Kölner Musikfilmfestival See The SoundMitreißende Dokus zeigen Kampf gegen die Regeln

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Drei Künstler, drei Karrieren, viele Gemeinsamkeiten: Aurora.

Drei Künstler, drei Karrieren, viele Gemeinsamkeiten: Aurora.

  • Auf dem „See The Sound“ zeigen das Turistarama und das Filmforum Dokus über die Leben dreier Ausnahmekönner.
  • Am kommenden Mittwoch beginnt das Musikfilmfestival.

Köln – „Was für ein schöner Mann!“ schießt es einem immer wieder durch den Kopf – dicht gefolgt von „Was für ein toller Sänger!“ und „Was für ein begnadetes Bühnentier!“ Doch die Dokumentation „Mystify“ (28.8., Filmforum) führt den Zuschauer unvermeidbar durch den Abgrund, an dessen Ende INXS-Frontmann Michael Hutchence sich das Leben nimmt.

Hutchence fand man im November 1997 in einem Hotelzimmer, er hatte sich stranguliert. Regisseur Richard Lowenstein lässt Kollegen und Freunden, Familienmitglieder und ehemaligen Lebensgefährtinnen das Bild eines letztlich überforderten Menschen zeichnen: Schwierige Kindheit, zu viel Ruhm, zu großer Popularitätsverlust gepaart mit den Folgen eines Unfalls: Bei einem Streit schlägt er in Kopenhagen auf eine Bordsteinkante – und verliert in Folge nicht nur die Fähigkeit zu schmecken und zu riechen, sondern verändert sich auch in seiner Persönlichkeit, wird sprunghaft, aggressiv, depressiv. Als er dann Teil des öffentlich ausgetragenen Rosenkrieges zwischen seiner neuen Freundin Paula Yates und deren Ex Bob Geldorf wird, scheint das die eine Geschichte zu viel zu sein...

Lowenstein ist akribisch zu Werke gegangen, rutscht nicht ins Pathetisch-Überhöhende ab – und beeindruckt mit der Heerschar an Gesprächspartnern, aus der Kylie Minogue heraussticht. So offen und bereitwillig wie sie über die Liebesbeziehung zu Hutchence und deren Scheitern spricht, zeigt das große Zuneigung zu ihm, die sie mit all den anderen, die sich äußern, offensichtlich teilt.

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Auch die Sängerinnen Kate Nash und Aurora machten schon als noch sehr junge Frauen mit den unangenehmen Seiten des Pop-Business Bekanntschaft – in „Underestimate The Girl“ und „Once Aurora“ erzählen sie ihre jeweiligen Geschichten (30. rsp. 31.8., Turistarama). Kate Nashs Weg ist fast typisch: Durchbruch mit dem ersten Album „Made of Bricks“ 2007, Zoff mit der Plattenfirma, Vertrag futsch, abgezockt vom Manager (er hatte seine Hochzeit mit ihrer Kreditkarte bezahlt). An einem Punkt ist die englische Sängerin so weit, dass sie in Second Hand-Shops ihre Bühnengarderobe verkauft und wieder bei ihrer Mutter einzieht.

Das Festival

„See The Sound“ ist das Filmfestival im Rahmen des Kongresses „Soundtrack_Cologne“ und findet vom 28.8. bis 1.9. statt. Die Filme werden an verschiedenen Orten gezeigt. Informationen zu allen Filmen unter www.soundtrackcologne.de. (EB)

Aber irgendwann bekommt sie die Kurve: Die nächste Platte wird per Crowdfunding finanziert, und eine Rolle in der Netflix-Serie „Glow“ sorgt für eine finanzielle Basis.

Regisseurin Amy Goldstein bleibt immer dicht an ihrer Protagonistin, begleitet sie durch Höhen und Tiefen. Ein Risiko für beide, da niemand wissen kann, wie die Geschichte letztlich ausgeht. Die Kamera und die dahinter werden zu Verbündeten der heute 32-Jährigen, die hier eine für das Business ungewöhnliche Offenheit zulässt – vielleicht auch, weil sie zeitweilig nichts mehr zu verlieren hat.

Das Filmporträt der heute 23-jährigen Norwegerin Aurora ist eine echte Lektion in Sachen Hartnäckigkeit, vielleicht sogar schon Halsstarrigkeit. Bewundernswert, wie sie gegen die Widerstände von Management und Produzenten – allesamt älter als sie und männlich – ihre musikalischen Visionen durchsetzt. Beeindruckend, dass sich alle Beteiligten bei diesen Scharmützeln filmen lassen. Aber letztlich müssen alle Aurora recht geben, deren von Björk, Tori Amos oder Enya beeinflussten musikalischen Kreationen faszinieren.

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