Der irische Sänger Rea Garvey im Interview"Dublin hat sein altes Gesicht verloren"

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Der irische Sänger Rea Garvey.

Hamburg – Rea Garvey, 44, hat mit der Band Reamonn deutsche Rockgeschichte geschrieben. In seinem vierten Soloalbum "Neon" erhebt der Ire seine mächtige Stimme und beruft sich mit hymnischem Pathos auf seine irischen Wurzeln. Olaf Neumann traf Garvey in Hamburg. Ein Gespräch über dies Krux des Ruhms, Jugend in Irland und Heimat.

Für Ihr Album "Neon" haben Sie sich mit mehreren Hip-Hop-Produzenten zusammengetan. Wie kam es dazu?

Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich will, aber dann habe ich Imran Abbas getroffen. Abbas hat zehn Lieder auf meinem Album produziert. Das ist für mich Neuland, und es fühlt sich gut an.

Kommen Ihnen manchmal Zweifel, ob Sie jemals wieder eine gute Nummer schreiben werden?

Nein, das würde mir nur im Weg stehen. Wenn man das Gefühl hat, nichts Gutes geschrieben zu haben, muss man einfach noch mehr schreiben, bis sich dieser Knoten wieder löst. Bei diesem Album bin ich weit weg gegangen, um letztendlich zu merken, dass ich eigentlich nach Hause gehen muss.

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Der irische Sänger Rea Garvey.

"Hometown" ist ein Song über Dublin. Haben Sie manchmal Heimweh?

Die Konzerne Facebook und Google haben sich mitten in Dublin angesiedelt. Schön, dass sie vielen Leuten Arbeit geben, aber als ich durch die Straßen ging, fiel mir auf, wie die Innenstadt darunter leidet. Dublin hat sein altes Gesicht verloren. Es ist nicht mehr meine Stadt. Aber auch ich habe mich verändert, und vielleicht habe ich auch nicht das Recht, solche Entwicklungen zu kritisieren.

Mussten Sie Irland verlassen, weil Sie dort keine Arbeit fanden?

Nein, ich habe einen Job aufgegeben, um hauptberuflich Musik zu machen. Vielleicht hatte ich ja Angst davor, dass mir der Geruch von Geld zu sehr gefallen hätte. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, war, in einem Büro-Block arbeiten zu müssen. In Deutschland habe ich mich sofort wohlgefühlt.

Hätten Sie auch in Irland eine musikalische Karriere machen können?

Ich glaube, es ist gut, dass ich hier und nicht dort bin.

Welcher Song auf "Neon" beschreibt Sie am besten?

Ich glaube, "God Of Your World".

Wenn ein Song fertig ist, wer bekommt ihn als erstes zu hören?

Meine Frau und Managerin Joe und Tom Bohne, der Boss von Universal Music. Ich vertraue meiner Frau komplett. Wir haben fast ein symbiotisches Verhältnis. Wenn einer etwas Bestimmtes spürt, spürt es der andere auch.

Welche Vorstellung haben Sie von Ihrer Musik? Soll sie so klingen, wie Sie als Mensch sind?

Als ich meine Stimme das erste Mal im Fernsehen hörte, war ich überrascht. Ich hatte mich immer komplett anders gehört. Meine Musik muss mich immer im Herzen treffen. Es ist nur einmal in meiner Karriere vorgekommen, dass ich etwas getan habe, woran ich nicht glaubte. Es war eine Katastrophe! Seitdem verlasse ich mich nur auf mein Gefühl.

Gibt es Tage, an denen Sie Ihre eigene Stimme nicht hören können?

Nein, soweit ist es noch nicht gekommen! Ich bin niemand, der sich selbst am Tollsten findet. Ich hatte mal ein Treffen mit dem Produzenten Timbaland. Er sagte: "Man, I am Mr. Music!" (Lacht) Ich bin in Irland aufgewachsen, ich darf so was nicht sagen! Ich wurde dazu erzogen, am Boden zu bleiben.

Sie sind auf eine katholische Schule gegangen. Wie erinnern Sie Ihre Schulzeit?

Als sehr streng. Ich bin da gut durchgekommen, andere nicht. Ich habe mich gut verteidigt gegen eine Macht, der man nicht widersprechen durfte. Damals durfte man in Irland nichts gegen die Kirche sagen. Aber wenn ich als Teenager Freitagabend auf die Piste ging, war es ziemlich wahrscheinlich, dass man mit gleichaltrigen Jungs in Streit geriet. Das war ganz normal, und ich liebte es. Das ist schwer zu verstehen, wenn man nicht aus Irland kommt.

Sie spielen 2018 Ihre bisher größte Tour. Vermissen Sie die Unbeschwertheit, die Sie am Anfang Ihrer Karriere hatten?

Olympiahalle – das ist schon ein Wort! Ich habe aber Bock drauf. Es wird eine Wahnsinnsshow werden. Der Druck kommt hauptsächlich von mir. Ich freue mich tierisch, wenn die Menschen großes Interesse an meiner Arbeit haben. Umgekehrt bin ich sehr enttäuscht, wenn meine Musik nicht ankommt. Bis jetzt bin ich gesegnet, weil es für mich immer nur nach oben geht. Aber man muss dafür arbeiten. Im Leben wird einem nichts geschenkt.

Mögen Sie es, wenn Menschen zu Ihrer Musik ausflippen?

Ich liebe es! Das ist wie eine massive Feier mit Musik im Mittelpunkt. Ich versuche, große Gefühle zu erwecken. Die Leute sollen spüren, wie alle Energie durch ihren Körper aufsteigt und sie explodieren vor Freude. Wenn man das vor 20 oder 30 000 Menschen macht, bleibt einem die Spucke weg.

Ist Musik für Sie wie eine Droge?

Ich kenne mich mit Drogen nicht aus. Ich glaube, Musik kann ein schwieriger Liebhaber sein. Wenn man die Musik liebt, wird sie dich zurücklieben.

Hatten Sie auch mal eine Sex-and-Rock'n'Roll-Phase?

Ja, Sex und Rock'n'Roll auf jeden Fall. Ich bin immer noch ein großer Fan davon. Ich habe immer davon geträumt, der Letzte an der Bar zu sein und zu feiern wie ein Rockstar. Und am nächsten Morgen geht man ins Studio und singt einen Song ein.

Wie häufig feiern Sie gemeinsam mit Kollegen?

Wenn ich unterwegs bin, treffe ich viele Menschen und oft ist die Freude so groß, dass wir miteinander feiern. Aber ich habe den Anspruch, meinem Publikum die bestmögliche Show zu bieten.

Sie sind in der neuen Staffel von "Sing meinen Song" zu sehen. Bringen solche Shows die Musik voran?

Absolut. Es gibt im Fernsehen nicht mehr viele Plattformen für Musik. Solch eine Sendung ist dann wie eine Oase. Ich wurde mehrmals eingeladen, da mitzumachen. Und jetzt hatte ich Zeit und Lust, mich mit den beteiligten Kollegen auf die Couch zu setzen. Ich mag das Format. Ich finde die Herausforderung spannend, dass ich dann ein Lied von Mary Roos singe.

Wie wichtig ist Ihnen der Austausch mit Kollegen?

Mit meinen Freunden ist er mir sehr wichtig. Kollegen ist das falsche Wort für Musiker. Kollegen sind Menschen, mit denen man von neun bis fünf zusammen ist. Mit Musikern dagegen ist man bis vier Uhr morgens zusammen. Wir Pop- und Rockstars haben eine Aufgabe: den Traum am Leben zu erhalten. Ob du es übertreibst oder nicht, ist deine Sache. Ich will, dass diese Rockstar-Elemente weiterleben und ich will auf jeden Fall junge Menschen inspirieren.

Wie gehen Sie mit dem Hype um Ihre Person um?

Ich bin grundsätzlich nett und komme mit jedem klar. Und wenn ich mich rar machen will, dann mache ich mich rar. Ich finde es wichtig, dass ich so leben kann, wie ich leben will und mich nicht verstecken muss. Das wäre eine Katastrophe.

Zur Person: Raymond Michael Garvey

Raymond Michael Garvey, geboren am 3. Mai 1973 in Tralee, County Kerry, Irland. Sieben Schwestern 1998 Umzug nach Deutschland, Gründung der Band Reamonn Seit 2002 verheiratet. Er lebt zusammen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in Berlin und Hadamar, Hessen Garvey war viermal Coach in der Castingshow "The Voice of Germany" Termine Am 23. März 2018 erscheint das neue Album "Neon" Rea Garvey & Band live: am 10. September 2018, Köln, Palladium

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