KlimakriseKorallenriffe sind weltweit vom Aussterben bedroht

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Wenn die Korallenriffe nicht geschützt werden, kann es bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vorbei sein mit der Unterwasserschönheit.

Wenn die Korallenriffe nicht geschützt werden, kann es bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vorbei sein mit der Unterwasserschönheit.

Kaum zu glauben: Die größten Bauwerke der Erde wurden nicht von Menschenhand geschaffen, sondern von Lebewesen, die nur wenige Millimeter klein sind. Winzige Nesseltierchen erschufen in Hunderttausenden, mancherorts in Millionen von Jahren gigantische Korallenriffe wie das Great Barrier Reef, das sich an der Ostküste des australischen Bundesstaates Queensland im Südpazifik über eine Länge von 2300 Kilometern erstreckt.

Allein in diesem größten Korallenriff der Erde, das aus nahezu 3000 Einzelriffen besteht, tummeln sich mehr als 1500 verschiedene Fischarten, vom kleinen Anemonenfisch bis hin zum größten Fisch der Erde, dem Walhai.

Ein einzigartiger Lebensraum

Hunderte unterschiedliche Korallenarten bilden einen einzigartigen Lebensraum für Abertausende von Lebewesen, angefangen von winzigen Bakterienarten und Algen, über Muscheln, Schwämme, Krebse sowie Seeigel bis hin zu Meeresschildkröten, Seekühen, ja sogar Walen.

Doch diese bunte Vielfalt ist bedroht – nicht nur am Great Barrier Reef in Australien, sondern weltweit. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass allein in den letzten 30 Jahren „zwischen 25 und 50 Prozent aller lebenden Korallen weltweit“ verloren gingen. „Bis zur Mitte des Jahrhunderts könnten die Korallenriffe als funktionierende Ökosysteme in den meisten Teilen der Welt verschwunden sein.“

Millionen Arten

Korallenriffe erstrecken sich heute weltweit über eine Fläche von insgesamt 600 000 Quadratkilometern. Neben den Regenwäldern bilden sie die artenreichsten Ökosysteme der Erde.

60.000 Spezies sind bisher bekannt, die hier leben, Wissenschafter gehen aber davon aus, dass es wohl weit mehr als eine Million Arten sind. Darunter befinden sich allein 5500 verschiedene Fischarten.

Hochseefische nutzen den Schutz der Riffe für ihren Nachwuchs als Kinderstube.

Aber auch Reptilien, wie Seeschlangen und Meeresschildkröten, sowie Säugetiere, wie Seekühe, Wale und Delfine gibt es hier ebenso wie Weichtiere, Schwämme, Stachelhäuter, Würmer, Krebse und andere.

Unter den 3800 bekannten Korallenarten sind 1300 Spezies riffbildende Steinkorallen.

Weltweit wird darum mit Hochdruck daran gearbeitet, das Sterben der Korallenriffe zu verhindern. Neben den Regenwäldern stellen sie die größten Ökosysteme der Erde dar – und werden aus diesem Grund auch „Regenwälder der Meere“ genannt. Doch ihre Bedrohung ist mannigfaltig, und manchem Faktor ist nicht so leicht beizukommen – allem voran dem Klimawandel.

Dieser setzt ausgerechnet den sogenannten „Riffbildnern“ extrem zu, jenen Organismen also, die Riffe zu dem machen, was sie sind: Tropische Korallenriffe sind vor allem aus Steinkorallen aufgebaut, winzigen Nesseltierchen, die über ein Kalkskelett verfügen. Diese sogenannten „Polypentierchen“ leben in Symbiose mit mikroskopisch kleinen Algen, die sie in ihr Gewebe einlagern. Die Mikroalgen produzieren nun mittels Photosynthese Zucker und andere Nährstoffe, die sie zu einem großen Teil an ihren Korallenwirt abgeben. Im Gegenzug bewahren die nesselnden Polypentierchen ihre Symbiosepartner vor Fressfeinden und versorgen sie ihrerseits mit Kohlendioxid und anderen Stoffen, für die nun wiederum die Algen Verwendung haben. Problematisch wird das Zusammenleben der beiden ungleichen Partner, wenn die Wassertemperatur zu stark ansteigt, so wie es durch den Klimawandel immer häufiger vorkommt.

Oberhalb einer Wohlfühl-Temperatur von maximal 30 Grad Celsius stoßen die Polypen ihre Algen nämlich ab – und zwar mit fatalen Folgen für beide Partner, denn damit ist die gegenseitige Nährstoffversorgung nicht länger sichergestellt. Dieser Vorgang wird auch als „Korallenbleiche“ bezeichnet, da die Algen auch für die Färbung der Korallen sorgen und mit ihrem Verlust nun das weiße Kalkaußenskelett der Korallentierchen optisch dominiert. Ändert sich die Wassertemperatur nicht schnell wieder, so verhungern die kleinen Nesseltierchen und die Korallen bleiben dauerhaft totenbleich.

Meerestiere dienen der Heilmittelherstellung

Und das ist noch nicht einmal alles. Die Meere versauern durch den hohen Kohlenstoffdioxid-Eintrag nämlich zunehmend, was ebenfalls den Korallentierchen und ihren Algenpartnern schwer zusetzt. „Wir dürfen allerdings den Klimawandel nicht als Alibi für das Nichtstun missbrauchen“, meint der Paläontologe Reinhold Leinfelder. „Es bleiben genug Möglichkeiten, um die Riffe zu schützen“, ist der Riff-experte von der Freien Universität Berlin überzeugt.

Dazu gehört Experten zufolge das Verbot von Schleppnetzfischerei, bei der tonnenschwere Netze über den Boden der Ozeane gezogen werden und auf ihrem Weg über den Meeresgrund eine Spur Verwüstung hinterlassen. Generell gilt Überfischung als großes Problem, und zwar nicht nur für die Riffe. Auch heute noch wird vielerorts illegal mit Dynamit und Giften gefischt.

Meerestiere werden außerdem zu Abertausenden in der traditionellen asiatischen Medizin zu allerlei ominösen Wundermittelchen verarbeitet oder verstauben als vom Urlaubsort mitgebrachtes Souvenir zu Hause im Regal. Darüberhinaus werden immer noch auf der ganze Welt Abwässer ungeklärt in die Ozeane geleitet und die Meere als gigantische Müllkippe genutzt.

Nicht nur die daraus resultierende Überdüngung der Meere und der Plastikmüll sind ernstzunehmende Bedrohungen. Auch das Aufwerfen künstlicher Inseln, das immer mehr in Mode kommt, schadet den Korallenriffen. Nicht nur, dass sie unter dem Sand begraben werden. Aufgewirbelter Sand trübt auch das Wasser auf längere Zeit ein, so dass den Mikroalgen nicht mehr genügend Sonnenlicht für ihre Photosynthese zur Verfügung steht und sie die Korallentierchen nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgen können.

Die Liste der Gefahren ist damit längst noch nicht beendet, doch trotz all dieser Bedrohungen gibt es auch Hoffnung für die Riffe. Das meiste davon ist nämlich menschengemacht und Menschen können sich ändern.

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