Pollen, Allergie und AsthmaZu Beginn eines Unwetters steigt das Risiko für Attacken

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Gefahr für jeden Allergiker: Birken produzieren Unmengen an Pollen.

Gefahr für jeden Allergiker: Birken produzieren Unmengen an Pollen.

Über das Leid der Allergiker, wenn die Birken- und Gräserpollen fliegen, sprach  Angela Horstmann mit Professor Karl-Christian Bergmann.

Herr Professor Bergmann, Pollenallergiker haben in den vergangenen Wochen massiv gelitten. Ist in diesem Jahr die Pollenbelastung besonders stark?

Ja, wir haben in den letzten Wochen in ganz Deutschland eine Menge Birkenpollen in der Luft gehabt. Zum Teil konnten 500 Pollen auf einem Kubikmeter gemessen werden. Die Birken geben in diesem Jahr deutlich mehr Pollen ab, als sie es in den vergangenen zwei Jahren getan haben. Und das merken die Allergiker natürlich und haben stärkere Probleme, nicht nur mit Nase und Augen, sondern auch mit allergischem Asthma.

Woran liegt es denn, dass wir ein solch schlimmes „Birkenjahr“ haben?

Dafür gibt es eine biologische Erklärung. Wie ein Apfelbaum, der nicht jedes Jahr die gleiche Menge Äpfel trägt, geben auch Birken in einem Jahr mehr Pollen ab, in einem anderen dann wieder weniger. Wir hatten 2016 und 2017 zwei Jahre mit einer schwachen Birkenpollenbelastung. Deshalb hatten wir schon lange vorhergesagt, dass 2018 eine besonders starke Birkenpollenbelastung zu erwarten ist.

Sind Birkenpollen im Vergleich zu anderen Pollen besonders aggressiv?

Nein, sie sind nicht aggressiver als Gräser- oder Kräuterpollen. Aber die Beschwerden, die sie auslösen, werden als schlimmer empfunden.

Warum denn das?

Darüber wird viel spekuliert. Zunächst einmal sind Beschwerden immer unser subjektives Empfinden. Dass die Symptome, die durch Birkenpollen ausgelöst werden, als stärker empfunden werden, könnte daran liegen, dass die Birkenpollenbelastung in der Luft meist plötzlich und massiv einsetzt – und das, nachdem die Betroffenen eine beschwerdefreie Zeit im Herbst und Winter hatten. Wenn die Symptome dann plötzlich wieder auftreten, empfindet man das vielleicht einfach als stärker und schlimmer, als wenn man schon eine geraume Zeit Symptome hatte. Bei Gräserpollen kann man sich sozusagen ein bisschen besser an die Symptome gewöhnen, weil die Belastung eher schleichend zunimmt und nicht von heute auf morgen so massiv ist wie die Belastung mit Birkenpollen.

Werden Gräserpollen-Allergiker in diesem Jahr auch größere Probleme haben?

Generell sind die Schwankungen bei der Belastung mit Gräserpollen nicht so deutlich wie bei den Birkenpollen. Trotzdem gehen wir davon aus, dass wir in diesem Jahr ab Ende Mai, Anfang Juni auch eine leicht stärkere Belastung haben werden.

Wann können Pollenallergiker denn wieder im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen?

Weil unser Herbst seit einigen Jahren länger feucht und warm ist, fliegen die Kräuterpollen zum Teil bis in den Oktober hinein. Danach haben wir eine kurze pollenfreie Phase von etwa zwei Monaten. Denn schon ab Mitte Dezember können dann auch schon wieder die ersten Hasel- oder Erlenpollen unterwegs sein.

Was genau passiert eigentlich, wenn ein Allergiker mit den Pollen in Kontakt kommt?

Durch die Feuchtigkeit in der Nase platzen die Pollen und setzen so das Allergen frei. Durch ein Überschießen des Immunsystems bei Pollenallergikern haben sich auf den Zellen der Nasenschleimhaut Antikörper gegen dieses Allergen gebildet. Diese Zellen setzen Histamin frei, sobald die Allergene aus dem Pollen mit den Antikörpern in Kontakt kommen. So ähnlich wie beim Berühren einer Brennnessel sofort eine Schwellung, Rötung und Juckreiz hervorgerufen werden, spielt sich dann ein ähnlicher Mechanismus auch in der Schleimhaut von Nase, Augen oder oberen Bronchien ab.

Die Lunge ist also gar nicht betroffen.

Die meisten der etwa 15 bis 25 Mikrometer großen Pollen werden tatsächlich in der Nase abgefangen und beim Atmen durch den Mund gelangen sie auch nur in den oberen Bronchienbereich. Erst wenn bei feuchtem Wetter die Pollen schon in der Luft platzen und ihre kleinen Allergene freisetzen, dann können diese kleinen Teilchen auch tief in die Lunge gelangen. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir viel mehr Heuschnupfen-Allergiker haben als Menschen mit allergischem Asthma.

Ich dachte immer, dass Regen für Pollenallergiker gut ist.

Wenn ein mäßiger anhaltender Regen alle Pollen ausgewaschen hat – dann ja. Aber wenn es gerade anfängt zu regnen oder die Luft auch nur extrem feucht ist, dann platzen die Pollen und die Luft ist voller Allergen-Kleinteilchen. Besonders problematisch sind auch Gewitter. Während des Beginns eines Gewitters werden die Pollenkörner sehr schnell aus höheren Luftschichten heruntergedrückt und heruntergewaschen, mit der Folge, dass die Konzentration der Pollen beziehungsweise aufgeplatzter Pollen und allergener Partikel in Bodennähe extrem schnell ansteigt. Diese winzigen Partikel können leicht bis in die unteren Atemwege eindringen – was heftige Asthmaattacken auslösen kann. Im australischen Melbourne hat vor zwei Jahren ein heftiges Gewitter in der Gräserpollensaison dafür gesorgt, dass binnen 24 Stunden mehr als 5000 Menschen mit starken Asthmabeschwerden in die Notaufnahmen kamen und neun Personen an den Asthmaattacken gestorben sind.

Was sollte ich denn tun, wenn ich bemerke, dass ich auf Pollen allergisch reagiere?

Das wichtigste ist, sich gut zu informieren. Wer seine Krankheit kennt, der leidet weniger. Deshalb sollte man beim Arzt feststellen lassen, gegen welche Pollen man allergisch ist. Es gibt inzwischen aber auch zwei gute Apps, etwa die „Pollen-App 5.0“ der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst oder die App „Husteblume“. Diese bieten gute und auch individuelle Pollenflugvorhersagen. Man kann seine Symptome eingeben und bekommt Informationen darüber, welche Pollenarten und Mengen wann an dem Ort in der Luft waren, wo man die Beschwerden hatte.

Aber kann eine App den Arztbesuch ersetzen?

Sie muss nicht den Arztbesuch ersetzen, trotzdem weiß man aber mithilfe der Apps schon deutlich besser, woran man ist und ob es sich überhaupt um einen Heuschnupfen handeln könnte. Gerade vor vier Wochen erst ist eine Untersuchung der Technikerkasse veröffentlicht worden, die zeigt, dass Leute, die die App Husteblume benutzt haben, weniger häufig zum Arzt gehen mussten.

Und wenn ich weiß, gegen welche Pollen ich allergisch bin, wie sieht dann die mögliche Therapie aus?

Ich empfehle immer eine ganz klare Abfolge der Therapien: Zunächst sollte man schauen, ob man mit den freiverkäuflichen anti-allergischen Tabletten aus der Apotheke klar kommt. Wenn nicht, kann man die anti-allergischen Wirkstoffe als Sprays direkt für Nase und Augen nehmen. Wenn auch die nicht die Symptome lindern, gibt es kortisonhaltige Tropfen für Augen und Nase. Die haben kaum Nebenwirkungen, wenn sie nicht über Monate benutzt werden. Erst wenn das alles nicht hilft, würde ein Allergologe vermutlich kortisonhaltige Tabletten verschreiben. Wenn aber selbst die nicht ausreichend helfen, kann man – zumindest wenn eine hohe Pollenbelastung absehbar ist – in geschlossenen Räumen bleiben – oder aber langfristig über eine Immuntherapie nachdenken. Die ist auf Dauer am effektivsten und heute viel einfacher durchzuführen. Es gibt sie inzwischen in Spritzen-, Tropfen- oder Tablettenform.

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