Ein Hologramm als Pop-IkoneKonzert mit Hatsune Miku in der Lanxess-Arena

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Hatsune Miku

Grüne Leuchtstäbe und Lichtshow: Hatsune Miku gibt als Hologramm den Ton an.

Köln – Sie sieht immer perfekt aus, egal, wie lange sie schon auf der Bühne steht. Kein Schweißtropfen verunziert ihr Antlitz, kein bisschen Haut zeigt sich an Stellen, wo sich Haut nicht zeigen soll. Nicht die allerkleinste Knitterfalte mindert die Wirkung ihres Kostüms. Kehlkopfentzündung? Drogen-Trip? Skandal? Fehlanzeige. Auch überhöhte Gagenforderungen sind von ihr nicht zu erwarten, ebenso wenig wie plötzliche Tendenzen zur Selbstverwirklichung, gesangliche Defizite oder Tanzschritte, bei denen sie aus dem Takt gerät. Hatsune Miku ist der Wunschtraum eines jeden Managements.

Zu schön, um wahr zu sein? Stimmt. Hatsune Miku ist virtuell. Ursprünglich wurde sie als Maskottchen der im japanischen Sapporo ansässigen Firma Crypton Future Media erfunden und von Mangazeichner KEI entworfen. Um damit den Verkauf der Synthesizer-Software Vocaloid anzufachen, mit deren Hilfe Nutzer Popsongs erzeugen können. Sie müssen bloß den Text und die Noten eingeben – den Rest erledigt das Programm.

Als Geburtsstunde des Manga-Mädchens mit den türkisfarbenen Zöpfen und der Schuluniform gilt der 31. August 2007. Inzwischen gibt es unzählige Vocaloid-Charaktere. Nur Hatsune Miku wurde in Japan zur Pop-Ikone. Als Hologramm auf eine Leinwand projiziert, tritt sie mit echten Musikern auf. Funktioniert das auch hierzulande? Ja. Auf seiner Europa-Tour machte der Cyber-Star mit den Kulleraugen in Köln Station. Weil sonst nur London und Paris auf dem Plan stehen, wurde die Lanxess-Arena zum Sehnsuchtsort der Otakus, der leidenschaftlichen Fans von Manga-Figuren und ihrer Verwandlung in Vocaloids.

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Hatsune Miku

Im Jahr 2016 trat Hatsune Miku als Protagonistin einer Oper auf – unter anderem auch in Hamburg. Hatsune Miku war in der Inszenierung überlebensgroß und kostümiert in ein Bühnenbild projiziert, das aus mehreren Leinwänden bestand, während Komponist Keichiiro Shibuya live auf der Bühne ihren Gesang begleitete. (dpa)

Es sind zwar „nur“ 5 000, die, als die Show beginnt, in rhythmische „Hoi, Hoi, Hoi“-Rufe ausbrechen, aufspringen und ihre grünen Leuchtstäbe so dynamisch schwingen, als seien es die Trommelstöcke der Taikotruppe Yamato. Aber dass die Schlange vor dem Merchandise-Shop einmal rund ums Gebäude geht und der Devotionalienhandel 30 Minuten vor Start dichtmachen musste, weil er ausverkauft war, das hat es in der Geschichte der Arena noch nie gegeben. Im Publikum sind viele Japaner und noch mehr Mädchen, die sich mit Zöpfchen, Blümchen und Öhrchen wie ihre Heldinnen ausgestattet haben. Denn Hatsune Miku hat Freunde mitgebracht, darunter den blauhaarigen Kaito, die brünette Meiko, die rosalockige Megurine Luka und die Zwillinge Kagamine Rin und Len mit ihren dottergelben Köpfen. Stimmlich ist das, wegen des künstlich erzeugten, mitunter schrill-piepsigen Gesangs gewöhnungsbedürftig, der wilde Aktionismus der Androiden erinnert bisweilen an animierte Comicfiguren mit ADHS. Und: Es ist infernalisch laut. Aber wer das so empfindet, gehört schlichtweg nicht zur Zielgruppe. Ist zu alt. Oder zu wenig otaku. Hatsune Miku heißt übersetzt so viel wie „Erster Klang aus der Zukunft“. Wird sich Popmusik irgendwann immer so anhören?

Wäre die Protagonistin tatsächlich ein Mensch, hätte das Management ganz andere Sorgen. Laut Steckbrief ist sie 16 Jahre alt, 158 Zentimeter groß und wiegt 42 Kilo. Ein klarer Fall von Magersucht. Hatsune Miku

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