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Interview mit einem ParfümeurSo entstehen Düfte für Kaufhäuser und Hotels

Lesezeit 7 Minuten
Parfümeur

"Es gibt so gut wie keine billigen Düfte, die gut sind", sagt der Berliner Parfümeur Geza Schön.

Wonach riecht es hier eigentlich, Herr Schön; nach Wald?

Gute Frage, ich würde sagen, es handelt sich um ein Gesamtgemisch. Ich arbeite hier, ich wohne hier, abends wird gekocht, im Winter ist der Kamin an. Gerade scheint die Sonne aufs Parkett, dann erwärmt sich das Holz, dann verflüchtigen sich die ätherischen Öle. Also ist der Eindruck Holz vielleicht gar nicht verkehrt.

Aber die nadelige, frische Komponente?

Das muss dann wohl Parfüm sein. Da hinten ist mein Labor, wenn die Tür aufgeht, zieht eine fette Schwade raus. Und gelegentlich sprühe ich auch mal irgendwas, das vermischt sich dann.

Glauben Sie, dass Kerzenduft eine Wohnung angenehmer macht oder als Geruchsfresser Wirkung zeigt, um den schlechten Dunst zu neutralisieren?

Bei der Neutralisierungs-Geschichte ist vor allem das Marketing glaubhaft. Denn ultimativ gibt es nicht wirklich Riechstoffe oder andere Chemikalien, die der Luft die schlechten Moleküle entziehen können. Eigentlich kann sich jeder selber denken, dass das nicht geht. Aber die Menschen lassen sich eben gerne einlullen. Das Prinzip einer jeden Kerze oder Duftlampe ist, dass sie den Massengeruch überlagert. Das Schlechte wird maskiert.

Deshalb riecht der Orient nach schweren Hölzern und Indien nach Patschuli?

Dort riecht es vor allem so, weil viele der Gerüche daher kommen. Dass die Menschen dort den heftigen Geruch zur Beduftung ihrer Umgebung einsetzen, hängt mit der Ernährung zusammen und den Gewürzen, die sie essen. Nirgendwo auf der Welt werden so viele Zwiebeln gegessen wie in Indien. Plus Curry plus Knoblauch und all die anderen starken Kräuter und Gewürze.

Und es gibt nun einmal die ganz einfache Regel: Alles, was du rein tust, kommt auch wieder raus. Es wird durch jeden Kanal ausgedünstet, durch die Haut besonders. Und das muss dann übertüncht werden, mit allem, was stark ist und lange haftet.

Mal angenommen, ich würde total stinken, wozu muss ich greifen?

Zu etwas, was stärker ist als das, was du ausdünstest. Wenn du 20 Knoblauchzehen gegessen hast, kannst du es vergessen, dann stinkst du halt. Also nimm etwas, was strahlt und lange haftet.

Deshalb riecht es in fast jeder Boutique und in jedem besseren Hotel nach Parfüm, um den menschlichen Geruch zu übertünchen?

Nein, das ist Marketing-Strategie. Jeder Laden ist darum bemüht, seine Produkte besser zu verkaufen als die Konkurrenz nebenan. Der Hintergrund ist, dass wir fast alles nur noch visuell aufnehmen, jeder schaut auf Screens und sein Handy. Alle anderen Sinne verflachen dadurch. Dann wurde aber festgestellt, wenn man einem Laden, einer Verkaufsfläche einen Geruch verpasst, dann schafft das Bindung. Wenn es sich um eine Kette handelt, arbeiten sie weltweit mit dem gleichen Duft. Riecht er toll, dann fühlt man sich dort wohl. Dann hat er was erreicht.

Wenn der Kunde auf den Duft positiv reagiert, kauft er mehr?

Wenn es toll riecht, ja. Wo man sich wohl fühlt, bleibt man länger - und kauft mehr ein, das ist erwiesen. Wenn es irgendwie stinkt, flüchtet man.

Und in Hotels sollen die Gäste mit Lavendel auf dem Kopfkissen besser schlafen?

Ätherische Öle haben einen Einfluss, aber man darf die Aromatherapie nicht überbewerten. Man schläft nicht sofort ein, wenn man Lavendelöl riecht. Sonst würde man im Krankenhaus ja auch damit arbeiten. Stattdessen bekommt man dann besser ein hochdosiertes Opiat als Narkosemittel.

Tatsache ist aber, dass besonders luxuriöse Hotelketten Beduftung in ihr Konzept aufgenommen haben, warum?

Wie in den Boutiquen auch: es geht ums Wohlfühlen. Aber bei Hotels sind die Anforderungen anders. Die zentrale Fragestellung bei der Entwicklung muss sein, ist das Hotel mehr auf Wellness, Natur oder Luxury ausgerichtet?

Wie wäre denn die Aufgabenstellung für Luxury?

Dann muss der Duft natürlich opulent riechen, da kommt man mit Zitrusnoten und Blattgrün nicht hin. Das muss dann teuer riechen. Und das ist dann eben dick und süß und holzig. Sandelholz muss drin sein, vielleicht auch teure Blumen, wie Iris, Jasmin und Rose, am besten als Absolues. In der Regel wollen sie das dann haben, aber nicht bezahlen.

Je teurer der Laden, desto besser der Duft?

Das will ich schwer hoffen. Es ist wie bei allem, wenn man eine richtig schöne Wildlederjacke haben will, dann kommt man mit 150 Euro einfach nicht hin. Das ist bei Duft genauso. Es gibt so gut wie keine billigen Düfte, die gut sind.

Gibt es einen Duft, der bei allen Menschen immer funktioniert und für gute Stimmung sorgt?

Es gibt definitiv Naturprodukte, die aromatherapeutisch einen positiven Effekt haben. Es gibt Sachen, die beruhigend, belebend, vitalisierend, euphorisierend oder aphrodisierend wirken. Das ist erforscht und nachgewiesen. Die Sachen kommen aus der Natur, die Pflanzen haben Gerüche entwickelt, um zum Beispiel Tiere anzulocken oder abzuwehren. Düfte können ziemlich schrill sein, wenn die Pflanzen etwa bittere Geruchsstoffe absondern.

Also lieber Mandarine als Margerite?

Zitrusnoten kommen in der Regel gut an. Sie haben ein Duftgemisch, das gleichzeitig beleben und entspannen kann. Sie beeinflussen die Wirkung von Neurotransmittern im Gehirn, sie beleben, machen aktiv und wach. So haben alle Duftstoffe eine Wirkung, wie jede Farbe, jedes Licht, jedes Geräusch. Alles berührt uns und weckt die Sinne.

Und Vanille mag jeder, weil es mit frühkindlichen Erinnerungen an die Muttermilch verknüpft ist?

Vanille ist süß, und Süß ist der erste Geschmackseindruck, den Kinder aktiv wahrnehmen, wenn sie auf die Welt kommen. . .

Und können Düfte auch unser Sexualleben in Schwung bringen?

Klar können Düfte Hormone und wichtige Botenstoffe im Gehirn regulieren und so geistige und körperliche Funktionen beeinflussen. Sie beeinflussen auch die Wirkung von Neurotransmittern im Gehirn, sie beleben oder entspannen uns. Molecule 01 kitzelt den Teil im Gehirn, wo auch die Pheromone verarbeitet werden. Empirisch stellen wir fest, die Leute rennen hinter dir her und fragen, was es ist. Es ist wissenschaftlich erforscht, dass der Duftstoff die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern stärkt.

Gibt es Gerüche, die Sie in den Wahnsinn treiben?

Vor allem menschliche! Etwa im Flugzeug, immer eine Katastrophe. Es gibt diesen Flugzeugeigengeruch - okay, das ist ein Gemisch aus Kerosin und Materialität, Neulich zog einer seine Schuhe aus beim Start. Ich hab dann den Steward geholt und ihn gebeten, dass er dem Herrn hinter mir erklärt, dass er sie jetzt einfach wieder anzieht. Das ging dann ein paar Mal hin und her. Schlimm sind auch die Leute, die ihre Klamotten nicht waschen.

Ist das nicht das Problem der sehr feinen Nase?

Nein, ich rieche ja nicht mehr, weil ich mehr gerochen habe. Ich kann Gerüche vielleicht besser umschreiben. Ich rieche in der Regel so wie alle anderen. Und die merken doch auch, wenn es im Taxi stinkt.

Oud-Parfüms werden vom Harz des Adlerholzbaums gewonnen. Riechen sie nun gut oder schlecht?

Oud kommt aus dem arabischen Ländern, da macht es Sinn. Dort ist es im Kulturkreis verankert, in Europa war es eine einzige Marketingstrategie, Es ist einfach wahnsinnig stark - und riecht nach altem vergammelten Holz.

Warum laufen diese Parfüms dann so gut?

Weil es neu und exotisch war und sehr teuer ist. Das ist es dann aber auch. Für mich stinkt Oud. Da ist nichts Positives dran. Wenn man in einen Duft alle möglichen anderen Sachen rein tun muss, damit man das Oud nicht mehr riecht, dann ist das doch kein guter Anfangspunkt, also lasse ich es besser.

Alle haben sich daran satt gerochen, was kommt jetzt? Ist es wie in der Mode, auf Grün folgt Gelb?

Was danach kommt? Das weiß kein Mensch. Aber in den 1990er Jahren gab es auch schon keinen Trend mehr, es gab alles nebeneinander. Jedes Jahrzehnt hatte seine Handschrift, weil es immer politische und kulturelle Einflüsse gab und soziale Strömungen, die gewisse Dinge gepusht haben. Das ist vorbei, alles existiert nebeneinander.

Nach der Aufregung ein bisschen Lavendel?

Nein, keinen Duft. Wenn ich in meiner Freizeit auch noch Düften hinterher jage, dann werde ich ja zum totalen Fachidioten. Es gibt noch so viele andere schöne Sachen im Leben.

Geza Schön ist Parfümeur in Berlin-Kreuzberg. Der 47-Jährige gilt in seiner Branche als Macher einiger der spannendsten Düfte unserer Zeit. Mit ihm sprach Eva Reik.

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