Kölner Konzert von 30 Seconds to MarsAls sei er der wiedergeborene Messias

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30 seconds to mars

Gute Pose für die sozialen Medien: Jared Leto, Frontmann von 30 Seconds to Mars.

Köln – „You!“, „You!“, „You!“, ruft er. Der Mann, der dabei mit dem ausgestreckten Arm auf einzelne Menschen zeigt, die die Bühne im Innenraum umringen, trägt zwar keinen Zylinder mit Stars and Stripes. Aber immerhin ein T-Shirt mit einem pyramidenförmigen Symbol, das die Farben der US-amerikanischen Flagge aufnimmt. Insofern muss man doch an „Uncle Sam“ denken, der mit ähnlichem Anruf und ähnlicher Geste Mitglieder für die Armee rekrutiert. Es ist nicht der einzige Vergleich, der sich an diesem Abend aufdrängt.

Freitag machen 30 Seconds to Mars in der Lanxess-Arena Station. Beim Nachholtermin für das Konzert, das im März, „aus logistischen Gründen“, verschoben werden musste. Nun beschließt es die Europatour. „Wir werden zwei Stunden alles geben“, hat Sänger Jared Leto (46) im Vorfeld versprochen. „Wir“, das sind außer ihm Bruder Shannon Leto (48), der Schlagzeug spielt. Gitarrist Tomislav „Tomo“ Milicevic ist, „aus persönlichen Gründen“ nicht mehr mit von der Partie. Weitere Musiker gibt es zwar, aber sie müssen im Graben untertauchen. Hinzu kommen zwei Kameramänner, die die ganze Zeit um die Brüder herumwuseln, um alles zu dokumentieren.

Viel Werbung für Instagram

Was die Letos hierbei geben, ist sehr viel. Und zugleich ist es sehr wenig. Es gibt Stücke vom neuen Album „America“, auch alte Hits wie „The Kill (Bury Me)“ oder „Closer to the Edge“. Eine Bühnenkonstruktion, die an ein Fertighaus erinnert, dessen Einzelteile sich beliebig heben, senken und verschieben lassen. Effekte wie Riesen-Luftballons in Farben von Perlen, den fast obligatorischen Konfettiregen aus Kanonen. Und immer wieder Werbung für Instagram. 18 000 Fans liken das.

Minutenlang wird es komplett dunkel, die Sicht ist häufig stark eingeschränkt. Dann senkt sich Schatten auf die Mars-Brothers hernieder, sie werden von den Fertigbauteilen verdeckt oder sie verschwinden im Ballongetümmel. Eine höher gebaute Bühne wäre schön gewesen, auch breitere Großbildleinwände hätten geholfen. Die Akustik ist brachial, wer nicht mit den Texten vertraut ist, könnte Schwierigkeiten haben. Wobei das vermutlich nicht auf viele der Anwesenden zutrifft. Es handelt sich um eine eingeschworene Fangemeinde. Mit eigenen Symbolen, eigener Sprache. Und einem eigenen Messias.

18 000 Fans erleben so etwas wie Jesu Wiedergeburt. Dafür bräuchte es nicht erst dieses selbst gebastelte Plakat, das links den „30STM“-Frontmann und rechts Gottes Sohn zeigt, gekrönt von der Überschrift: „See no Difference“ (Ich sehe keinen Unterschied). Die Haartracht, der Bart und der wallende Überwurf, die segnenden Gesten, das Auserwählen von Jüngern und das Sich-huldigen-Lassen – all das ist im ersten Teil des Abends vor den Zugaben allzu offensichtlich. Auch wenn Jesus weder Sonnenbrille trug noch Selfis mit herausgestreckter Zunge machte oder einen Bruder hatte, den er im endlosen Tanz umrundete. So als sei die Bühne ein Boxring. Und der Bruder in der silbernen Jacke in Wahrheit ein goldenes Kalb.

Jünger geraten zur bloßen Staffage

Wenn Leto – der nicht nur Sänger, sondern auch Schauspieler ist und als solcher sogar mit einem Oscar prämiert – zu den Zugaben wieder auftaucht, im oben beschriebenen Pyramiden-Shirt, wenn er wieder neue Fans um sich versammelt, hat man immer noch nicht das Gefühl, tatsächlich zu ihm durchzudringen. Die Jünger geraten von Anfang an zur bloßen Staffage. So wie Sina, die sich auf der Bühne ein Stück für ihren Verlobten Jan wünschen darf. Noch ehe „Dangerous Night“ zu Ende ist, werden die beiden wieder ab-eskortiert. Nett geht anders.

Stattdessen wirkt das wie ein einziger, großer Drehtermin für die Social Media. Wie will ich rüberkommen? Was steht mir gut? Das ist dann der Punkt, an dem man denkt, dass das, bei all dem Bombast, doch nur sehr wenig ist.

Am 1. Juni treten 30 Seconds to Mars bei „Rock am Ring“ auf.

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