TransLit der UniversitätPoetikdozent Marcel Beyer hält Antrittsvorlesung in Köln

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Marcel Beyer in Köln

Marcel Beyer in Köln

Köln – Eigentlich kann die Universität zu Köln stolz darauf sein, unter dem neuen Label TransLit eine längst überfällige Poetikdozentur eingerichtet zu haben. Aber so richtig trauen mochte sie ihrem neuen Baby nicht. Denn als Marcel Beyer - dessen Karriere einmal im Literaturatelier der Uni begonnen hatte - nun zur Antrittsvorlesung schreiten wollte, entpuppte sich der ausgewählte Senatssaal als viel zu klein. Der Ansturm der Zuhörer war so groß, dass sich glücklich schätzte, wer noch einen Platz auf dem Boden fand.

Mit sympathischem Understatement stellte sich Marcel Beyer als "Gedichteschreiber" und "Wörterprüfer" vor. Eine Profession, die ihm notgedrungen zur Obsession geworden ist. Man könnte auch sagen, dass ihn seine Sensibilität besonders empfindlich für die sprachlichen Entgleisungen des Alltags macht. Während einer Reise zwischen Braunschweig und Magdeburg fallen ihm zwei Gesäßhälften auf, die in einen Stoff mit dem Schriftzug "Total War Is Coming" gekleidet sind. Von Joseph Goebbels' Sportpalastrede wird der Träger der Hose wohl ebenso wenig gehört haben wie ein anderer, der mit der Aufschrift "Pro Violence" durch die Welt rennt. "Unkomplexität wird als Waffe eingesetzt", meint Marcel Beyer und sieht diese Waffe auch gegen das Gedichteschreiben gerichtet, das man gerne als "weltfremd" schmäht.

Solche Formen der "demonstrativen Verständnislosigkeit" gab es in Deutschland auch schon zu anderen Zeiten. Beyer beschreibt die hämische Ablehnung der Gedichtsammlung "Tod durch Musen" von Friederike Mayröcker durch den Kritiker Helmut Salzinger 1967 in der "Zeit". Und er geht noch weiter ins 19. Jahrhundert zu August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der den Text zur "Erkennungsmelodie der Deutschen Fußballnationalmannschaft schrieb". In den 40er Jahren wurde Hoffmann, der das Rotwelsch, die Sprache der Ganoven, dokumentiert hatte, von Polizeispitzeln gejagt, die den Dichter des Deutschlandlieds "zum Andreas Bader seiner Zeit" ausriefen.

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Beyer argumentiert so geschmeidig hinter seinen Beobachtungen des Alltags und den Erzählungen der Literaturhistorie, dass die Schärfe der Attacken dosiert zutage tritt. So beschreibt er etwa wie die selbsternannten Traditionsbewahrer Achim von Arnim und Clemens von Brentano in ihrer Textsammlung "Des Knaben Wunderhorn" die Vielfalt der Deutschen Sprache beschneiden. "Im Dienste der Allgemeinverständlichkeit wird man doch wohl noch etwas Gewalt anwenden dürfen", meint Marcel Beyer polemisierend.

Die Antrittsvorlesung gab so schon einmal einen Vorgeschmack auf das folgende Programm. Denn die Dozentur richtet ihre Aufmerksamkeit auf die mediale Adaption literarischer Texte.

Deshalb wird Marcel Beyer am 3. 11. mit der Comiczeichnerin Ulli Lust in Dialog treten, die seinen Roman "Flughunde" in eine Graphic Novel verwandelte. Am 10. 11. trifft Beyer auf den Komponisten Enno Poppe, mit dem er über das "Wunderbare" spricht, und am 17. 11. erörtert der Schriftsteller mit der Hörspielregisseurin Iris Drögekamp die Möglichkeiten akustischer Dramatik.

Informationen zum Programm von TransLit im Internet unter www.uni-koeln.de

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