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Behinderungen des Ungeborenen erkennenPränataldiagnostik ist nicht unumstritten

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Was will ich über mein ungeborenes Baby wissen? Die Pränataldiagnostik ist nicht unumstritten.

Was will ich über mein ungeborenes Baby wissen? Die Pränataldiagnostik ist nicht unumstritten.

Schon sehr früh in der Schwangerschaft geht es los mit den Entscheidungen, von denen die Frauen nicht wussten, dass sie sie jemals würde treffen müssen. „Wollen Sie das Extra-Ultraschallpaket dazu buchen“, fragt die Helferin beim Frauenarzt. „Es kostet 170 Euro.“ Was? Wieso? Wofür?

Behandlungen sind möglich

Das Down Syndrom steht im Fokus der Diskussionen. Dabei können andere Störungen im Mutterleib behandelt werden:

Offener Rücken ist nach Ansicht von Christoph Berg ein sehr stigmatisiertes Krankheitsbild. Die Kinder seien körperbehindert, oft auf den Rollstuhl angewiesen, aber nur selten geistig beeinträchtigt. Eine OP kann die Schwere der Krankheit abmildern.

Herzfehler: Wenige ausgewählte Herzfehler sind einer vorgeburtlichen Behandlung zugängig. Insbesondere Verengungen der Herzklappen können aufgedehnt werden.

Verengter Harnausgang, der Urin kann nicht richtig abfließen. Schon ab der 12. Woche kann ein Röhrchen in die Harnblase eingesetzt werden.

Ungleiche Versorgung eineiiger Zwillinge. Das passiert, wenn sie einen gemeinsamen Mutterkuchen teilen und kann behoben werden, indem per Laser die Gefäßverbindungen zwischen ihnen gekappt werden.

Zwerchfellhernie: Ein Teil des Darms und teilweise auch Milz oder Leber gelangen durch ein Loch im Zwerchfell in den Brustraum und stören die Entwicklung der Lunge. Ein Ballon, der für vier Wochen in die Luftröhre des Kindes eingeführt wird, hilft der Lunge, sich zu entfalten. (sro)

Die Krankenkassen zahlen während einer Schwangerschaft drei Standard-Ultraschalluntersuchungen. Wer sein Baby öfter sehen will, muss selbst dafür aufkommen. Schädlich ist das nicht, fragt sich nur, ob die Paketbuchung zu Beginn der Schwangerschaft wirklich sinnvoll ist. Vielleicht übernimmt die Hebamme einen Teil der Vorsorge,vielleicht werden Auffälligkeiten festgestellt und weitere Ultraschalluntersuchungen damit ohnehin notwendig.

Und das war erst der Anfang. Viel weitreichendere Fragen folgen. Heute muss jede Frau über die Pränataldiagnostik, also die möglichen Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten beim ungeborenen Kind, aufgeklärt werden. Das betrifft nicht mehr nur die über 35-Jährigen, die auf Grund ihres Alters ein höheres Risiko für Chromosomenstörungen wie das Down Syndrom (Trisomie 21) haben. Jede schwangere Frau hat ein Recht auf Wissen – und auf Nichtwissen. Es liegt ganz im Ermessen der werdenden Mutter, zu entscheiden: Was will ich wissen?

Würde ich abtreiben, wenn eine Trisomie festgestellt würde? Würde ich das Baby im Mutterleib operieren lassen, wenn ein offener Rücken diagnostiziert würde?

Will ich das alles wirklich wissen, oder nehme ich mein Baby, wie es kommt? Brauche ich all die Ultraschallbilder und Messwerte der modernen Vorsorgeuntersuchungen? Kann ich nicht einfach genießen, schwanger zu sein? Mit Gefühl. Mit Instinkt. Mit Urvertrauen in das Leben. Die Humangenetikerin Elisabeth Gödde aus Recklinghausen gibt zu bedenken: „Wir überwinden natürliche Grenzen und wundern uns dann, dass wir damit Schwierigkeiten haben – zum Beispiel, wenn wir plötzlich eine Entscheidung auf Leben und Tod treffen müssen.“ Die Natur hat nicht vorgesehen, dass wir uns unser Baby schon vor der Geburt immer wieder ansehen.

Andererseits: Kann ich die modernen Möglichkeiten einfach ignorieren? Was ist, wenn mein Baby eine Störung hat, die im Mutterleib behandelt werden könnte (siehe nebenstehender Kasten)? Gödde sagt auch: „Wir können die Entwicklung nicht zurückdrehen. Die Untersuchungen sind da. Und wenn mir klar ist, wonach ich suche, dann ist es ein Segen, dass sie so präzise Antworten geben.“

Es hilft auch, sich vor Augen zu führen: 9 von 10 Babys kommen gesund zur Welt. Im Normalfall reduziert sich der Sinn der Pränataldiagnostik also darauf, ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Welche Untersuchungen möglich sind– eine Übersicht:

Ersttrimester-Screening

Eine ausführliche Ultraschalluntersuchung in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche in einer Spezial-Praxis. Das Kind wird genauestens untersucht, die so genannte Nackenfalte wird gemessen und im mütterlichen Blut wird die Konzentration zweier Mutterkuchen-Hormone bestimmt. Kosten: Rund 200 Euro. Keine Kassenleistung. Das Ersttrimester-Screening wird häufig als Aussortier-Methode von Kindern mit Down Syndrom angesehen. Das ist allerdings nur bedingt richtig, da auch viele andere Störungen festgestellt werden können. Eine endgültige Diagnose Down Syndrom kann es am Ende nicht geben, es wird lediglich das Risiko auf eine Chromosomenstörung bestimmt. Jeder Mensch hat unter der Haut der Nackenfalte eine Flüssigkeitsansammlung, bei Kindern mit Down Syndrom ist diese etwas größer. Allerdings ist der Unterschied vor der 12. Woche noch nicht groß genug und verliert sich dann auch wieder nach der 14. Woche.

Die Bestimmung der Mutterkuchen-Hormone im mütterlichen Blut hat folgenden Hintergrund: Mit der Kombination aus Nackenfalten- und Blut-Untersuchung werden 97 Prozent der Kinder mit einer Chromosomenstörung gefunden. Allerdings kommt es auch in etwa fünf Prozent zu einem falsch-positiven Ergebnis.

Blutuntersuchung

Ab der 12. Woche können aus dem Blut der Mutter kindliche Chromosomen-Fragmente extrahiert und auf Abweichungen untersucht werden. Die Entdeckungsrate für das Down-Syndrom beträgt 99,7 Prozent, in 0,1 Prozent der Fälle kommt es zu einem falsch-positiven Ergebnis. Kosten: 200 bis 400 Euro. Keine Kassenleistung. Seriöse Ärzte führen diese Untersuchung nicht ohne ein vorheriges (auffälliges) Ersttrimester-Screening durch.

Zweittrimester-Screening

Untersuchung der Organe des Babys im Ultraschall, erfolgt zwischen der 19. und der 23. Woche. Kosten: Kassenleistung bei Überweisung durch den Frauenarzt wegen einer Risikoschwangerschaft oder eines auffälligen Vorbefundes, ansonsten 300 Euro.

Amniozentese

Durch die Fruchtwasseruntersuchung, der Entnahme von Fruchtwasser aus der Fruchtblase durch eine Punktion, kann ab der 16. Woche eine fast 100 Prozent zuverlässige Diagnose einer Chromosomen-Abweichung erfolgen. Kosten: Werden – anders als die für eine Blutuntersuchung – bei einem auffälligen Vorbefund oder einer Risikoschwangerschaft von den Kassen übernommen. Allerdings besteht das Risiko, eine Fehlgeburt auszulösen. Das ist dank modernerer Instrumente doch gesunken und liegt heute bei 0,1 bis 0,3 Prozent.

Chorionzottenbiopsie

Die Entnahme von Mutterkuchen-Gewebe durch eine Punktion ist bereits ab der 12. Woche möglich und daher heute oft die Methode der Wahl nach einem auffälligen Ersttrimester-Screening. Chromosomen-Störungen werden ebenfalls zu fast 100 Prozent zuverlässig diagnostiziert. Fehlgeburts-Risiko: 0,1 bis 0,3 Prozent. Kosten: Kassenleistung bei Risikoschwangerschaften und auffälligen Vorbefunden.

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