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Verfolger im SchattenMelanie Raabes neuer Thriller spielt in Wien

Lesezeit 4 Minuten
So sonnig wie bei Melanie Raabes letzten Prater-Besuch ist es in ihrem neuen Buch nicht.

So sonnig wie bei Melanie Raabes letzten Prater-Besuch ist es in ihrem neuen Buch nicht.

Köln – „Ich habe gerade meinen Hollywood-Agenten in New York getroffen – oh Gott, das klingt jetzt total abgehoben!“ Und man glaubt Melanie Raabe unbesehen, dass sie mit dem ersten Satz nicht beeindrucken und mit dem zweiten nicht nach Komplimenten fischen will. Besagter Agent hatte die Filmrechte an ihrem ersten Buch „Die Falle“ verkauft (das Projekt stagniert) und bemüht sich gerade, Buch Nummer zwei, „Die Wahrheit“ unterzubringen. Währenddessen hat die Autorin Buch Nummer drei geschrieben – am Montag erscheint „Der Schatten“.

Darin prophezeit eine Obdachlose der Journalistin Norah Richter, dass diese einen Mann namens Arthur Grimm töten werde. Und nun versucht die junge Frau herauszufinden, warum es sein könnte, dass sie ihm ans Leben will. Die Möglichkeit dazu hätte sie, schließlich hat sie für eine Reportage über Waffennarren schießen gelernt...

Das Morbide als durchgehendes Motiv

Die Geschichte spielt in Wien, wohin Norah nach einer Trennung Hals über Kopf geflohen ist. „Bevor ich zum ersten Mal dort war, hatte ich den leisen Verdacht, dass der Roman gut dorthin passen würde.“ Als sie für eine Lesung dorthin kam, „war es Anfang November. Es war sehr kalt, alles wirkte sehr verschlossen auf mich. Und ich sah unheimlich oft Slogans an Häuserwänden, die mit dem Tod zu tun hatten“ – und die auch Raabes Heldin mehr als nur irritieren werden.

Das Düstere, das Morbide, das im Selbstbild der Wiener verankert ist, zieht sich durch das Buch. Der Leser weiß lange nicht, ob die Bedrohung, die Norah verspürt, real oder doch ihrem höchst ungesunden Lebenswandel (viel Alkohol, noch mehr Zigaretten, zu wenig Schlaf) geschuldet ist.

Das Rauschen der Klimaanlage

„Sie steckt voller Kontraste: Sie ist rational, schaut auf Fakten, und gleichzeitig hat sie ein gutes Gespür für andere Leute. Sie ist jemand, der sehr schnell merkt, dass etwas nicht stimmt.“ Vor allem in der neuen Stadt. „Bei mir ist das auch so, dass, wenn ich irgendwo bin, wo ich mich nicht auskenne, meine Sinne total geschärft sind! Und ohne esoterisch klingen zu wollen: Ich merke total oft, wenn mich jemand beobachtet.“

Dass sie angeschaut wird, liegt auch an ihrer Hautfarbe: „Ich bin ja meist die einzige schwarze Frau im Raum!“ Besonders falle ihr das auf, wenn sie wie jetzt aus New York wiederkomme, wo sie gar nicht auffalle: „Das ist wie das Grundrauschen einer Klimaanlage: Erst, nachdem man sie abgestellt hat, fällt auf, wie laut sie war!“ Und obwohl die Autorin für ihre Norah Richter einen Instagram-Account eingerichtet hat, lässt sie auch in der digitalen Welt Vorsicht walten: „Ich bin ja fast immer alleine unterwegs in fremden Städten und poste gerade dann oft. Aber ich mache das immer erst, wenn ich nicht mehr dort bin, so dass da niemand vorbeikommen kann.“

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Ein anderer Aspekt, mit dem sich Norah Richter herumschlagen muss, ist die Klage eines Performance-Künstlers, dessen brutalen Umgang mit Frauen sie in einem Artikel thematisiert hatte. Warum ein Performance-Künstler? „Ich habe letztes Jahr die Biographie von Marina Abramovic gelesen, was mich ein ganz kleines bisschen inspiriert hat.“ In der Folge habe es ihr Spaß gemacht, sich sehr viele Performances für ihren Wolfgang Balder (der an Hermann Nitsch und seine blutige Aktionskunst erinnert) auszudenken, von denen sie die meisten aber wieder aus dem Buch genommen habe. „Ich merkte, das ist jetzt nur mein Privatvergnügen!“ erzählt sie lachend.

Generell sickere immer wieder in die Bücher, „was mich gerade beschäftigt“. Deshalb sei ihr auch noch nicht in den Sinn gekommen, eines der vier Bücher, für die sie vor „Die Falle“ keinen Verlag fand, noch einmal anzubieten. „Ich würde immer eher versuchen, etwas Neues zu schreiben. Aber wer weiß, wenn mir irgendwann einmal nichts mehr einfällt...“

Doch die Idee für das nächste Buch ist im Kopf und auch schon beim Verlag abgenickt. Generell habe sie zwar immer schon zu Beginn das Grundgerüst und wisse, wie die Geschichte ende – aus der Angst heraus, 400 Seiten geschrieben zu haben, „und dann weiß ich nicht, wie soll ich das auflösen? Das ist mir zu gefährlich!“ Doch: „Die allerbesten Ideen kommen mir immer beim Schreiben.“ Vieles verwerfe sie sie wieder: „Gerade in der Spannung ist nicht die erste Idee die interessante – denn auf die erste Idee kommt der Leser auch!“

Melanie Raabe: Der Schatten. Thriller. btb, 416 S., 16 Euro. Lesung auf der Crime Cologne: 4.10., 20 Uhr, Sancta Clara-Keller, Am Römerturm 3, Karten bei KölnTicket, Tel. 0221/2801

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