Abo

Junge MütterBurn-out wegen Mehrfachbelastung

Lesezeit 3 Minuten
Immer mehr junge Mütter sind so belastet, dass sie am so genannten Burn-out erkranken.

Immer mehr junge Mütter sind so belastet, dass sie am so genannten Burn-out erkranken.

Berlin – Immer mehr Mütter gehen laut aktuellen Zahlen des Müttergenesungswerkes (MGW) wegen psychischer Störungen in eine Kur. Ihr Anteil lag 2003 noch bei 49 Prozent - zehn Jahre später sind es bereits 86 Prozent. Und das vor dem Hintergrund einer insgesamt steigenden Zahl von Mütter- und Mutter-Kind-Kuren, die um 2000 auf 49 000 hoch gegangen ist. Als Hauptursache dafür vermutet das MGW, dass immer mehr Frauen in ihrer Mehrfachbelastung als Mutter, Partnerin und Berufstätige „ausbrennen“, also am so genannten Burn-out erkranken.

„Ständiger Zeitdruck, die berufliche Anforderung und mangelnde Anerkennung sind die Top 3 der Belastungsfaktoren, die die Mütter in den Kurmaßnahmen selbst benennen“, erklärt MGW-Geschäftsführerin Anne Schilling. Im Vergleich zu 2003 klagten allerdings deutlich mehr Frauen über Partnerschaftsprobleme. Psychisch-körperlich zeigten sich bei ihnen vor allem Erschöpfung, Gereiztheit und Schlafstörungen sowie Kopf- und Rückenschmerzen.

Das Burnout-Syndrom scheint nun also auch die Mütter ergriffen zu haben. Wobei es sich in der Regel um die moderne Variante der mehrfachbelasteten Mutter handelt: 70 Prozent der Frauen, die beim MGW eine Kur in Anspruch nehmen, sind berufstätig, ein Drittel von ihnen muss sogar das hauptsächliche Auskommen der Familie bestreiten.

Erwartungen zurückschrauben

Dabei werde von der Gesellschaft erwartet, warnt MGW-Kuratoriumsvorsitzende Dagmar Ziegler, dass die Frau in allen Bereichen perfekt und auch attraktiv und fürsorglich ihrem Mann gegenüber ist. Der Spagat zwischen traditionellem Rollenklischee und dem Wunsch nach Gleichberechtigung überfordere viele.

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz sieht die Frauen zudem in der Narzissmus-Falle eines Nachkriegsdeutschlands gefangen, in dem die Kinder bis heute die Erfahrung machen müssen, dass sie nicht sonderlich geliebt werden.

Und wenn sie später erwachsen seien, „glauben sie, sie müssten etwas Besonderes leisten, um doch noch Anerkennung zu erhalten“. Der Drang zur Super-Mutti hat also möglicherweise auch damit zu tun, dass diese Frauen in ihrer Kindheit zu wenig Anerkennung gefunden haben.

Nicht zu vergessen schließlich, dass der Burn-out-Boom der Mütter wohl auch biologische Ursachen hat. So erbrachten neuere Forschungen, dass Burnout genetisch, und zwar in bestimmten nervlich-hormonellen Reaktionsmustern angelegt ist. „Der Weg zu einer erhöhten Prädisposition für Burnout wird schon vor der Geburt geebnet“, betont Medizinpsychologe Wolf-Dieter Gerber vom Uniklinikum Schleswig-Holstein. Und bei Frauen ist er offenbar in größerem Maße geebnet: Sie stellen generell 70 Prozent aller Burn-out-Patienten.

Das Burn-out der Mütter hat weitreichende Konsequenzen, denn es wirkt sich auch auf die Kinder aus. So zählt zu den typischen Symptomen des Burn-outs, dass die Betroffenen eine Distanz zu den Personen aufbauen, mit denen sie zu tun haben.

Sie verhalten sich ihnen gegenüber gleichgültig und zynisch, lassen deren Probleme nicht mehr an sich herankommen und konzentrieren sich auf den rein sachlichen Aspekt der Beziehung.

Für das Kind ist das nachgewiesenermaßen eine größere Katastrophe als eine Mutter, die nur selten, dafür aber mit Freude und Nähe bei ihrem Kind ist.

Eigene Fähigkeiten besser erkennen

Bleibt die Frage, wie man dem Burnout begegnen kann. Dass das MGW, das mehr als die Hälfte aller Mütter- und Mutter-Kind-Kuren in Deutschland organisiert, in diesen Kuren eine wirkungsvolle Behandlungsoption sieht, liegt nahe. Doch deren nachhaltiger Effekt ist unsicher, auch wenn das Herausreißen aus dem Hamsterrad erst einmal Linderung verschafft.

Solide belegt ist demgegenüber die Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren wie etwa der kognitiven Verhaltenstherapie beim Burn-out. Es geht hierbei zunächst darum, die eigene Persönlichkeit kennenzulernen, seine individuellen Fähigkeiten, aber auch die Belastungsgrenzen und diese zu akzeptieren und zu respektieren.

Besser wäre aber wohl, die Frauen würden von dem Leistungsdruck befreit, überall perfekt zu sein, also auch als Mutter immer für das Kind da sein zu wollen. So appellierte die Zeitschrift „Psychologie heute“: „Schluss mit dem schlechten Gewissen!“ Aktuelle Studien hätten schließlich ergeben, dass Kinder eher vom Dauerglück als von der Dauerpräsenz der Mutter profitieren.

Rundschau abonnieren