Neustart für NRW-Ausstellung in DüsseldorfViagra und Kokain im Kunstpalast

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boris becker

Der Fotokünstler Boris Becker zeigt unter anderem diese aus Kokain gebaute „Computerfestplatte“.

Düsseldorf – Wie sich die Zeiten ändern! Das Museum Kunstpalast heißt nur mehr Kunstpalast, die Große Kunstausstellung NRW Düsseldorf ist jetzt in eigenwilliger Rechtschreibung „Die Grosse“, und was der Volksmund einst die Winterausstellung nannte, findet neuerdings im Sommer statt und dauert zwei Wochen länger als bisher. Früher verstand sich dieses Kulturereignis als selbst organisierte Leistungsschau der Künstlerinnen und Künstler in und um Düsseldorf. Heute gilt es als Event: eine Einladung zum unterhaltsamen Schlendern vorbei an der jüngsten Produktion aus den Ateliers, mit gelegentlichen Blicken in den Rückspiegel.

Auch die jüngste Ausgabe der stets themenlosen Großen Düsseldorfer, um deren Aufnahme die Künstler sich jedes Mal aufs Neue bewerben müssen, kommt leicht daher. Von überwiegend großformatiger Malerei im ersten Saal flaniert man eine Etage höher zur Objektkunst und im dritten zur Fotografie und weiteren Skulpturen.

Dort oben trifft man auf den spaßigsten Teil der Ausstellung. Der Kölner Fotograf Boris Becker - ihm hat „Die Grosse“ diesmal den Kunstpreis der Künstler zuerkannt - zeigt seine Serie „Fakes“: großformatige Fotografien von Fälschungen und Beispielen der Produktpiraterie. Da tritt Luke Skywalker, die Figur aus „Star Wars“, den Betrachtern als riesiges Plastikmännchen entgegen - perfekt, aber widerrechtlich kopiert. „Viagra Fisherman's Friend“ ist eine Ansammlung blau gefärbter Pastillen, die sich als Viagra ausgeben, aber keinerlei entsprechende Wirkung zeitigen. Und dann gibt es da noch die von Becker mit der Kamera porträtierten Malereien, die mit kokainhaltiger Ölfarbe gepinselt sind. Die Droge lässt sich in der Farbe binden, aber auch anschließend zurückgewinnen. Dem Zoll ist der Schwindel allerdings aufgefallen. Der Förderpreisträger der Schau, Philipp Röcker, arbeitet fernab von allem Spektakulären. Er hat eine Installation aus mehreren kargen Einzelwerken aufgebaut: einer auf dem Boden liegenden Kette, einer schlichten Stele aus Holz und Aluminium namens „L'ombre“, der Schatten, dreier bronzener Holzkeile, einer an Ort und Stelle aus Ton gefertigten Skulptur und einer an die Wand gelehnten Holzlatte. Sein Thema ist die Leere, und wer ihm geistig folgt, wird hinter den drei Keilen mit dem Titel „Vor, hinter und jenseits des Wissens“ die Etappen des Schöpfungsprozesses erkennen.

Eine Verkaufsveranstaltung

Solche in sich gekehrte Kunst lässt leicht vergessen, dass „Die Grosse“ eine Verkaufsveranstaltung ist. Zu Preisen zwischen 380 Euro für ein Video und 48 000 Euro für eine aus 380 Einzelbildern bestehende Wandinstallation von Dirk Pleyer gibt es viel zu entdecken und zu erwerben. Eine Abteilung „Das kleine Format“ wendet sich an Preisbewusste, für Matthias Schallers farbige Inkjet-Drucke von Paletten berühmter Künstler muss man dagegen 26 000 Euro hinlegen. Beeindruckend, wie die Farben der Palette jeweils die Bilderwelten von Martin Kippenberger und Maria Lassnig spiegeln.

Martin Schepers beschwört auf einer 2,90 mal drei Meter messenden Leinwand „Geister einer Landschaft“: zwischen wilden farbigen Pinselstrichen schwarz-weiße Fotografien von strenger, abweisender Stadt- und Industriearchitektur und Gewächshäuschen. Von anderer Seite weist Mark Pepper in seinen hoch ästhetischen, schwarz auf weißen Grund gemalten Hornissen-Bildern auf die Gefährdung von Gesellschaft und Natur hin.

Walter Vogel lädt in der Fotografie-Abteilung zu einem Abstecher in die Vergangenheit ein: mit „Zwei Mädchen an Schubkarre“, einer rührenden schwarz-weißen Szene aus dem Düsseldorf des Jahres 1954. Ein drittes Mädchen sitzt in einer notdürftig zur Schubkarre umgebauten Kiste. Nebenan zeigt der Künstler- und Kunstfotograf Benjamin Katz eine Innenansicht des Pariser Museums Gustave Moreau: eine majestätische Wendeltreppe mit ornamentiertem Geländer zwischen übereinanderhängenden Bildern, die bis zur Decke reichen. Die schwarz-weiße Fotografie im Retro-Look stammt aus dem Jahr 2019.

Vor dem Museum, im Ehrenhof, liegen der sommerlich verfremdeten „Aurora“ von Arno Breker mehrere Skulpturen zu Füßen: Monika Nelles' betretbarer Hochsitz und manches mehr. So richtig allerdings passt das alles nicht zusammen, muss es vielleicht auch nicht. Hauptsache, die Außenmöblierung lockt die Leute ins Innenleben der Grossen und macht sie zu Sammlern, vielleicht sogar zu Kennern. Im vorigen Jahr kamen 14 000 Besucher. Öffnungszeiten

Bis zum 4. August ist die Ausstellung Dienstag bis Sonntag von elf bis 18, Donnerstag bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet acht Euro, ermäßigt fünf Euro. Kinder bis zwölf Jahre frei. Der Katalog kostet 20 Euro, eine Dokumentation „100 Jahre Große Kunstausstellung“ zehn Euro, beides zusammen 25 Euro. (EB)

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