Kunsthaus RhenaniaAusstellung zum 85. Geburtstag des Künstlers Felix Kemner

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Seine 85 Jahre sieht man Felix Kemner nicht unbedingt an.

Seine 85 Jahre sieht man Felix Kemner nicht unbedingt an.

Köln – Grün und frisch geht’s im Kunsthaus Rhenania zu mit einem großen Feld aus frischem Moos auf dem Boden – im Gegensatz zu den etwas abgeblassten Fluxuszeugnissen des Künstlers Felix Kemner. Fast hätte man den schmalen, jung wirkenden Mann mit seinen langen schwarzen Haaren in der Ausstellung „Sauerstoffhemisphäre Cosmoos“ selbst gefragt, wo denn der Künstler zu finden sei, der hier seinen 85. Geburtstag feiern soll.

Doch dann wird es klar, als der Jubilar sein großes Tagebuch aufblättert und zu erzählen beginnt. Über so vieles. Seine Gedichte und Wortspiele („Cosmoos“– sein Buch „Moos-es“) und die Tatsache, dass er durchaus auch einen Malerpinsel in die Hand genommen hatte, auch wenn er seine Farben aus Blütenblättern selbst herstellte. Weiter über seine Kontakte nach Paris, die der frankophile Künstler (mit Dolmetscherdiplom) am Zigarettenautomaten in Köln beginnen und die mit Einladungen an die Seine weitergehen. Was macht er in der Metropole? Er fotografiert die wie Putzlappen eingerollten Teppichfetzen, die die Pariser vor ihre Gullys legen, wenn sie den Wasserzufluss umleiten wollen.

Das passt zu den philosophisch liebevoll ausgewalkten Worten des fluxusgetauchten, drei Jahre jüngeren Laudators Bazon Brock, der die performative Fluxuskunst als säkulare Ablösung von Weihrauch und Liturgie versteht und von der Zeit erzählt, als die Kunst auf die Straße kommen sollte.

Der 1933 in Bad Godesberg geborene Felix Kemner, der von der Kuratorin Christel Schüppenhauer auch als „Pionier der Umweltkunst“ bezeichnet wurde, blätterte in seinem „Cykles“ überschriebenen Tagebuch weiter zurück bis zu seinem einstigen Streit über die Reichstagskuppel 1969. Dazu lässt er in seiner sanften, zurückhaltenden Weise einfließen, dass er doch als erster eine transparente Reichstagskuppel entworfen habe, allerdings mit Moos gefüllt, wie auf einer Fotomontage zu sehen.

Durchsetzungskraft der Natur

Ach ja, das Moos. Es ist heute wie damals als ein mit Füßen getretener Lebensspender zu sehen. In der Ausstellung erfreut es die Rhenania–Besucher ganz konkret und topaktuell in unmittelbarer Nähe der feinstaub- und stickoxidgefüllten Kölner Straßen. Im übertragenen Sinn kann es immer noch als sauerstoffbelebend für einige unter einer Glasglocke tätigen Politiker und Politikerinnen gesehen werden.

Ohne Zweifel, dieser Verweis auf die anspruchslose, im Stadtbild völlig übersehene gesegnete Durchsetzungskraft der Natur zeigt frappierende Modernität. Auch wenn die alten wackligen V8–Filme der einstigen Aktionen nur noch die letzten 68er begeistern können, die einst für die Turbulenzen in den Städten am Rhein gesorgt haben und, soweit die Kraft noch reichte, zahlreich zur Eröffnung gekommen waren.

Man sollte einen Multi-Media-Generalisten wie Felix Kemner, dessen Oeuvre von der konkreten Poesie über Performances und sanft, aber hartnäckig gestartete Provokationen bis zu Fotografie und Film reicht, nicht in Schubladen einordnen – nicht als Fluxuskünstler und nicht als Konzeptkünstler, meint Christel Schüppenhauer. Und doch gehört er zu dieser Szene – genauso wie er Repräsentant einer Arte povera ist, einer Kunst mit „armseligen“ Mitteln, wie das Moos in den Ritzen der Pflastersteine.

Bleibt nur die Frage, wie er auf das Moos gekommen ist. „Weil ich jeden Tag im Königsforst spazieren ging.“ Vielleicht ist das ja auch das Rezept seiner 85-jährigen Frische...

Bis 6.9., geöffnet Fr bis So 16–20 Uhr, Bayenstr.28. Edition „Moosgewand“, Auflage 50, handsigniert und nummeriert, Sonderpreis 190 Euro, zu bestellen über kontakt@kunsthaus-rhenania.de

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