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Interview mit neuer RJM-Direktorin„Ethnologie beginnt draußen vor der Tür“

Lesezeit 5 Minuten
RJM Direktorin

Nanette Snoep ist seit Jahresbeginn neue Direktorin am Rautenstrauch-Joest-Museum.

Köln – Nanette Snoep ist seit Jahresbeginn neue Direktorin am Rautenstrauch-Joest-Museum. Über ihre Pläne sprach die 1971 im niederländischen Utrecht geborene Anthropologin mit Hartmut Wilmes.

Wie beginnen Sie Ihre Amtszeit hier in Köln?

Ich spreche mit meinen Mitarbeitern und entdecke das Haus. Ich gebe mir 100 Tage Zeit, alles kennenzulernen, die anderen Museumsdirektoren, die Stadt, die Universität. Dann müssen wir unsere Strategie für die nächsten Jahre entwickeln.

Zur Person

Die Niederländerin Nanette Jacomijn Snoep leitete vor ihrem Kölner Engagement die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit drei Völkerkundemuseen. Zuvor war sie 15 Jahre lang am Pariser „Musée du Quai Branly“ tätig gewesen, zuletzt als Hauptkustodin der Sammlung „Historical and Contemporary Globalisation“. Zudem hat die Anthropologin und Kulturmanagerin zehn Jahre lang afrikanische Kunstgeschichte an der „Ecole du Louvre“ und der Universität von Nanterre in Paris unterrichtet. (EB)

Eigentlich war geplant, die Dauerausstellung im 2010 eröffneten Haus nach fünf bis sieben Jahren zu verändern. Das ist nicht geschehen...

..und Dauerausstellungen dürfen heute nicht mehr so lange dauern. Nach drei, vier Jahren spürt man schon: Das stammt aus einer anderen Zeit. Und die Besucher aus Köln und Umgebung schauen sich das nicht immer wieder an. Wir müssen das also neu denken und fragen, ob wir nicht eher in einer Sammlungspräsentation die Meisterwerke des Museums in einem flexibleren Design, mit oft wechselnden Objekten und Perspektiven zeigen können. So dass der Kölner alle drei Monate im Museum etwas Neues entdeckt. Aber klar: Das kostet Geld und ist technisch nicht ganz einfach.

Und Sonderschauen?

Davon sollte es mehr geben, auch in anderen Formaten, und womöglich können wir auch aktuelle Inseln in die Dauerausstellung einbauen. Ich habe ein Super-Team hier, das allerdings recht klein ist, und hoffe, dass man 2020 erste Zeichen der Veränderung im Haus sieht.

Bleibt es beim Prinzip des thematischen Kulturvergleichs?

Die große Tradition des Museums mit Ausstellungen wie „Die Braut“ oder „Männerbünde“ würde ich gern weiterdenken. Aber wenn wir sehen, dass wir zu einem bestimmten Gebiet eine tolle Sammlung haben, sollten wir die eben auch zeigen. Ich mag es, wenn das Museum lebendig wird, wenn es auch Filmvorführungen, Lesungen, Workshops gibt.

Haben Sie schon Themen für Sonderschauen im Kopf?

Ich möchte mich gern an Jugendliche wenden, etwa beim Thema Initiation, also der Frage, wie man erwachsen wird – hier in Köln oder in Sumatra. Dann natürlich das Thema Karneval, denn diese paar Tage, an denen man sich alles erlaubt, findet man unter anderen Namen in fast allen Kulturen.

Ihr Vorgänger Klaus Schneider sah 100 000 Besucher pro Jahr als die Marke, die dieses Haus stets übertreffen sollte.

Mindestens!

Aber zuletzt gelang dies nicht.

Das müssen wir steigern. Im Leipziger Grassi-Museum hatten wir ein ähnliches Problem, haben uns dann immer kleine Interventionen einfallen lassen. Da hat sich ein Künstler von unseren Objekten inspirieren oder ein Leipziger Theatermacher – und plötzlich hatten wir ein Schauspielpublikum im Museum. Oder wir haben Tätowierte eingeladen, sich für ein Live-Tattoo-Archiv fotografieren zu lassen – das waren Leute, die sonst nie in ein Museum gingen. Die kamen auch zur entsprechenden Ausstellung, und dann muss man versuchen, sie als Publikum zu behalten.

Gelingt das?

Wenn man begreift, dass Ethnologie heute nicht nur ferne Kulturen betrifft. Sie beginnt vor unserer Tür auf der Straße, lokal und global – das ist die Devise. Und die Besucher müssen immer merken, was Ausstellungen mit ihnen zu tun haben. Außerdem müssen wir auch mit den Nicht-Besuchern reden.

Es gibt in Köln seit Langem die Erwartung, dass das Land Nordrhein-Westfalen sein einziges Völkerkundemuseum dauerhaft unterstützt.

Ich habe da große Hoffnung, weil diese zusätzlichen Gelder notwendig sind. Auch angesichts der aktuellen Fragen um Provenienzforschung, Kolonialzeit, Kriegsbeute, Restitutionen. In Hamburg, Stuttgart, Sachsen und Berlin sehen wir Aufbruchssignale, da muss Köln mit seiner großartigen Sammlung auch unterstützt werden.

Sie nennen einige der heiklen Themen, die den ethnologischen Museen gerade negative Schlagzeilen bescheren. Glauben Sie, dass in Ihren Depots auch noch solches Dynamit liegt?

Ja, das liegt in allen ethnologischen Museen, weil die Sammlungsgeschichte letztlich doch ziemlich ähnlich ist. Es wäre ein Wunder, wenn wir dieses Kolonialerbe als einziges Museum nicht hätten.

Wie geht man damit um?

Man muss die Erwerbsgeschichte der Objekte genau erforschen und transparent mit diesem heiklen Erbe umgehen. Rückgabedebatten um ethnologische Museen haben sich deshalb so polarisiert, weil diese zu lange gesagt haben: Nein, bei uns ist alles in Ordnung.

Hilft dagegen die Digitalisierung und Onlineveröffentlichung der Bestände?

Unbedingt. Das ist bei uns nicht schon morgen so weit, aber der Prozess läuft. Am Pariser Musée de Quai Branly hatten wir bereits zur Eröffnung alle 350 000 Objekte online und haben zu vielen von Kollegen aus Afrika oder Australien Neues erfahren.

Die Frage zum eigentlich schönen, aber defektanfälligen Bau kann ich Ihnen nicht ersparen. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen hier irgendwann das Dach auf den Kopf fällt?

Das war zwar ein negativer Aspekt des Jobs. Aber den Bau habe ich geerbt und weiß Bescheid. Das war bei meinem Vorgänger schwerer. Mein Vertrag läuft über sieben Jahre, und ich denke, diese Probleme bestehen am Ende immer noch. Aber wir haben eine wunderbare Sammlung, und das Rautenstrauch-Joest-Museum genießt international einen hervorragenden Ruf. Auch das Land muss wissen, dass das Haus auf diesem Top-Niveau ist, aber eben auch dort bleiben muss.

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