Max Giesinger im Interview„Ich hatte drei, vier Jahre lang den totalen Durchhänger“

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Das Publikum liebt ihn: Max Giesinger in der Live Music Hall in Köln.

Nach seinem Absturz in die Bedeutungslosigkeit und dem folgenden Aufstieg in den Charthimmel, ist Max Giesinger ab Sonntag, 11. Februar, (20.15 Uhr, Sat.1) als Coach in der Musikshow "The Voice Kids" zu sehen. Wie er auf die Rückschläge seiner Karriere blickt und was er von Jan Böhmermanns Kritik an der Popindustrie hält, verrät Max Giesinger im Gespräch mit Maximilian Haase.

Herr Giesinger, Sie sind Coach von "The Voice Kids". 2011 standen Sie bei den Großen als Talent auf der Bühne. Kommen da Erinnerungen hoch?

Ein bisschen schon, wenn man hier so durch die Korridore läuft und sieht, dass viele Mitarbeiter noch die gleichen sind. Wir haben uns damals sehr gut verstanden. Aber es ist ein Stück weit entspannter.

Macht Sie die neue Rolle also nicht nervös?

Ich habe Respekt, hier sitzen schließlich die größten Stars des Landes. Aber in erster Linie fühle ich mich geehrt, dass ich diese Erfahrung machen darf.

Jetzt sitzen Sie neben Nena, die bei Ihrem damaligen Auftritt schon Coach war. Wie fühlt sich das an?

Nena hat sich damals für mich umgedreht! Auch für sie ist es ein Novum, neben einem Ex-Talent zu sitzen. Mir gab es zusätzliche Sicherheit, dass ich Nena und Mark Forster kannte.

Ihr Zwischenfazit nach den ersten Aufzeichnungen?

Eine geile Erfahrungen! Ich bin entspannter im Umgang mit Kameras geworden. Wenn es um Fernsehen ging, war ich früher immer aufgeregt. Und ich bekomme hier ein Gefühl für junge Talente. Ich bin fast 30 und hatte in den letzten Jahren nicht mehr viel mit richtig jungen Menschen zu tun.

Was halten Sie von den Kids?

Mit 12, 13 wollte ich wie Freddie Mercury klingen, bis ich merkte: Du bist nicht Mercury und hast auch nicht dessen Stimme. Mich beeindruckt es, wenn die Kids in diesem Alter schon ihre Stimme gefunden haben und mit welchem Selbstbewusstsein manche da auf der Bühne stehen. Die könnten genauso gut bei "The Voice" mitmachen und dort ins Finale kommen. Das Gefälle ist gar nicht so groß.

Woran könnte das liegen?

Vielleicht an den YouTube-Tutorials, die man sich reinziehen kann. Oder weil sie mit den richtigen Leuten im Austausch stehen.

Welche Rolle spielen die Eltern und deren Ehrgeiz?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Kids aus einem musikalischen Elternhaus, wo es dazugehört, ein Instrument zu spielen und zu singen. Andere können zufällig gut singen, so war das bei mir auch. Dann gibt es die Eltern, die total motiviert sind. Aber dass ein Kind jetzt keinen Bock drauf hätte, habe ich nicht erlebt.

Wie ging es bei Ihnen mit der Musik los?

Ich hatte Gitarrenunterricht in einer Gruppe. Es gab einmal im Jahr ein Konzert, das fand ich besonders toll. Meine ersten Songs, die ich auf MySpace hochgeladen habe, hatten keinen richtigen Text, einfach nur Quatsch-Englisch. Meine Fans haben damals die Fantasietexte trotzdem mitgesungen. Das bekam dann mehr Tiefe; ich wurde als Solokünstler mehr gebucht. Da zeichnete sich dann ab, dass es für mich keinen anderen Weg als die Musik gibt.

Nach "The Voice" wurde es ruhig um Sie. Widerspricht das nicht der Intention dieser Show?

In der Historie der Musikshows gab es selten jemanden, der oben geblieben ist. Das liegt an einem selbst.

Was kann man tun?

Du musst aktiv werden, dir die richtigen Leute suchen, die dich managen, mit denen du Lieder schreiben kannst. Ich hatte immer ein paar Songs am Start und fand dann gute Leute. Und es war gut, dass es länger gedauert hat. Eine gesunde Karriere braucht Zeit. Wenn du 18 bist, von "The Voice" kommst und ein Album machen willst - worüber willst du denn darauf singen? Das nimmt dir keiner ab.

Braucht es Lebenserfahrung, um erfolgreich zu sein?

Ja, das Publikum braucht jemanden, mit dem man sich identifizieren kann. Jemanden, der gescheitert ist, so wie es auch bei mir war. Bei mir gab es drei, vier Jahre lang den totalen Durchhänger, nichts ist passiert.

Erschien Ihnen die Teilnahme an "The Voice" als Nachteil?

Es gab mir gegenüber viele Vorurteile: Max Giesinger war Teil einer "Castingshow", er kann doch kein ernstzunehmender Künstler sein. Daran hatte ich zu knabbern.

Wie sind Sie rausgekommen?

Ich sagte mir: Ich muss die Leute vom Gegenteil überzeugen. Und irgendwann hat sich die Sache gedreht, es kamen mehr Leute zu den Konzerten, meine Songs liefen im Radio.

In den letzten beiden Jahren haben Sie einen Riesenaufstieg hingelegt - und gerieten plötzlich in den Mittelpunkt vonJan Böhmermanns Kritik an der deutschen Popmusik. Sie und andere Sänger würden "Gefühle abklappern, Trost spenden, Tiefe vorgaukeln, Millionen erreichen und verdienen". Hat Sie das getroffen?

Nö. Das war eigentlich kein großes Ding für mich. Wenn man bekannt ist, polarisiert man auch oft. Für mich war das ein Zeichen dafür, dass ich wirklich oben angekommen bin: Böhmermann stellt mich immerhin als die Galionsfigur des deutschen Pop hin. Seine Aktion war durchaus gut gemacht, aber nicht hundertprozentig recherchiert.

Was war nicht recherchiert?

Ich hatte ja fünf, sechs Jahre gekämpft, bis irgendetwas passiert ist. Die erste Platte habe ich mit Hilfe meiner Fans aufgenommen, ich bin also alles andere als eine Marionette von Plattenfirmen. Die großen Labels kamen erst hinzu, als die Platte bereits aufgenommen und fast fertig war.

Was schließen Sie daraus?

Es ist schon bemerkenswert, wie wenig manche Leute recherchieren. Irgendwer sagt etwas über einen Popsänger und löst damit einen Riesen-Shitstorm aus. Aber kaum jemand setzt sich damit auseinander, was wirklich war.

Zur Person: Geboren am 3. Oktober 1988 in Waldbronn bei Karlsruhe. Er spielt in diversen Schulbands und als Straßenmusiker. 2011 ist er Kandidat in der ersten Staffel von "The Voice of Germany" und erreicht den vierten Platz. Sein erstes Album "Laufen lernen" finanziert er über eine Crowdfunding-Kampagne. 2016 erscheint das zweite Album "Der Junge, der rennt" mit dem Hit "80 Millionen".

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