Trump, Fake News und WahlenWie das Falsche richtig wird – Erklärungen der Forschung

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Donald Trump

Donald Trump

Köln – Donald Trump hatte unzählige von Gerichtsverfahren am Hals. Er gilt als unfairer Geschäftspartner. Er hat keinerlei politische Erfahrung. Er ist kein geschliffener Redner. Trotzdem wurde er zum US-Präsidenten gewählt. Trotzdem hat er wahrscheinlich gute Chancen, bei der nächsten Wahl wiedergewählt zu werden. Wie kann das sein? Was denken seine Wähler? Die Prozesse, die bei Wahlentscheidungen im Gehirn ablaufen, wirken auch bei anderen, alltäglichen Entscheidungen. Eine Betrachtung:

Es ist ein gravierendes Missverständnis, sich den Wähler als einen rational entscheidenden Staatsbürger vorzustellen. Er ist emotional, er orientiert sich an der Mehrheit, er biegt sich die Realitäten so zurecht, dass sie frühere Entscheidungen bestätigen. Und er braucht einfache Wahrheiten. Trumps Wahlkampf, in einem Satz zusammengefasst, würde lauten: America first – Amerika zuerst. Diese schlichte Aussage war verknüpft mit Bildern, die ebenfalls einfachste Botschaften transportierten: Er hielt seine Reden vor Flugzeugen auf einem US-Militärflughafen. Vor enthemmt jubelnden Fans. Und immer vor einem Flaggenmeer mit Stars and Stripes. Die begeisterten Massen ließen schon zu Anfang keinen Zweifel aufkommen: Die Zahl der Fans ist groß.

Hirnwelten extra

Das politische Gehirn in Zeiten von Trump und Co. – Vortrag mit Dr. Magnus Heier

Alles zum Thema Donald Trump

Donnerstag, 5. Juli, 19 Uhr

studio dumont, Breite Str., Köln

Wie konnte Donald Trump –ein Mann, gegen den unzählige von Gerichtsverfahren liefen oder noch laufen – zum Präsidenten der USA gewählt werden? Wieso werden immer mehr Sprücheklopfer, Nationalisten und Populisten gewählt?

Die Psychologie kann diese Phänomene erklären, kann begründen, warum das Verhalten an der Wahlurne tiefe Wurzeln in der Evolution unseres Gehirns hat.

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Und mit großen Gruppen identifizieren wir uns gern – egal, ob sie für Trump sind, für den Brexit oder für ein unabhängiges Katalonien. Der „Konformitätswunsch“ kann so weit gehen, dass Realitäten verleugnet werden oder zumindest gebogen. Wie weit, das hat der US-amerikanische Psychologe Gordon Asch bereits in den 50er Jahren verblüffend einfach auf den Punkt gebracht: Die Teilnehmer seines Experiments sollten lediglich sagen, welchen von drei unterschiedlich langen Linien einer vierten am ähnlichsten war. Die Aufgabe war leicht, und sie wurde problemlos gelöst. Dann wurde es bösartig: Sechs der Teilnehmer waren in Wirklichkeit eingeweiht, der siebte der einzige wirkliche Proband. Die sechs gaben sich nach dem fünften Durchgang nun einig in ihrer Einschätzung, dass eine falsche Linie die ähnlichste sei. Musste der Proband sich öffentlich äußern und waren die anderen sechs sich einig, war der Druck so groß, dass die Probanden sich der offensichtlich falschen Meinung anschlossen.

Der Konformitätszwang

Und sie haben dabei vermutlich nicht einmal gelogen, wie ein Folgeexperiment ein halbes Jahrhundert später beweist: Nun wurden die Probanden bei einem vergleichbaren Versuch ins Kernspin gelegt. Und man konnte nachweisen, dass die falsche Aussage im Kopf gar nicht als Lüge verarbeitet wurde. Der Konflikt wurde gar nicht als Konflikt wahrgenommen – die Probanden glaubten tatsächlich, das Falsche, das sie gesehen hatten, sei wahr. Wenn also eine große Menge von Menschen frenetisch jubelnd hinter Trump steht, dann neigt der Zuschauer dazu, sich mit der Menge und damit auch mit dem Kandidaten zu identifizieren: der Konformitätszwang.

Hinzu kommt: Menschliches Denken ist effektiv. Oder einfach faul. Eine einmal getroffene Entscheidung wird nicht ständig hinterfragt. In dem Moment, in dem Wähler oder Käufer sich entschieden haben, lassen sie nur noch Informationen an sich heran, die ihre Entscheidung stützen: der Bestätigungseffekt. Irritierende Informationen werden ignoriert oder, wenn es nicht anders geht, so gefiltert und zurechtgebogen, dass sie in das eigene vorgefasste Bild passen. Gegner und Anhänger der Todesstrafe etwa können den gleichen Text so unterschiedlich lesen, dass sie ihn jeweils als Argument für ihre eigene Ansicht verstehen. Oder ein Beispiel aus einem früheren US-Wahlkampf: Anhänger der Präsidentschaftskandidaten George W. Bush und John Kerry wurden mit widersprüchlichen Aussagen ihrer Kandidaten konfrontiert – wiederum im Kernspin, wo man die Reaktion der Probanden im Gehirn verfolgen konnte. Der Teil des Gehirns, der eigentlich für die nüchterne Analyse der Widersprüche hätte zuständig sein müssen, war nicht beteiligt. Die Emotionszentren schon, vor allem das Belohnungszentrum. Der erfolgreiche Selbstbetrug der Probanden (immerhin hatten sie unwillkommene Informationen über ihren Kandidaten unterdrückt) äußerte sich in einer Belohnungsorgie im Gehirn.

Der Bestätigungseffekt

Man könnte die Hoffnung haben, dass politischer Selbstbetrug umso seltener ist, je mehr der Betroffene politisch informiert und interessiert ist. Das Gegenteil ist der Fall: Das Schönreden misslicher Informationen funktioniert umso besser, je gebildeter der Betroffene ist. Vorgefasste Meinungen sind fast nicht totzukriegen. Sie können ein Leben lang stabil bleiben.

Hinzu kommt, dass niemand gerne zugibt, einen Fehler gemacht zu haben – auch nicht an der Wahlurne. Alle Informationen werden nur insoweit zur Kenntnis genommen, wie sie die eigene Entscheidung auch nachträglich bestätigen. Der konservative Trumpwähler lässt missliche Informationen über zahllose Seitensprünge seines Präsidenten oder über russische Einflussnahme auf die Wahl gar nicht erst an sich heran. Man könnte auch vom „Pippi-Langstrumpf-Effekt“ sprechen: „Ich mach mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt.“ Und dann wählt man auch zur Bestätigung der bisherigen Entscheidung bei nächster Gelegenheit möglicherweise wieder Trump.

Aber auch bei der allerersten Meinungsbildung, sind Entscheidungen weniger rational als personenbezogen. Nicht Parteiprogramme werden gewählt, sondern Gesichter, Stimmen, Geschichten. Dabei muss der Kandidat einen schwierigen Spagat schaffen: Er muss eine erfolgreiche Persönlichkeit sein, zu der man aufschaut und der man vertraut. Und er muss gleichzeitig „einer von uns“ sein, ein Kumpeltyp, der beim Sportfest auch mal die Waffeln backen würde. Donald Trump gelang dieser Spagat vermutlich intuitiv perfekt: Er kann in seiner privaten Boeing auf Seidenkissen sitzend ganz bodenständig (oder prollig) mit goldenem Besteck Hamburger von MacDonalds essen – und der gefilterte Eindruck ist der, dass der Mann „ganz normal ist und isst“. Trump kann weltweit Politiker beleidigen, es bleibt der Eindruck, dass er „Amerika-first-Politik“ macht. Er kann lügen, und der gefilterte Eindruck ist der eines smarten Politikers. Ob Trump wirklich steinreich ist oder längst pleite, weiß man nicht. Es ist nicht wichtig, denn er stellt sich als erfolgreicher Geschäftsmann dar, seine Anhänger nehmen ihm das ab. Wahrheit ist keine Währung, wenn Gefühle bedient werden. Viel wichtiger als Wahlprogramme ist der intuitive Eindruck über den Kandidaten. Es ist dem Wähler zwar nicht bewusst, aber der erste Eindruck, wie er aussieht, welche Emotionen er auslöst, bestimmt die Wahl. Das lässt sich direkt in der Hirnreaktion messen – einfacher und überraschender aber noch in der Befragung von Kindern. Die durften sich die Gesichter von echten Kandidaten ansehen und dann entscheiden, wen von ihnen sie als Kapitän für ihr Spielzeugboot wählen würden. Sie entschieden sich für die Kandidaten, die später auch in der richtigen Wahl von den Erwachsenen gewählt wurden.

Der Framingeffekt

Trump nannte seine Gegenkandidatin in jedem Tweet „crooked“, betrügerisch. „Crooked Hillary“ gehöre ins Gefängnis, wird gebetsmühlenartig wiederholt. Das würden, von wenigen Anhängern abgesehen, wohl die wenigsten unterschreiben. Aber das ist nicht wichtig. Entscheidend ist: Durch die stetige Wiederholung wird die Aussage immer normaler. Es bleibt etwas hängen. Mehr noch: Es wird ein Rahmen (englisch frame) gesetzt, in den sich die weitere Wahrnehmung einordnet. Wenn Clinton spricht, wenn von ihr gesprochen wird: Der Betrugsbegriff schwingt mit.

Die psychologische Wirkung bebildert ein Uhrenkauf: Ein mir gut bekannter Verkäufer kontert die Suche nach einer Armbanduhr „ungefähr um die 200 Euro“ so: „Kein Problem, haben wir. Aber ich zeige Ihnen mal etwas, was wir heute hereinbekommen haben.“ Und er zeigt eine Uhr für 10000 Euro. Die ich natürlich nicht kaufe. Aber der Rahmen ist neu gesetzt. Eine Uhr für 200 Euro wirkt plötzlich unangemessen, der Rahmen ist verschoben. So wie auch „crooked Hillary“ gar nicht geglaubt werden muss, um zu wirken.

Das anatomische Gehirn

Wie stabil sind politische Einstellungen? Eine ältere Studie treibt die Vorstellung zementierter politischer Vorlieben auf die Spitze: Konservative und liberale politische Grundeinstellungen fänden sich im Gehirn wieder, anatomisch, die Hirnstruktur unterscheide sich messbar. Konservative hätten eine größere Amygdala, rechts im Gehirn. Liberale einen größeren Gyrus cinguli anterior. Und diese Gehirnzentren unterschieden sich auch durch ihre Aktivität. Auch wenn Skepsis geboten ist: Die politischen Grundeinstellungen scheinen tief ins Gehirn eingegraben. Von früher Kindheit an. Sie zu ändern, scheint zwar möglich. Aber so schwierig, wie einen Supertanker in voller Fahrt zu wenden. Vor allem Jung- und Wechselwähler scheinen ein lohnendes Ziel für Politiker. Mit Botschaften, die so einfach wie möglich sind, so emotional wie möglich, so radikal wie möglich.

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