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MusicalStar-Produzent bringt Welterfolg „Miss Saigon“ nach Köln

Lesezeit 4 Minuten
Ein Ausstattungsorgie: 16 Sattelschlepper bringen für „Miss Saigon“ Bühnenelemente, Requisiten und Kostüme nach Köln.

Ein Ausstattungsorgie: 16 Sattelschlepper bringen für „Miss Saigon“ Bühnenelemente, Requisiten und Kostüme nach Köln.

Köln – Cameron Mackintosh – das ist das Synonym für weltweite Musicalerfolge: Er hob als Produzent von „Cats“, „Les Miserables“, „Das Phantom der Oper“ oder auch „Miss Saigon“ aus der Taufe, das vom 22. Januar bis 3. März im Musical Dome zu sehen sein wird. „Es ist das erste Mal, dass ich ein Musical nach Köln bringe“, erzählt der 72-Jährige im Rundschau-Gespräch. Denn der Backstage-Bereich des blauen Zelts sei einfach nicht ausreichend für viele seiner sonstigen Stücke. Dennoch frage er sich, „wie wir das in drei Tagen aufgebaut bekommen“.

Liebe im Krieg

„Miss Saigon“ erzählt eine ähnliche Geschichte wie die Oper „Madama Butterfly“, die Handlung spielt statt im Japan des frühen 20. Jahrhunderts während des Vietnam-Krieges: Der amerikanische Soldat Chris und die Vietnamesin Kim verlieben sich, werden aber durch die Kriegswirren getrennt. Ein paar Jahre später kehrt Chris, der inzwischen in den USA geheiratet hat, zurück – um zu erfahren, dass er mit Kim einen Sohn hat. Als sie aber erkennt, dass man nicht gemeinsam in die Staaten reisen wird, wählt Kim den Freitod, so dass Chris sich um sein Kind kümmern muss.

Ein Leben für die Show

Seine Liebe zum Theater begann mit acht Jahren, als Cameron Mackintosh  „Salad Days“ sah. Als Teenager wurde er Bühnenarbeiter im Londoner Theatre Royal. Als Produzent fing er mit kleinen Tourneen an, in den 70ern verhalf er unter anderem „My Fair Lady“ zu neuem Erfolg.

Der Durchbruch kam 1981 mit „Cats“, es folgten die Blockbuster „Les Miserables“; „Miss Saigon“ und „Phantom der Oper“, aber auch Flops wie „Martin Guerre“ . Zu seinen neuesten Hits gehören die Londoner Produktion von „Hamilton“ („Ich habe gehört, dass das nach Deutschland kommen soll!“) und „Mary Poppins“, das er auch nach Stuttgart und Hamburg brachte.

Generell macht er auf dem deutschen Markt ein Problem aus: „Nicht jedes Stück muss jahrelang laufen – aber in Deutschland sind Shows oft länger zu sehen gewesen, als es Publikum dafür gab, mit einer Auslastung von nur 50 bis 60 Prozent.“ (HLL)

„Traurigerweise passt diese Geschichte noch mehr in unsere Zeit als bei der Premiere 1989“, findet Mackintosh. „Erst letzte Woche habe ich in einer Zeitung ein Foto aus Venezuela gesehen, das eine Mutter zeigt, die ihr Kind weggibt, weil sie nicht für es sorgen kann! Und überall auf der Welt gibt es Kriege, die Unschuldige auseinanderreißen.“ Im Gegensatz zu Vietnam „sind wir heute alle in diese Konflikte weltweit involviert, egal, in welchem Land wir leben“.

Bekannte Namen wird man auf der Besetzungsliste der aktuellen Tour vergeblich suchen. „,Miss Saigon’ gehört wie auch ,Les Mis’ oder ,Phantom’ zu den Shows, die selber zu Stars geworden sind. Man braucht nur Star-Qualität, was die Performance angeht“, so seine Meinung. „Und ,Miss Saigon’ hat Stars gemacht: Jonathan Pryce, der als erster den ,Chef im Ring’ spielte, war vorher zwar als Shakespeare-Darsteller in London bekannt und anerkannt, ein Filmstar wurde er erst anschließend!“

Und auch Darstellern asiatischer Herkunft habe das Stück die Türen der Bühneneingänge geöffnet: „Es ist das kommerziell erfolgreichste Musical mit asiatischen Darstellern“ – und wenn es heute mehr Shows für sie gebe, seien sie doch alle quasi durch die „Miss Saigon“-Schule gegangen.

Geschrieben wurde das Musikdrama von Claude-Michel Schönberg and Alain Boublil, deren „Les Miserables“ Mackintosh auf die Sprünge geholfen hatte: „Die französische Version war 14 Wochen lang in Paris gelaufen, und die beiden dachten, sie würde nie wieder aufgeführt. Drei Jahre später hörte ich zufälligerweise die Plattenaufnahme und war begeistert“, erinnert er sich.

Mackintosh kontaktierte Boublil und Schönberg, erklärte ihnen, dass man das Werk gründlich überarbeiten müsse, um einen großen Erfolg daraus zu machen. Angst davor, empfindsamen Künstlern auf die Füße zu treten, kennt er grundsätzlich nicht: „Das ist mein Job, schon mein Leben lang: Ich höre mir an, was sie gemacht haben , sage, das ist toll, and now we’re gonna fix it!“

Ein letztes Mal

Und so wurde ,Les Mis’ einer Radikalkur unterzogen, einige der wichtigsten Songs entstanden erst in dieser Phase. „Interessant ist aber, dass Boublil und Schönberg durch diesen Prozess das Handwerkszeug fürs Schreiben eines Musicals gelernt haben!“ Denn als Mackintosh fünf Monate nach der Londoner Premiere im Palace Theatre eine Musikcassette (!) mit dem ersten Akt von ,Miss Saigon’ bekam, war er vom Fleck weg begeistert. Und ist es bis heute – auch wenn für ihn klar ist: „Das ist das letzte Mal, dass ich die Show produziert habe, ich habe das dreimal, rund alle 15 Jahre gemacht – für eine weitere bin ich zu alt!“

Für eine Verfilmung liefen zwar die Verhandlungen, „aber wir haben die aktuelle Bühnenversion ja aufgenommen, sie zum 25-jährigen Jubiläum im Kino gezeigt und auf DVD herausgebracht. Und es sieht überhaupt nicht aus wie abgefilmtes Theater. Da ist die Frage, ob wir überhaupt noch einen Kinofilm brauchen...“

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