Art Cologne 2019Drei Sammler stellen sich und ihre Kunst vor

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Prof. Dr Kurt Bartenbach, Ursula Bartenbach; ( Foto- ) Kunstsammler und Mäzene.

  • Mäzene und Sammler aus Köln öffnen ihre privaten Galerien und erklären, warum sie Kunst sammeln – oder sie sogar verschenken.
  • Jeder Sammler unterstützt einen anderen Verein oder ein anderes Museum.

Köln – Streng genommen ist ein Mäzen jemand, der die Kunst und Kultur fördert ohne einen konkreten Gegenwert zu verlangen. So gesehen mag der Mäzen als selbstloser Wohltäter in einem gewissen Gegensatz stehen zum Sammler, der in erster Linie einer persönlichen Leidenschaft nachgeht. Weil die einen geben und die anderen nehmen, indem sie sich die Kunst als Privatvergnügen zu eigen machen – oder sogar mit ihr spekulieren. Aber man sollte damit aufhören, zwischen diesen Formen von Engagement allzu streng zu differenzieren. Weil der Sammler auf seine Weise für viele Künstlerbiografien im Besonderen und die Kultur im Allgemeinen als Förderer eine Bedeutung hat. Wir stellen Mäzene vor, die ihre hochkarätigen Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.

Und Sammler, die mit viel Hingabe, Zeit und Geld als Förderer in Museen investieren, den Kunstbetrieb in Gang halten und mit Künstlern enge Verbindungen pflegen. Die kleinliche Diskussion, die seit ein paar Jahren immer wieder geführt wird, ob ein Mäzen auch dann als solcher anzusehen ist, wenn er sich eine Spende quittieren lässt und dadurch steuerliche Vorteile genießt, wird hier bewusst ausgelassen.

Spendable Bürger im Rheinland

Im Rheinland tummeln sich viele solcher Sammler und Mäzene. Dass in Köln eine außergewöhnliche Kulturszene lebendig ist, hat mit Tradition zu tun. „Im Gegensatz zu einst höfischen Residenzen wie Berlin, Dresden oder München war Köln immer auf bürgerliches Engagement angewiesen“, erklärt die Direktorin des Museums für Angewandte Kunst (MAKK), Petra Hesse.

Jedes Museum der Stadt ist durch solches Engagement entstanden, ein Großteil der Bestände sind Schenkungen, die heute ergänzt werden. Dass dieses Erbe bis in die Gegenwart Bestand hat, schätzt auch Yilmaz Dziewior: Bevor er als Direktor am Museum Ludwig anfing, war er an Kunstinstitutionen in Hamburg und Bregenz tätig. „Beides bedeutend reichere Städte mit wesentlich weniger spendablen Bewohnern“, fasst er seine Erfahrungen zusammen.

Hierzulande gehören also das Kunstsammeln, das Schenken und der Idealismus zum guten Ton des Bürgertums. Gemeinsam ist allen hier vorgestellten Protagonisten, dass sie mit der Kunst groß geworden sind, ihre Schätze nicht zu Höchstpreisen bei Auktionen verkaufen, sondern ihre Sammlungen zusammenhalten wollen und als Förderer gerne in Erscheinung treten. Die Lust an der Kunst treibt sie alle an – und spornt sie an, es nicht bei zwei, drei Positionen zu belassen, sondern ganze Werkgruppen anzuschaffen.

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Schenkung ist ein langer Prozess

Mit einer Krawatte fing vor fünf Jahren alles an: Wir waren auf einer Feier eingeladen, zufällig war der Direktor des Museums Ludwig, Yilmaz Dziewior, auch da, der an diesem Tag 50. Geburtstag hatte. Wir lernten ihn kennen und verstanden uns sofort prima. Wiederholt sagte er mir, wie schön er meine Krawatte finde, bis ich irgendwann dachte, na gut, Du hast Geburtstag, dann bekommst Du sie eben. Das war der Beginn unserer Schenkung – nach der Krawatte folgten noch ein paar mehr Begehrlichkeiten.

Entscheidender Impuls

Klar meldeten im Laufe der 30 Jahre unserer Sammeltätigkeit auch andere Museen ihr Interesse an. Denn durch regelmäßige Leihgaben wurde bekannt, was und in welchem Umfang wir sammelten. Aber einem Museum in einer anderen Stadt die Sammlung zu schenken, das war letztlich ausgeschlossen. Köln ist unser Lebensmittelpunkt, unsere Kinder sind hier geboren, deshalb war immer klar, dass wir, wenn wir schenken, das nur hier tun. Bei den Verhandlungen mit dem Museum Ludwig legten wir Wert darauf, dass die gesammelten Werke nicht nur im Archiv liegen, sondern entsprechend kuratiert und ausgestellt werden, dass die Sammlung einfach lebendig bleibt – das war unsere Bedingung ans Museum.

Abschiednehmen von der so vertrauten Kunst

Aber es war ein langer Prozess des Abschieds. Es fiel uns wahrlich nicht leicht, uns zu trennen. Schließlich gaben unsere Töchter den entscheidenden Impuls. Da sie selbst Fotografien sammeln, konnten sie den beachtlichen Wert, den die Sammlung heute hat, durchaus einschätzen. Aber weil sie wegen ihrer beruflichen Pflichten gar nicht so viel Zeit in die Sammlung hätten investieren können wie wir das streckenweise taten, hatten sie großes Verständnis für unsere Idee. Sie wollten unbedingt verhindern, dass das Werk womöglich irgendwann geteilt und veräußert würde. Und damit wir Eltern wiederum sehen konnten, wie ernst es ihnen mit ihrer Entscheidung war, haben sie aus ihrem Bestand unsere Schenkung ergänzt. Sie hatten etwa Fotografien der jüngeren Künstler unserer Sammlung, Boris Becker oder Max Regenberg, aber auch Arbeiten von Stars wie Candida Höfer und Tata Ronkholz. Das passte wirklich gut. Deshalb legen wir großen Wert darauf, dass es sich um eine Schenkung der Familie Bartenbach handelt, und nicht nur von uns beiden.

So eine Entscheidung trifft man wirklich nicht schnell. Das hat mit Trauer zu tun wie bei einem Abschied. Anfangs kann man sich ja gar nicht vorstellen, womit man belohnt wird. Als wir bei der Eröffnung dann jedes Bild erstmals im Kontext sehen konnten, war der Schmerz überwunden. Zu sehen, wie die Bilder miteinander agieren, beinahe reden, wie wir plötzlich eine Wechselwirkung zum Beispiel zwischen August Sander und Walker Evans entdecken konnten, auf die wir so noch nicht gekommen wären – absolut großartig. Dieses Erlebnis hatten wir ja in unserem Zuhause nie, weil wir einfach zu wenig Wände bei der offenen Gestaltung unseres Hauses haben. Viele Wände sind dann auch noch aus Glas. Traumhaft schön, aber um eine Sammlung zu hängen, eher ungünstig.

Köln nicht aus der Verantwortung lassen

Nach der Eröffnung sind wir sehr oft ins Museum gegangen, haben Freunde geführt, und hatten jedes Mal das Gefühl, das ist wie nach Hause kommen. So eine Sammlung muss natürlich auch gepflegt werden. In meiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung, habe ich das auch gesagt, und die Stadt Köln in die Pflicht genommen. Denn die geht ja mit ihren Stiftern nicht immer optimal um. Wenn ich da an die Sammlung Corboud denke, ein Jammer. Das lief damals bei Peter und Irene Ludwig besser. Ludwig verlangte, dass das Museum gebaut wird, sonst zieht er seine Schenkung an die Stadt zurück.

Viele Sammlungen gingen weg von Köln: Die Fotosammlung von Ann und Jürgen Wilde etwa – mit einem Wert von mehr als 100 Millionen Euro. Sie hängt heute in München in der Pinakothek der Moderne. Sie waren Pioniere der Fotokunst. Fotos wurden bis dahin ja nicht als Kunst behandelt. Von beiden haben wir gelernt, mit Fotos so umzugehen wie mit Gemälden. Sie zu interpretieren, nicht nur als Dokumentation zu sehen. Wir freuen uns, wenn wir das weitergeben können.

Durch dick und dünn – Sammlerpaar unterstützt deutsche Künstler

Wenn Corina und Max Krawinkel die Tür zu Ihrer Altbauvilla öffnen, bietet schon das Entrée ein gewaltiges Farbspektakel. In Rosa-Schwarz-Tönen leuchtet die großformatige „Glocke, House of Dark, Shadows“ der Kölner Künstler Gert und Uwe Tobias. Die bunten Quadrate und Raster von Imi Knoebel fordern das Auge auf andere Art. Zeichnungen von Joseph Beuys daneben erscheinen geradezu zurückhaltend, schüchtern. Es ist eine einmalige Mixtur, die den Besucher auf ein paar Quadratmetern Flur empfängt, die aber genau das widerspiegelt, was die Zahnärztin und der Unternehmer seit drei Jahrzehnten mit maximaler Leidenschaft tun: Kunst sammeln.

Sie mag Zero, er mag Meese

Jeder sammelte für sich, Corina war, und ist es immer noch, eine große Freundin der Zero-Gruppe. Max hatte schon immer das Impulsive, vornehmlich in der Malerei, gesucht. Mit der Heirat führten sie dann ihre beiden Sammlungen zu einer zusammen. Und tritt man vom Eingang weiter ein in die Erdgeschossetage, könnte man fast meinen, der Ehemann habe sich in Sachen Ästhetik durchgesetzt.

Der Flur ist ein kleiner Auftakt, der Salon ein rauschhaftes Farbfest: Jonathan Meese. Großformate, wandeinnehmende Gemälde. Zeichen, Anspielungen, farbgewordene Provokationen. Muss man Meese verstehen? Kann man die Bilder überhaupt verstehen? „Vielen ist das viel zu wild, zu aggressiv auch. Auf mich wirken die Bilder anders: Wenn ich abends hier sitze, kitzeln die Bilder noch mal das letzte bisschen Energie aus mir heraus“, sagt Max Krawinkel und lacht. „Und wenn ich morgens auf dem Sofa meinen Kaffee trinke, dann entdecke ich immer wieder Neues darin. Sollte es irgendwann doch langweilig werden, dann muss das Bild weg.“

Dass Corina viele Arbeiten der Zero-Künstler wie Heinz Mack, Otto Piene Günther Uecker, mit denen sie ihre Sammlung in den 1980er Jahren aufbaute, heute nicht mehr hat, weil womöglich die expressiven bis brachialen Gemälde ihres Mannes dominierten – da winkt sie lässig ab: „Zu dem Zeitpunkt als Zero Mainstream wurde, brauchte ich etwas anderes.“ Außerdem, so sagen beide glaubhaft, habe der gelegentliche Verkauf nichts mit Gewinnspekulation zu tun, sondern sei mehr der Tatsache geschuldet, dass sich eine Sammlung weiter entwickelt, weil sich das eigene Sehen auch immer erneuert. Manchmal müsse man sich dann trennen – auch wenn sie vielen Künstlern über Jahre die Treue halten.

Gezielt Kunst sammeln und Künstler unterstützen

Die Krawinkels konzentrieren sich auf ein paar Künstler. „Wir sammeln sehr gezielt, zeitgenössische, deutsche, abstrakte Kunst.“ Nach dem Meese-Exzess im Salon folgt ein Raum nicht minder gewaltiger Gemälde, an allen vier Wänden hängt Malerei von André Butzer. Dass Parallelen erkennbar sind, hängt unter anderem damit zusammen, dass die beiden Künstler mit dem kräftigen Pinselstrich der Künstlergruppe Akademie Isotrop angehörten.

Zum Selbstverständnis der Krawinkels gehört wiederum, zu fast jedem ihrer Künstler ein vertrautes Verhältnis zu haben. „Wir glauben, dass es den Künstlern gut tut, wenn sie in schwierigen Phasen die Sammler hinter sich wissen, die sie durch Höhen und Tiefen begleiten, zu ihren Aktionen und Eröffnungen reisen.“ Dass dies kein einseitiges Verhältnis ist, davon sind die Sammler überzeugt. „Natürlich merken die Künstler, besonders dann, wenn sie schon bekannter sind, ob man ein ehrliches, ernsthaftes Interesse an ihnen hat, oder ob ein paar Hedgefonds Manager einen Hype kreieren.“

Rundgänge auf der Art Cologne

Auch wenn die Krawinkels den Museen noch keine Schenkungen überlassen haben – „das kommt irgendwann, noch sind wir nicht so weit“– , passen sie gut in den hier vorgestellten Personenkreis. Ihr Engagement für die Kunst, die Kölner Museen und Institutionen ist enorm. Dabei hat Corina Krawinkel, bedingt durch einen großen Freundeskreis einerseits und ein beeindruckendes Wissen andererseits, schon fast missionarische Aufgaben übernommen. Denn seit Daniel Hug als Direktor der Art Cologne 2008 die Neuausrichtung der Messe anstieß, und damals die Sammler fragte, was sie für ein Vorankommen der damals in Bedeutungslosigkeit abzudriften drohenden Art Cologne leisten könnten, sagte Corina spontan: „Rundgänge“.

Diese Rundgänge sind mittlerweile legendär, manchmal führt sie 20, mal 40 „ihrer Ladies“ durch die Kojen der Galeristen. Es sind Freundinnen, oft dieselben, die sich zur Eröffnung mittwochs um 12 Uhr treffen, maximal schick gekleidet, gut frisiert, von weitem zu erkennen. Vorab hat sie sich Themen ausgedacht, „Schwarz“ zum Beispiel oder „Frauen“, mit Galeristen telefoniert, in der Hoffnung, dass dann auch Entsprechendes hängt, und teilt mit den Damen ihr nicht studiertes, aber über 30 Jahre angelesenes und erfahrenes Wissen. „Seht ihr das, was mir auffällt?“, fragt sie dann in die Runde, ohne einen kunsthistorischen Monolog zu halten. „20 Galerien in drei Stunden, immer wechselnd, die jungen im Fokus.“ Warum? „Damit die Ehemänner abends kaufen, was mittags ausgesucht wurde.“ Oder etwas ketzerischer ausdrückt: Die Handtasche am Arm soll nicht wertvoller sein als das zu erstehende Bild.

Weiteres Engagement für zeitgenössische Künstler

Mit ähnlicher Energie agiert Corina Krawinkel während des Köln-Düsseldorfer-Galerienwochenendes DC Open. Mit einer Gruppe steuert sie im Bus zehn Galerien in Köln und einen Tag später in Düsseldorf an. Die Mission: Künstler bekannt machen, die vorher keiner ihrer Gäste kannte. Daneben ist sie ihm Kunstverein aktiv und stellvertretende Vorstandsvorsitzende im Museum für Angewandte Kunst (MAKK). 

Fester Vorsatz: Der Museenlandschaft Köln und den Interessierten etwas zurückgeben zu können. Ihr Mann hingegen agiert weniger an der Oberfläche. An der Kunsthochschule für Medien (KHM) kümmert er sich um die Finanzen und hat sich als Vorstandsmitglied im Wallraf-Richartz-Museum eine ganz besondere Aufgabe ausgedacht: Er beauftragte die Künstler Imi Knoebel und die Tobias-Brüder für Editionen, die die Mitglieder kaufen konnten. „Der gleiche Betrag wie für den Erwerb musste allerdings ans Museum bezahlt werden.“

Im vollgepackten Messekalender ist das Ehepaar noch Gastgeber für rund 40 internationale Sammler. Die laden sie zu einem Essen zu sich nach Hause ein. Bisher ging alles gut – zwischen den intensiven Meese-Bildern ist noch niemand wild geworden.

Kunst im Kaminzimmer – Drei Mal im Jahr wechselt Anna Friebe-Reininghaus ihre Kunst

Gerade hängen noch die Strickbilder von Rosemarie Trockel. Gleißendes Oberlicht scheint in den weiß getünchten Kamin-Salon, an diesem klaren Frühlingsmorgen. Es setzt jedes einzelne Werk perfekt in Szene. Keine Reflexion stört die Betrachtung. Der zurückhaltend-humorvollen Ästhetik der Künstlerin tut das Licht gut. Selbst die feinsten Maschen im Wollwerk macht es erkennbar. „Und da, sehen Sie das Häschen?“, fragt Anna Friebe-Reininghaus. Je länger der Betrachter ins blau-graue Strickbild versinkt, desto mehr werden die Schnäbel zu Ohren und die Vögel zu Hasen. „Ich liebe Rosemarie Trockel. Für mich ist sie die beste zeitgenössische Künstlerin. Oder Genzken? Isa Genzken? Ach, das ist jetzt doch schwer zu sagen. Für beide schlägt mein Herz“, sagt Anna Friebe-Reininghaus und lacht. Beide kennt sie seit Jahrzehnten, mit beiden ist sie befreundet.

Dann setzt sie sich aufs Sofa, blau-graue Ohren-Schnäbel im Rücken, grobes, Trockelsches Strickgitter im Blick. „Bald“, sagt die Sammlerin, „haben wir hier weiße Wände. Eine Woche weiße Wände.“ Aus dem Mund der jungen 83-Jährigen hört sich das an wie eine Woche Folter. Denn wenn man wie das Sammler- und Stifterpaar das einzige Zimmer mit Oberlicht dreimal im Jahr mit Schätzen aus dem Archiv neu bestückt, dann gleicht eine Woche Leere einer harten Fastenkur – oder eben Folter. Aber die Sammlerin und ihr Mann, Ulrich Reininghaus, brauchen die kurze Abstinenz von der Kunst im Kaminzimmer.

Kunst, nicht Dekoration

Und spätestens wenn das pure Weiß in der sachlichen 60er-Jahre-Villa körperliche Schmerzen bei den beiden Kunstliebhabern verursacht, kommt ihnen die Idee für die nächste Ausstellung.

Dann streiten sie ein bisschen, wer, was wie hängen darf, bis sie sich einigen. „Die Bilder dürfen ja auch nicht nur schön sein. Kunst kaufe ich nicht als Dekoration. Die Bilder müssen mir etwas geben, sie müssen mit mir sprechen.“ Erläuterungen zu den Werken will sie nicht geben, sie sei ja keine Kunsthistorikerin. Aber sie erklärt, dass vor Trockel hier Fotografien von Wolfgang Tillmans hingen, „der sagt mir auch sehr viel – von Anfang an. Oft hat er politische Aussagen in seinen Arbeiten.“ Zur Bundestagswahl hat sie dann die Fassade ihres Hauses mit den Anti-AfD-Postern des berühmten Fotografen beklebt. „Das hat vermutlich nichts gebracht, aber man muss Flagge zeigen.“ Die Leidenschaft für Tillmans besteht schon so lange wie ihr Sohn Daniel Buchholz ihn erstmals in seiner Galerie zeigte – und seine Arbeiten noch 300 Mark kosteten – „minus zehn Prozent Familienrabatt“, sagt sie launig. Und dann wieder: „Nach der Art Cologne haben wir weiße Wände.“ Es klingt fast bedrohlich.

Engagement über die Art Cologne hinaus

Die Art Cologne. Die Messetage sind für die beiden Sammler so ein fester Termin im Kalender wie Weihnachten. „Ferien, Ausflüge, gesellschaftliche Events, Atelierbesuche werden alle drum herum gelegt.“ Diese Präferenz hat eindeutig mit ihrer Biografie zu tun: Anna Friebe-Reininghaus gilt als die Grande Dame der Kölner Sammler- und Stifterszene. Sie selbst war 20 Jahre als Galeristin tätig – und konzentrierte sich auf Künstler wie Richard Hamilton oder aus Österreich stammende Künstler wie Arnulf Rainer, Peter Kogler, Brigitte Kowanz –, war lange Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig, ist heute Museums-Ehrenmitglied, war im Vorstand des Museums für Angewandte Kunst (MAKK), ist Gründerin der Perlensucher und konsequenterweise mit nahezu allen renommierten Künstlern befreundet und tief vernetzt in der Kölner Gesellschaft und der nationalen Kunst-, Galeristen- und Sammlerszene. Ihre Verpflichtungen scheinen endlos. Anna Friebe-Reininghaus macht das nichts: „Die Kunst ist mein Jungbrunnen.“

Damals, als sie entschied, ihre Galerie zu schließen, um den vier Kindern mehr Zeit widmen zu können, „ da fehlte mir die Kunst so sehr, dass ich Ersatz brauchte und anfing, selbst Kunst zu sammeln.“ Damals heißt, als Kölner Künstler wie Rosemarie Trockel, Sigmar Polke, Gerhard Richter oder seine damalige Frau Isa Genzken noch nicht ihren internationalen Durchbruch hatten und deren Werke noch keine Höchstpreise erzielten. Damals also führte sie gemeinsam mit Ehemann Ulrich Reininghaus, ebenfalls Sammler, ihre Schätze zusammen. „Vieles ergänzte sich gut, Polke zum Beispiel. Das komplette grafische Werk haben wir 2008 dem Museum Ludwig gestiftet.“

Zum Spenden-Glück gezwungen

Sprengt die Sammlung irgendwann die eigenen vier Wände? Denkt man, in einem Museum ist das Werk besser aufgehoben? Was gibt den Impuls zu stiften? „Nein“, sagt sie und lacht laut, fast schallend auf ihrem grauen Sofa: „Bei uns hatte das mit einem extrem hartnäckigen Kasper König zu tun“. Der einstige Direktor des Kölner Museum Ludwig (2000 bis 2012), heute noch eng verbunden, „hat uns wirklich bedrängt, endlich den Polke rauszurücken, was ja dann 2008 auch passiert ist. „Wenn wir den König nicht so lieben und schätzen würden, hätten wir uns ganz schön genötigt gefühlt.“ Wenn es drängt, ruft König an, auch nachts oder er schreibt.

Dann steht Anna Friebe-Reininghaus vom Sofa auf und holt eine Postkarte, die sie am Morgen erhielt. An sich schon ein Kunstwerk, eine Collage, gespickt mit Botschaften von Kasper König. Und mit der Bitte versehen, die Sammler mögen bei der Galeristin Esther Schipper in Berlin eine Arbeit von Julia Scher kaufen. Dringend. Friebe-Reininghaus ist ihm kein bisschen böse ob seiner besonderen Energie. Im Gegenteil, dankbar sei sie, und betont: „Er hat uns die Augen geöffnet. Heute brauchen wir keinen Impuls mehr, wir haben verstanden, was zu tun ist.“ Nämlich alle zehn Jahre sich von den Schätzen zu trennen und mit einer großen Öffentlichkeit zu teilen.

Das Herz und die Kunst bleibt in Köln

Seither haben nicht nur die Polke-Grafiken und Editionen den Besitzer gewechselt. Bis vor wenigen Tagen waren die Plattencover Andy Warhols im MAKK zu sehen, die Ulrich Reininghaus gestiftet hat, und im nächsten Jahr zeigt das Museum Ludwig die komplette grafische Sammlung Blinky Palermos, die 2018 in den Museumsbesitz überging. „Man muss auch was weggeben können. Die Werke haben uns ein Leben lang weitergebracht, das Gefühl wollen wir auch anderen ermöglichen.“

Längst bekommen die Stifter auch drängende Anfragen aus anderen Städten der Republik. Doch für das Sammlerpaar ist klar, dass sie als Mäzene der Stadt Köln die Treue halten wollen. „Mit Kunst ist es wie mit Kindern. Man kann sie nicht besitzen, aber man freut sich, sie in der Nähe zu haben.“

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