Interview zum zehnten „Kluftinger“-Krimi„Heimat war schon immer in“

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Zu Gast in Köln: Michael Kobr (l.) und Volker Klüpfel.

Zu Gast in Köln: Michael Kobr (l.) und Volker Klüpfel.

Ihr Kommissar Kluftinger ist Kult. Und dass die Autoren seit über 15 Jahren zu zweit ihre Geschichten  schreiben, ist ebenso erstaunlich. Mit Volker Klüpfel und Michael Kobr sprach Thomas Geisen.

Herr Klüpfel, Herr Kobr, Sie schreiben Heimat-Krimis, die Gesellschaft streitet über die Heimat – was geht Ihnen da durch den Kopf?

Klüpfel: Das sind ja zwei verschiedene Heimat-Begriffe, die da thematisiert werden. Unserer ist ein positiver, die Herkunft wird betont und dieses Gefühl, aufgehoben zu sein. Die andere Seite grenzt aus: „Wir sind hier, das ist nicht eure Heimat, ihr gehört hier nicht hin.“

Der neue Kluftinger

Die Nummer 10 ist da: Der Krimi von Volker Klüpfel und Michael Kobr heißt schlicht: „Kluftinger“ (Ullstein, 480 Seiten, 22 Euro). Wir erleben Todesdrohungen gegen den Kommissar, Reisen in seine Vergangenheit und die Auflösung des Rätsels um seine Vornamen, von dem die Leser bislang nur die Initialen kennen.

Kobr: Unser Kommissar Kluftinger ist zwar ein heimatverbundener Typ, aber er versucht ja nicht eifersüchtig, seine Heimat zu bewahren. Für ihn – und damit auch für uns – ist das eben weniger ein geografisches, sondern ein emotionales Phänomen. Hätte Kluftinger zufällig woanders auf diesem Erdenrund sein Plätzle gefunden, wär das für ihn auch okay gewesen.

Sie haben keine Angst, von der falschen Seite, den „Heimatschützern“ eben, Applaus zu bekommen?

Klüpfel: Ach, das glaube ich nicht. Wir bedienen deren Weltsicht nicht. Wenn wir mal von unserer Hauptfigur ausgehen: Der ist zwar nicht polyglott und beäugt Fremdes durchaus erst mal zurückhaltend. Aber er ist trotzdem bereit, sich zu öffnen. Sein Urteil macht er von der Person, der Persönlichkeit abhängig und nicht davon, wo der Andere herkommt.

Warum ist Heimat plötzlich so ein Hype?

Klüpfel: Nach unserem Heimatverständnis ist das gar kein Hype. Heimat war schon immer in. Neu ist im Moment dieses öffentliche, demonstrative Bekenntnis.

Gucken wir mal weiter auf die Deutschen und ihre Lese- und TV-Vorlieben: Viele mögen’s regional, noch mehr kriminal: Wie erklären Sie sich das?

Kobr: Krimi ist ein Mechanismus, der immer funktioniert. Dass eine bestehende Welt in Unordnung versetzt wird – die Leute fiebern mit, bis die alte Ordnung wieder hergestellt ist. Und es lässt eben auch Raum für Handlungen neben dem eigentlichen Kriminalfall. Und je mehr ein Buch, ein Fall, eine Geschichte verortet ist, die Leute zu der Gegend eine Beziehung haben, desto besser funktioniert es.

Also ein paar Straßen, Plätze und Weggabelungen, die jeder kennt, im Vorgarten eine Leiche – fertig ist der Heimatkrimi …

Klüpfel: So machen es bestimmt auch viele, wir nicht. Sie können unsere Bücher aber nicht als Reiseführer lesen, es kommen viel zu wenig Straßennamen und Sehenswürdigkeiten vor. Wir beschreiben das alltägliche Allgäu. Das Postkarten-Allgäu interessiert uns nicht.

Kobr: Diese Kuschel-Krimis bedienen nur das Klischee, das sind sehr spezielle Blicke auf die Provinz, urbane Sichtweisen auf die halbwilden Dorfbewohner, die auch noch komisch gekleidet sind …

Klüpfel: … und übrigens auch nicht von Leuten geschrieben, die da leben. Sondern von Autoren, die glauben, das bisschen Lokalkolorit funktioniere irgendwie schon. Da fährt der Autor mal eine Woche hin, guckt sich ein bisschen die schöne Landschaft an. Klar, kann man so machen.

Jetzt die Frage, die Sie schon tausendfach gehört haben: Wie schreibt man zu zweit?

Klüpfel: Tja, die Frage ist eine große Herausforderung! Was antworten wir noch mal Montags? Eigentlich ist diese Arbeitsaufteilung ja unsinnig, es dauert länger, man muss sich mehr abstimmen. Ich würde es auch niemandem empfehlen. Aber bei uns hat es super funktioniert, weil wir die Duo-Situation in der kreativen Entwicklung nutzen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Kobr: Wir kommunizieren per Skype, jeden Vormittag

Hört sich ja fast so diszipliniert an wie bei Thomas Mann …

Klüpfel: … nur mit dem Unterschied, dass die Kinder nicht leise sein müssen, sondern mit dem Bobbycar am Zimmer vorbeidonnern.

Kobr: Also zwei Stunden besprechen wir den Plot …

Klüpfel: … oder Bürokram, Termine. Fällt ja auch an. Dann ist halt die Kreativzeit, und zwar sehr detailliert. Aber jeder schreibt für sich allein, was wir zu zweit entwickelt haben.

Waren Sie auch schon mal an einem Punkt, wo Sie dachten: „Nee, ich will jetzt lieber alleine?“

Kobr: Na klar nervt das auch mal. Es überwiegen aber deutlich die Vorteile. Außerdem haben wir aber noch so viele Ideen auf Halde. Also es wäre schon eine Umstellung, wenn man gerade bei der konzeptionellen Arbeit alleine wäre und kein Korrektiv hätte. Es ist eine gewachsene Arbeitsform.

Klüpfel: Oder fragen Sie jedes beliebige Ehepaar, ob da nicht auch so die Gedanken kommen „Oh mein Gott, hätt’ ich doch lieber die Katrin genommen.“

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