InterviewDieser Kölner Astronaut ist der nächste Deutsche im All

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Gestatten, Matthias Maurer. Am heutigen Dienstag wird der neue Astronaut offiziell graduiert.

Gestatten, Matthias Maurer. Am heutigen Dienstag wird der neue Astronaut offiziell graduiert.

Köln – 2022 sollen Menschen auf Mondreise gehen. Matthias Maurer bereitet die Mission  mit vor. Jutta-Eileen Radix hat darüber mit ihm gesprochen.

Herr Maurer, Sie wurden 2017 offiziell als Astronaut der Europäischen Raumfahrtagentur ESA vorgestellt, sind aber bereits seit 2010 hier in Köln am Europäischen Astronauten-Center EAC tätig. Wie kam es dazu?

Mit Alexander Gerst, Samantha Cristoforetti, der italienischen ESA-Astronautin und anderen war ich in der Auswahl 2008/2009 und dort unter den besten zehn Bewerbern. Damals war der Fortbestand der Internationalen Raumstation ISS jedoch nur bis 2015 gesichert – es gab also nur Flüge für sechs Europäer, nicht für zehn. Mir wurde angeboten, am EAC zu arbeiten, im Crewsupport und als Eurocom, – ergebnisoffen, ohne Garantie, dass ich Astronaut werde. Tja, und im Sommer 2015 habe ich mein Astronautentraining begonnen. Zugleich bin ich im Management am EAC zuständig für die Entwicklung des Astronautenzentrums, für Kooperationen mit neuen Partnern und für neue Ziele.

Aber Sie haben sogar schon in China trainiert, an Modellen der Tiangong-Raumstation.

Ja, Samantha Cristoforetti und ich waren die ersten europäischen Astronauten, die in China mittrainieren durften. Zwei Wochen waren wir dort und es war eine sehr gute Zeit.

Zur Person

Dr. Matthias Maurer wurde am 18. März 1970 in St. Wendel im Saarland geboren. Er ist verheiratet. Sein Studium der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik absolvierte er an der Universität des Saarlandes, der University of Leeds, Großbritannien, der European School for Materials Technology in Nancy, Frankreich und an der UCP Barcelona, Spanien. Er promovierte an der RWTH Aachen. Maurer ist für die Erfindung von mehr als zehn patentierten Anwendungen verantwortlich und bezeichnet Fremdsprachen zu lernen als Hobby, ebenso Reisen, Fotografie, Lesen, Politik und Sport.

Ähnlich wie seine europäischen Astronautenkollegen ist Maurer Wissenschaftler, aber auch Abenteurer. Er war fünf Monate als Rucksacktourist in Indien unterwegs und ging nach der Promotion für ein Jahr auf Weltreise. Im September 2014 nahm er an dem CAVES-Training der ESA teil, das in Höhlen stattfindet. 2016 war er bei der NASA-Unterwasser-Missionssimulation dabei, verbrachte 16 Tage unter Wasser, mit teils langen Außeneinsätzen, um Material und Experimente für die ISS zu testen und um künftige Missionen zum Mars vorzubereiten.

Seit 2010 ist er Wissenschaftler am EAC in Köln, unter anderem betreut er die Vorbereitung von Raumflügen und Raumerkundung über die ISS hinaus. Besonders gern arbeitet Maurer mit jungen Menschen. „Es macht mir viel Spaß, mit einem Team Neues zu entwickeln“, sagt er.

Seit Juli 2015 ist Dr. Matthias Maurer offizielles Mitglied des aktiven Europäischen Astronautenkorps in Köln und absolvierte seine Astronauten-Grundausbildung bis 2017.

Am Dienstag wird Maurer graduiert. ESA-Generaldirektor Jan Wörner und die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Pascale Ehrenfreund begrüßen den ausgebildeten Astronauten noch einmal feierlich im europäischen Korps. Ab jetzt ist er bereit für das missionsspezifische Training, das Maurer auf seinen ersten Raumflug vorbereiten wird. (jer)

Sie haben auch Chinesisch gelernt und überhaupt ein Faible für Sprachen, richtig?

Ja, ich mag es, mich verständigen zu können, ich lerne gerne neue Sprachen.

Welche sprechen Sie? Sie waren zu Studienzeiten viel unterwegs.

Natürlich Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch, Italienisch und Chinesisch – nicht alle perfekt, aber ich kann mich unterhalten.

Wann haben Sie begonnen, sich als Astronaut zu fühlen?

Man fühlt sich ein Stück mehr so, wenn man offiziell nominiert wird. Aber ich glaube, ich werde mich erst dann so richtig als Astronaut fühlen, wenn ich in der Kapsel sitze, schwerelos bin und auf die Erde zurückschauen kann, wie sie kleiner wird.

Sie sind nicht nur Astronaut, sondern auch ein renommierter Wissenschaftler, preisgekrönt und überdies sind aus Ihren Forschungen mehrere Patente hervorgegangen. Welche Vorteile bringt das für Sie für Ihre Mission?

Das stimmt, ich habe drei Ingenieursdiplome und eine Doktorarbeit geschrieben. Mein Schwerpunkt ist die Werkstoffforschung – und 70 bis 75 Prozent aller technischen Innovationen beinhalten verbesserte Werkstoffe. Fast immer geht es bei den Experimenten auf der Raumstation auch um Werkstoffe, deren Eigenschaften Wissenschaftler in der Schwerelosigkeit erforschen wollen. Viele Experimente sind auf der ISS einfacher und genauer machbar als auf der Erde, wie beispielsweise das Messen der Spannung an Flüssigkeitsober-flächen. Und da ich ausgebildeter Rettungssanitäter bin, sind mir auch Medizinthemen vertraut.

Was genau zeichnet denn Werkstoffwissenschaftler aus?

Als Werkstoffwissenschaftler ist man sowohl mit Chemie als auch mit Physik vertraut, außerdem Ingenieur – ganz klar ein Vorteil für einen Astronauten. Yuri Gagarin, der erste Mensch im All, war Stahlkocher! Auch auf der ISS ist es ganz nützlich, wenn man solche Dinge kann – manchmal muss man dort einfach mal Klempner sein.

Neben Ihren Pflichten als ESA-Astronaut sind Sie aber auch mitten im Thema Mondflug und Mondbesiedlung hier am EAC.

Ja, da sind wir mitten in der Planung, und wir stecken viel Energie in die Vorbereitung von Flügen zum Mond oder einer Basis auf der Mondoberfläche. Hier am EAC bauen wir eine virtuelle Mondstation auf, in einer Halle, in der wir den Innenbereich des Mondhauses ebenso simulieren wie das Außen. Mit den Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, etwa 20 bis 30 Studenten und internationalen Trainees arbeiten wir daran, wie man auf dem Mond Baumaterial herstellen könnte. Und es gibt sehr vieles zu bedenken, beispielsweise wird man auf dem Mond vermutlich deutlich höhere Räume brauchen – die Schwerkraft dort beträgt nur ein Sechstel der irdischen. Also wird man auch bei jedem Schritt deutlich weiter nach oben schweben oder hüpfen.

Und wie sieht es mit Ihrem Mondprojekt aus, wenn Sie ins Missionsspezifische Training für einen Flug zur ISS gehen? Dann sind Sie ja 18 Monate lang sehr eingespannt.

Das stimmt, aber wir arbeiten hier am EAC sehr eng zusammen. Als ich mit meinem Training begann, hatte beispielsweise Samantha Cristoforetti nahtlos übernommen. Und ich kann immer noch Dinge kritisch hinterfragen, Impulse geben, dazu muss ich nicht immer hier vor Ort sein. Die Zeit läuft – für 2020 ist der Flug einer unbemannten Rakete zum Mond geplant, und etwa 2022 sollen dann auch wieder Menschen diese Reise unternehmen. Also muss die Art und Weise der zukünftigen Mondexploration – eventuell in Kombination mit einer Station – zunächst einmal definiert werden. Und dann natürlich auch finanziert.

Wann werden Sie denn zur ISS fliegen – und wissen Sie schon wie?

Wann das sein wird, kann ich nicht sagen. Natürlich zählen Vorleistungen und Kenntnisse für die Entscheidung über einen Flug, aber niemand weiß es sicher. Es muss halt auch ein Platz reserviert sein für einen Europäer in der Raumkapsel, und da das nach einem Verteilerschlüssel gehandhabt wird, ist das natürlich nicht bei jedem bemannten Flug zur ISS der Fall.

Für mich wird es wohl entweder ein Flug mit Space X oder mit Boeing werden, da wir Europäer ab 2020 mit den neuen kommerziellen Kapseln der Nasa statt mit der russischen Sojus fliegen werden. Natürlich würde ich mich freuen, mit einer Sojus-Kapsel zu fliegen, die sehr sicher ist, und natürlich auch, weil Baikonur, von wo aus die russischen Raketen starten, ein ganz besonderer Ort ist. Andererseits sind die US-amerikanischen Kapseln ganz neu, und das Training für einen Start mit ihr konnte verkürzt werden. Statt zwei Jahren wie bei der Sojus sind es eventuell nur eineinhalb Jahre.

Es hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren bei der Nutzung der ISS.

Ja, die ISS ist sehr zugänglich geworden für Forscher, hat Module, die es Studenten beispielsweise erlauben, ihre Doktorarbeit zu schreiben über Forschung in Schwerelosigkeit. Dabei werden die Experimente vom Boden aus gesteuert – vor ein paar Jahren wäre beispielsweise die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA bei so etwas noch zu nervös geworden. Heute ist die ISS enorm gut mit Wissenschaftlern am Boden vernetzt, und das soll auch noch ausgebaut werden.

Ich möchte noch einmal auf Ihre Astronautenausbildung zurückkommen, die Sie ja auf den Aufenthalt auf der ISS vorbereitet. Wie haben Sie das Grundlagentraining erlebt, und was war am härtesten?

Das Training war toll, weil man unglaublich viel gelernt hat und mit so vielen verschiedenen Menschen auf unterschiedlichen Kontinenten zusammentrifft. Besonders hart ist beispielsweise das EVA-Training, also Übungseinheiten für einen Einsatz im freien Weltraum, außerhalb der ISS. Das ist knüppelharte Arbeit, wirklich. Der Anzug ist schwer, im Tauchbecken, das ja die Schwerelosigkeit simuliert, ist jede Bewegung schwierig auszuführen, und man muss ebenso wie in realer Schwerelosigkeit genau überlegen, welchen Handgriff man wie ausführt. Das Training im Tauchbecken ist schon realistisch.

Es gibt zudem auch Situationen, in denen das Tauchen die Schwerelosigkeit nicht widerspiegelt, beispielsweise, wenn bei gewissen Bewegungsabläufen der Wasserwiderstand zu überwinden ist. Da ist man dann heilfroh, dass ein Taucher dabei ist, der in solchen Situationen helfend eingreifen kann.

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