Tabakerhitzer„Iqos“ verspricht Genuss mit weniger Schadstoffen – geht das?

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Weder herkömmliche Zigarette noch E-Zigarette, der Tabakerhitzer ist irgendwas dazwischen.

Weder herkömmliche Zigarette noch E-Zigarette, der Tabakerhitzer ist irgendwas dazwischen.

Ein kerniger Cowboy reitet auf seinem Pferd durch die Wildnis, in seinem Mundwinkel hängt lässig eine Zigarette. Würde diese Zigarettenwerbung heute noch einmal aufgelegt, hätte der Marlboro-Mann statt einer Zigarette einen Plastikstab im Mund. Doch die Werbung für „Iqos“, die elektrische Zigarette von Philip Morris, setzt auf Kühlheit statt auf Coolness. Dunkler Hintergrund, darauf ein silberner Stab, der auch ein Schwangerschaftstest sein könnte. „Wann steigen Sie um?“ steht darunter. Das war’s.

So funktioniert’s

Tabakerhitzer:

Eine wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterie, eine automatische Temperaturregelung und ein Heizplättchen – der „Holder“, das Grundgerüst des Tabakerhitzers, hört sich nach High-Tech an.

Pro „Zigarette“ wird ein Tabakstick eingesetzt. Der Tabak wird nicht verbrannt sondern erhitzt, der Dampf über ein Mundstück inhaliert. Ist der Tabak verbraucht, blinkt ein Lämpchen rot, die Zigarette ist aufgeraucht. Ein „Pocket Charger“ dient zur Aufbewahrung und zum Aufladen.

E-Zigaretten:

Die E-Zigarette funktioniert ähnlich wie der Tabakerhitzer. Auch mit ihr wird nichts verbrannt, es kommt aber – im Unterschied zum Tabakerhitzer – kein Tabak zum Einsatz. Stattdessen wird eine nikotinhaltige Flüssigkeit erhitzt.

Die Zeiten haben sich geändert. Rauchen gilt eben nicht mehr als cool, sondern vor allem als ungesund, was es ja auch ist. Das hat auch Philip Morris eingesehen. Der Marlboro-Konzern appelliert an seine Kunden: „Es ist besser, wenn ihr aufhört“. Das mag als Aussage von einem Tabakkonzern überraschen, geschieht aber natürlich nicht aus reiner Sorge um die Kundschaft, sondern ist notwendig fürs Überleben des Unternehmens.

Immer mehr Menschen hören auf zu rauchen, viele fangen gar nicht erst damit an. 2016 wurden in Deutschland 35 Milliarden weniger Zigaretten verkauft als noch vor zehn Jahren. Für diejenigen, die weiterrauchen wollen oder nicht anders können, bietet Philip Morris selbstverständlich eine angeblich gesündere Alternative zur klassischen Zigarette: „Iqos“, den bisher einzigen Tabakerhitzer auf dem deutschen Markt.

Dampfen ist das neue Rauchen

Dass Dampfen das neue Rauchen ist, wissen wir spätestens, seit die E-Zigaretten ihren Siegeszug angetreten haben. „Iqos“ ist aber weder herkömmliche Zigarette noch E-Zigarette, sondern irgendwas dazwischen. Eine „elektronische Alternative zur klassischen Zigarette“, nennt es der Hersteller. Der Tabakerhitzer funktioniert nicht mit einer Flüssigkeit wie die E-Zigarette, sondern mit echtem Tabak – und soll so für ein authentischeres Rauchgefühl sorgen. Für jede „Zigarette“ wird ein Tabakstick in den sogenannten „Holder“ – also das Grundgerüst – gesetzt.

Der „Holder“ ist das Grundgerüst des Tabakerhitzers. Dorthinein kommt ein Stick mit Tabak.

Der „Holder“ ist das Grundgerüst des Tabakerhitzers. Dorthinein kommt ein Stick mit Tabak.

Der Tabak wird dann nicht wie bei einer normalen Zigarette verbrannt, sondern nur auf rund 250 bis 350 Grad erhitzt. Der Dampf wird über ein Mundstück inhaliert. Wenig Qualm und kaum Gestank sollen dabei entstehen. Ein rotes Lämpchen zeigt an, wenn die Zigarette aufgeraucht ist. Aber ist das auch tatsächlich gesünder als eine herkömmliche Zigarette? Eine von Philip Morris in Auftrag gegebene Studie ergab, dass die Menge schädlicher Substanzen wie Formaldehyd im Tabakerhitzer um rund 80 Prozent reduziert ist. Die Menge flüchtiger Substanzen wie Benzol sogar um 90 bis 99 Prozent.

Tatsächlich konnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Werte in einer eigenen – allerdings noch nicht abgeschlossenen – Studie bestätigen. „Wir können sagen, dass die Schadstoffemissionen im Vergleich zur Tabakzigarette deutlich niedriger sind“, sagt Frank Henkler-Stephani, Mitarbeiter in der Abteilung Chemikalien- und Produktsicherheit des BfR. Zwar bezögen sich die Berechnungen zur Schadstoffreduzierung des Herstellers auf eine sehr „schmutzige“ Zigarette, die als Referenzprodukt zum Tabakerhitzer herangezogen wurde, konnten aber auch im Vergleich zu handelsüblichen Tabakzigaretten bestätigt werden. Bei wichtigen krebserzeugenden Stoffen wurde sogar eine Reduktion um 99 Prozent erreicht. Dass im Tabakerhitzer weniger Schadstoffe freigesetzt werden, liegt weniger daran, dass der Tabak nicht verbrannt wird wie bei der Zigarette. Sondern daran, dass er auf nur rund 300 Grad erhitzt wird statt wie bei der Zigarette auf bis zu 900 Grad. „Wir nehmen an, dass sich die reduzierten Schadstoffe positiv auf die gesundheitlichen Risiken auswirken“, sagt der Wissenschaftler. Dieser Wert ist nicht exakt abzuschätzen. Denn: Zehn Prozent weniger Schadstoffe sind nicht gleichbedeutend mit zehn Prozent weniger Gesundheitsgefahr. Die Frage nach verminderten gesundheitlichen Risiken lässt Philipp Morris derzeit in einem Einstufungsverfahren in den USA untersuchen. „Wir verfolgen dieses Verfahren mit großem Interesse.“

Suchtpotenzial genauso hoch

„Iqos“ als „Aussteigerzigarette“ zu bezeichnen, wäre trotz dieser optimistisch stimmenden Zahlen falsch. „Nach unseren Erkenntnissen ist das Suchtpotenzial nicht geringer“, stellt der BfR-Mitarbeiter klar. Zwar enthält der Rauch von Tabakerhitzern im Vergleich zu dem der starken Referenzzigarette um rund 50 bis 60 Prozent weniger Nikotin. Doch während die Schadstoffe im Vergleich zu einer handelsüblichen Zigarette wesentlich reduziert seien, bewege sich der Nikotingehalt immer noch im Bereich einer normalen Zigarette. „Zur Entwöhnung sind Tabakerhitzer nicht geeignet“, warnt Henkler-Stephani. „Aber man kann seine Sucht damit befriedigen und nimmt dabei weniger Schadstoffe auf.“ Den Tabakerhitzer als „empfehlenswert“ zu bezeichnen, damit tut sich das BfR dennoch schwer. „Wenn Sie statt 20 Zigaretten zwei Zigaretten am Tag rauchen, ist ihr Risiko an Lungenkrebs zwar deutlich geringer“, erklärt der Wissenschaftler. „Aber im Vergleich zu einem Nichtraucher wäre es immer noch etwa doppelt so hoch.“ Krebserzeugende Eigenschaften sind immer noch vorhanden. Für einen 50 Jahre alten Kettenraucher, der bereits alles versucht hat, um von der Zigarette loszukommen, könnte der Tabakerhitzer eine Alternative sein. „Einem 20-Jährigen, der noch nicht sein Potenzial Aufzuhören ausgeschöpft hat, würde ich jedoch raten, erst einmal zu versuchen, ganz auf Nikotin zu verzichten.“

Die untersuchten Werte gelten übrigens nur für „Iqos“. „Unsere Sorge ist, dass sich bald Billiggeräte dazugesellen, die diese niedrigen Werte nicht erfüllen.“ Und: Im Vergleich zu einer E-Zigarette, die sachgemäß geraucht wird, hat der Tabakerhitzer immer noch ein etwas größeres Gefährdungspotenzial. Der Tabakerhitzer ist also höchstens das kleinere Übel im Vergleich mit einer normalen Zigarette.

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