Hamburger Feuersturm35.000 Menschen starben bei schlimmsten Luftangriff vor 75 Jahren

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1946, Hamburg: Kinder spielen zwischen Trümmern und Hausruinen.

Hamburg – Die Sirenen heulen in der Nacht zum 28. Juli 1943. Im Keller ihres Wohnhauses in Hamburg-Hammerbrook suchen der 14 Jahre alte Günter Lucks und sein Bruder Hermann Schutz vor den Bomben der britischen Royal Air Force. Voller Angst starren sie an die bebende Decke. Kinder weinen, eine Frau schreit um Hilfe. Schließlich trifft eine Phosphorbombe das Haus.

Die Brüder stürmen nach oben, versuchen chancenlos gegen die Flammen anzukämpfen. Hermann will die in der Nähe wohnende Tante suchen. „Bleib hier“, bettelt Günter. Vergeblich.

album hamburg feuersturm

09.07.2018, Hamburg: Günter Lucks zeigt in einem Fotoalbum auf ein Foto seiner Familie, welches kurz vor dem Hamburger Feuersturm im Juli 1943 aufgenommen wurde.

„Mein Bruder lief weg und da kam dieser Feuerschwall, darin verschwand er“, erinnert sich der heute 89-Jährige. Hermann stirbt, wenige Tage vor seinem 16. Geburtstag, im Hamburger Feuersturm.

Hamburger Feuersturm war Teil der „Operation Gomorrha“

75 Jahre ist dieser schlimmste Luftangriff auf die Hansestadt her, doch Lucks kann sich noch immer an jedes Detail erinnern. „Das war eine Höllennacht“, sagt der Mann, während er eine Schwarz-Weiß-Fotografie seines Bruders in den Händen hält. Der Hamburger Feuersturm war Teil der „Operation Gomorrha“ - so lautete das Code-Wort der Alliierten für die Bombenangriffe auf die Hansestadt vom 24. Juli bis 3. August 1943. Ziel war es nach den Worten des damaligen britischen Premierministers Winston Churchill, die Moral der Deutschen zu brechen und so das Ende von Hitler-Deutschland zu beschleunigen.

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Hamburg: Nestor Kuckhoff, Zeitzeuge, in seiner Wohnung. Feuersturm wird der schlimmste Luftangriff auf Hamburg vor 75 Jahren genannt.

„Von den Opferzahlen her war es der schwerste Angriff während des Krieges auf eine deutsche Stadt“, sagt der Historiker Malte Thießen.

Es gab 35.000 Tote und 125.000 Verletzte. Die Hälfte des Wohnraums wurde zerstört, vor allem in den östlichen Stadtteilen.

„Kein Ereignis der Hamburger Stadtgeschichte ist für die Öffentlichkeit heute von solcher Bedeutung wie der Feuersturm“, sagt der Professor.

Brände verbanden sich zu riesigen Feuerherden

Wie kam es zu dem Phänomen Feuersturm? „Es war eine sehr heiße Woche, die Stadt war ausgetrocknet - das war wegen der Brandbomben fatal“, erklärt Thießen. Die Brände verbinden sich zu riesigen Feuerherden, saugen den Sauerstoff ein - Kaminwirkung entsteht. Orkanartige Stürme peitschen durch die Stadt. Bäume werden entwurzelt, Dächer von den Häusern gerissen. Menschen werden von dem entstehenden Sog in die Flammen hineingezogen. Viele ersticken in den Luftschutzkellern.

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1943, Hamburg: Der Stadtteil Eilbek kurz nach der Zerstörung im Juli 1943 mit der Schule in der Hasselbrookstraße zwischen den Trümmern.

In der Feuersturm-Nacht brennt auch das Wohnhaus der Familie Kuckhoff in Hamburg-Hamm lichterloh. Die verzweifelte Mutter will unbedingt ihre Nähmaschine retten - unmöglich. Ein Lastwagen hält, ein Soldat fordert die Umstehenden auf, schnell einzusteigen. Die Hitze ist gewaltig, auf der Fahrt vorbei an brennenden Häusern sieht der damals fünfjährige Nestor Kuckhoff Grausames: „Was mich als Kind jahrelang noch erschüttert hat: Auf der Straße lagen Menschen, die wälzten sich im Feuer, schrien um Hilfe“, sagt der heute 80 Jahre alte Priester. „Keiner konnte ihnen helfen, weil es kein Wasser gab.“

Kinder irrten durch das zerstörte Hamburg

Die „Operation Gomorrha“ hat tiefe Narben hinterlassen. „Die Bombenangriffe haben zum einen die äußere Gestalt der Stadt radikal verändert“, sagt der Historiker Dirk Brietzke. „Zugleich haben die Luftangriffe die Menschen, die das Grauen miterlebten, nachhaltig geprägt und zum Teil traumatisiert.“ Viele Hamburger irren an den Tagen danach durch die zerstörte Stadt - darunter zahlreiche Kinder, die von ihren Eltern getrennt wurden. „Vor allem im Osten finden die Menschen ihr Haus nicht mehr wieder, weil sie keine Straßen mehr zur Orientierung haben, weil alles platt ist“, sagt Thießen.

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1946, Hamburg: Ein kleiner Junge zwischen Trümmern und Hausruinen.

Auch Günter Lucks stolpert durch die Trümmer, dreht auf der Suche nach seinem Bruder immer wieder Leichen um. „Viele waren auf Kindergröße zusammengeschrumpft“, erinnert er sich. Die Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag bringen die schrecklichen Bilder des Feuersturms wieder hoch. Er habe mit den Jahren gelernt, das auszuhalten, sagt Lucks. „Die Zeit heilt auch die schrecklichsten Wunden.“ (dpa)

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