch wachsen.“

Gefühl für das deutsche Repertoire

Saraste, der noch bis 2013 parallel Chef der Osloer Philharmoniker war, kam durchaus mit einer Agenda nach Köln. Er habe gemeinsam mit dem Orchester „das Gefühl für das deutsche Repertoire entwickeln wollen: Beethoven, Brahms, Bruckner und Mahler“. Das ist dem immer ein bisschen scheu wirkenden Finnen mit dem mittlerweile weißen Haar bestens gelungen. Zuletzt mit dem großen Beethoven-Zyklus mit der Aufführung aller neun Sinfonien in der vergangenen Saison. Seit Mitte März liegt er in einer Gesamteinspielung auch auf CD vor (Hänssler). Saraste: „Ich bin sehr glücklich darüber, dass der Beethoven-Zyklus so gut geworden ist.“

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Saraste wählte einen ganz eigenen, wenn auch keinen radikalen interpretatorischen Weg. Während mittlerweile die historisch informierte Musizierweise mit ihren extremen Tempi und oft scharf artikulierten Akzenten Einzug in die traditionellen Orchester gefunden hat, gibt das WDR Sinfonieorchester unter Saraste gar nicht erst vor, ein Originalklang-Ensemble zu sein, sondern konzentriert sich auf seine ureigenen Tugenden: „Ich war, ehrlich gesagt, ein bisschen müde von den ganzen Experimenten, die man in den letzten Jahren erlebt hat. Natürlich fand ich das interessant. Aber für mich sind andere Dimensionen wichtiger. Die Linien, die ich in den Sinfonien herausarbeiten will, kann ich mit einem traditionellen Orchester und dessen Tradition viel besser verdeutlichen.“

Einflüsse von nordischer Musik 

Auch andere Schwerpunkte gab es in den zurückliegenden Jahren. Zum Beispiel Belá Bartók („Das ist wichtig für die rhythmische Präzision eines Orchesters“) oder Arnold Schönberg. Und klar, dass er nordische Musik nicht ganz außen vor ließ. Der Sibelius-Zyklus mit dem WDR Sinfonieorchester zählte zu den großen Highlights seiner Amtszeit. Obwohl die Musiker zunächst noch ein wenig mit der Musik des finnischen Sinfonikers fremdelten.

Auch beim Publikum kam Sibelius an: „Ich war zunächst unsicher, ob wir die Vierte von Sibelius beim Lunch-Konzert komplett spielen sollten.“ Saraste entschied sich für „Ja“. Und der Erfolg gab ihm recht: „Die Leute waren superkonzentriert. Es war ein tolles Experiment.“

Nachfolger steht fest

Wenn er am Ende der Spielzeit den WDR-Dirigentenstab an seinen Nachfolger Cristian Macelaru weitereicht, wird Sarastes Abwesenheit vom Rheinland nur von kurzer Dauer sein. Im September dirigiert er das Eröffnungskonzert des Bonner Beethovenfestes mit der Philharmonia Zürich. Dabei handelt es sich um das Opernorchester, mit dem er sehr vertraut ist. „Ich lebe ja dort und kenne die beiden großen Orchester sehr gut.“

Am Samstag, 13. April, dirigiert Saraste in der Reihe „Musik im Dialog“ des WDR Sinfonieorchesters in der Philharmonie (20 Uhr) Werke von Beethoven („Fidelio“-Ouvertüre) und Bartók (Herzo Blaubarts Burg“). Der Schriftsteller und Strafverteidiger Ferdinand von Schirach spricht dazwischen über „Freiheit und Würde“.

Zur Person Jukka-Pekka Saraste

Der 1956 im finnischen Heinola geborene Dirigent Jukka-Pekka Saraste begann seine professionelle Musikerlaufbahn als Geiger. Wie viele seiner Landsleute lernte er die Kunst des Dirigierens bei Jorma Panula in Helsinki. Bereits 1987 wurde er Chefdirigent des Finnischen Radiosinfonieorchesters. Es folgten Chefpositionen beim Toronto Symphony Orchestra und bei den Osloer Philharmonikern. Seit 2010 ist er Chef des WDR Sinfonieorchesters, das er zum Ende der Saison verlassen wird. (ht)

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