Ehemaliger „Zimmer frei“-ModeratorGötz Alsmann über seine junge Liebe zum Wein

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Plauderten über Wein und Musik: Götz Alsmann und Romana Echensperger

Plauderten über Wein und Musik: Götz Alsmann und Romana Echensperger

Im Gespräch mit Master of Wine Romana Echensperger spricht der Musiker und ehemalige „Zimmer frei“-Moderator Götz Alsmann über seine noch junge Liebe vor allem zu italienischem Wein, seine Heimatstadt Münster und darüber, warum der deutsche Schlager ein Imageproblem hat. Das Gespräch moderierten Joachim Frank und Maria Dohmen.

Herr Alsmann, Sie haben sich musikalisch an die Fersen der großen französischen Chansonniers geheftet, aber auch an italienische Sänger wie Domenico Modugno. Da drängt sich die „Weinbegleitung“ förmlich auf. Beginnen möchte ich aber mit einem Pastis – als Verbeugung vor Serge Gainsbourg, den Sie sehr verehren

GÖTZ ALSMANN Pastis, gute Idee! Mit Pastis eröffnen wir immer unsere Abende in der Auberge Bressane in Paris. Mein Produzent und Freund Régis Ceccarelli hat dort einen Stammtisch für Musiker gegründet. Ich hatte für meine letzten drei Alben viel in Paris zu tun und war dann eben sehr oft dort. Das Lokal ist sehr französisch, sehr volkstümlich. Spezialität der Bistrot-Küche ist das berühmte „Poulet de Bresse“ – Bresse-Huhn in einer Zitronensoße mit Morcheln.

Was trinkt man dazu?

ECHENSPERGER Ich würde einen Burgunder empfehlen.

ALSMANN Und ich folge immer dem, was Régis aussucht. Der ist ein Bonvivant, wie er im Buche steht. Besonders fasziniert haben mich in der Auberge Bressane übrigens die gewebten Servietten. Wie Tischdecken sehen die aus, richtig dick gewebt, altrosa, mit dem Wappen der Region Bresse. Am Ende habe ich gefragt, ob ich so eine kaufen könne. Der guckte etwas misstrauisch und verschwand. Als er zurückkam, sagte er: zwölf Euro.

Ein Schnäppchen.

ALSMANN Und ob. Voriges Jahr war ich wieder da und wollte eine zweite Serviette haben. Da hieß es: zehn Euro. Wahrscheinlich kriege ich in fünf Jahren noch zwei Euro raus.

ECHENSPERGER Unser Pastis stammt vom Château des Creissauds, einem Weingut vor den Toren von Marseille, das über 1000 Jahre alt ist. Ich finde, mit seinem raffinierten Kräutergeschmack ist er etwas Besonderes zum Einstieg. Traditionell wird der Pastis ja mit etwas Wasser verdünnt, um die ätherischen Öle besser zur Geltung zu bringen und den Alkoholgehalt zu reduzieren…

ALSMANN … das hat Gainsbourg bestimmt nicht gemacht. Sonst wären wir vielleicht nie in den Genuss seiner schönsten Aufnahmen und berühmtesten Ausfälle gekommen.

ECHENSPERGER Zum Beispiel den mit Whitney Houston?

ALSMANN In einer Talkshow 1986 sagt der schon ziemlich abgewrackte Gainsbourg, damals 48 Jahre alt, auf Englisch zum Moderator: „I want to fuck her.“ Whitney Houston fragt nach: „Was haben Sie gesagt?“ Der Moderator gerät ins Schwimmen, erzählt etwas von Blumen, die Gainsbourg ihr schenken wolle, worauf der – jetzt auf Französisch – sagt: „Ich sagte, ich will sie f…“

ECHENSPERGER Und Whitney Houston sagt: „Sind Sie sicher, dass Sie nicht betrunken sind? Sie müssen betrunken sein.“

Was ist für Sie das Besondere an Gainsbourg?

ALSMANN Wie er den Jazz und die lateinamerikanische Musik in das Chanson integriert hat. Gainsbourg war ein fantastischer Jazzpianist. Schon früh hat er Schlager an andere verkauft, und irgendwann fing er halt an, sie auch selber zu singen. Sehr ungelenkt. Deshalb hat er dann bei seinen Plattenaufnahmen grundsätzlich immer den ersten Take genommen, selbst wenn der noch so schrecklich war: „Ich singe das jetzt einmal, und das war’s.“

ECHENSPERGER Vielleicht macht dieses Unperfekte ihn besonders charmant.

ALSMANN Als Produzent hat er es mit seinen Künstlern auch so gehandhabt. „Ich gebe euch maximal drei Takes, mehr nicht.“

Wäre es nicht konsequent, nur auf Live-Mitschnitte zu setzen?

ALSMANN Ich glaube, Gainsbourg war einer dieser Frickler, die sich live eher unwohl fühlen. Ich bin genau das Gegenteil. Ich will raus. Spielen, spielen, spielen! Vor Publikum! Mit Applaus! Ja!

Teilen Sie die Aversion vieler Musiker gegen die Live-Konserve, die jeden winzigen Fehler für die Ewigkeit festhält?

ALSMANN Hören Sie sich mal Aufnahmen aus den 60er Jahren an. Wie viele Fehler da drin sind, selbst bei den Größten der Großen – Miles Davis, Elvis Presley, bei den Beatles auch! In meiner Lieblingsnummer der Beatles, „Do you want to know a secret?“ – für das Mini-Solo, das George Harrison da am Anfang spielt, hätten ihm die anderen drei eigentlich ein Strafmandat aufbrummen müssen. Dabei war der Mann ja ein wunderbarer Musiker. Aber das Große an den wirklichen Stars ist, dass sie über so was wegsehen können – wegen des Gesamteindrucks.

ECHENSPERGER Der Weißwein, den ich mitgebracht habe, ist meine persönliche Hommage an einen anderen großen Chansonnier, Charles Aznavour. Ich habe mal zufällig in einem Pariser Restaurant neben ihm gesessen und konnte ihm beim Austernessen und Weintrinken zugucken. Und der perfekte Wein zu Austern und anderen Meeresfrüchten ist – ein Muscadet.

ALSMANN Mal unter uns: In der Pariser Musikerszene gilt Aznavour als der bestgehasste Kollege überhaupt. Er soll unglaublich schwierig sein. Wollen Sie eine Anekdote hören?

Wenn Sie so fragen…

AlLSMANN Also, die Geschichte verdanke ich einem Freund, der Aznavours Arrangeur kennt. Aznavour schreibt seine Lieder heute nicht mehr am Klavier, sondern am Computer, der ihm auch gleich die Harmonien dazu serviert. Nun passierte folgendes: Zu einem neuen Song hatte der Computer irgendwelche Elends-Harmonien geliefert. Als Aznavour sie dem Arrangeur gibt, sagt der: „Die klingen aber komisch!“ – „Egal“, sagt Aznavour, „ich will sie so haben.“ Am nächsten Tag sollte die Aufnahme mit dem berühmten Pianisten und Orchesterleiter Michel Legrand stattfinden. Zwei Stars in einem Studio. Also schreibt der Arrangeur die Notensätze und liefert das Ganze am Morgen ab. Dann die Einspielung. Plötzlich bricht Legrand die Aufnahme ab und sagt zu Aznavour: „Was ist das denn? Das sind ja die scheußlichsten Harmonien, die ich je gehört habe!“ – Da zeigt Aznavour auf seinen Arrangeur und sagt: „Der war’s!“

Und wie hat er reagiert?

ALSMANN Hat seinen Kram gepackt und ist gegangen.

ECHENSPERGER Wie halten Sie es eigentlich auf Ihren Tourneen mit der Verpflegung? Gehen Sie mit Ihrer Crew essen?

ALSMANN Dazu ist nicht immer Gelegenheit.

Wo gehen Sie in Köln gerne hin?

ALSMANN Mein Kölner Leben ist ja nach vielen Jahrzehnten mit dem Ende von „Zimmer frei“ weitgehend zum Erliegen gekommen. Gern, aber viel zu selten, gehe ich ins „Grubers“.

ECHENSPERGER Die haben einen tollen Tafelspitz.

ALSMANN Ganz genau. Meine Mutter stammte aus dem Herrschaftsbereich der früheren K.-und-k.-Monarchie. Daher rührt wohl mein Faible für die österreichische Küche.

ECHENSPERGER Ihr Lebensmittelpunkt ist Münster. Haben Sie nie den Drang verspürt, in die große weite Welt zu gehen, nach Berlin oder so?

ALSMANN Berlin ist die große weite Welt? Also ehrlich ... Ich bin auf meinen Tourneen ja in vielen Städten zu Gast. Egal, wo ich hinkomme, ist es das Gleiche: In München sagen mir Münchener: „München? Ist doch Provinz!“ In Berlin: „Berlin? Kannst du vergessen!“ Hamburg, Köln – genauso. Überall machen die Leute regelmäßig die eigene Stadt madig. Nicht in Münster. Münster ist sich selbst genug. Und irgendwie leben wir hier auch auf einer Insel der Seligen: Das Gemeinwesen funktioniert, der Bürgersinn ist ausgeprägt, fast hanseatisch. Bei den Städten zwischen 200000 und 750000 Einwohnern ist Münster bei den LivCom-Awards vor gut einem Jahrzehnt auf Platz eins der lebenswertesten Städte weltweit gelandet.

ECHENSPERGER Wir wechseln den Wein – und das Land: Italien. Hier erst mal ein Chianti für jeden Tag

ALSMANN Rustikal, würde ich sagen, wie die Korbflasche. Da habe ich schon ruppigere Sachen getrunken.

ECHENSPERGER Auch in Italien haben Sie sich um den Schlager und Schlagerstars wie Fred Buscaglione gekümmert.

ALSMANN Die großen Schlagerstars und Chansonniers – ob nun in Italien oder Frankreich – sind Heilige in ihren Ländern. Bei uns dagegen hat es selbst ein Udo Jürgens nicht mal bis zur Seligsprechung geschafft. Wir haben in Deutschland ein völlig gebrochenes Verhältnis zu unseren muttersprachlichen Unterhaltungskünstlern. Der deutsche Schlager hat sich selbst entmannt.

Was meinen Sie damit?

ALSMANN Bis in die 1950er Jahre waren viele der Texte geistreich, witzig, erotisch, anzüglich. Aber dann glaubten viele, den Schlager auf Teufel-komm-raus abgrenzen zu müssen. Bissige Texte galten fortan als „Kabarett“. Und bitte hübsch brave Musik! Also setzten sich neue Szenen ab. Udo Lindenberg wollte unbedingt lieber ein Rocker sein. Reinhard Mey wurde zum größten aller Liedermacher. Hätte man ihnen die Chance gegeben, als Erneuerer des Deutsche Schlagers anzutreten, wäre „Schlager“ niemals so ein Unwort geworden. So ist das ganze Genre mehr und mehr in die Trash-Ecke gerutscht. Musikalisch gesehen, ist der „Deutsche Schlager“ ein Begriff ohne jede Aussage, der immer unterschiedlich gefüllt wurde. Schlager bedeutet letztlich nur, „die jeweils aktuelle Musik in deutscher Sprache“.

Und heute steht dafür Helene Fischer…

ALSMANN … und die Toten Hosen – nach meiner Definition.

Macht Helene Fischer guten Schlager?

ALSMANN Wer weiß das schon? Objektive Qualitätskriterien anzulegen, ist eigentlich unmöglich. Früher habe ich mich dazu gelegentlich lautstark geäußert, heute lasse ich das komplett sein, nicht zuletzt weil ich selbst oft genug Gegenstand solcher Debatten war: Manche finden meine Musik ewig gestrig, andere halten sie für den frischen Wind, den wir brauchen.

ECHENSPERGER Ich habe einen zweiten Rotwein mitgebracht, einen „Old School“-Chianti aus großen Holzfässern.

ALSMANN Der ist aber toll! Das Highlight dieses Mittags, würde ich sagen – mit der Ruppigkeit, die mir vorhin gefehlt hat.

ECHENSPERGER Wie schön! Der „Riserva Bucerchiale“ kommt auch aus einem tollen Haus. Etwas abseits der großen Chianti-Pilgerwege machen sie dort einen Wein, der sich von den stromlinienförmigen, mit viel Merlot auf Trinkfähigkeit getrimmten Erzeugnissen deutlich unterscheidet.

ALSMANN In meiner Bühnenshow stelle ich immer die vier Musiker vor – mit ihren italienischen Lieblingsgerichten. Bei dreien sage ich, „Spaghetti aglio e olio“. Meinem Vibraphonisten unterstelle ich „irgendwas Italienisches, Hauptsache Fleisch“. Und dann komme ich zu meinem Tonmeister und sage: „Sein Lieblingsgericht: der gehaltvolle Rotwein.“

Und was ist Ihres?

ALSMANN Es wechselt ständig.

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