Unterwegs in WienAuf Spurensuche zwanzig Jahre nach dem Tod von Falco

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Der österreichische Popstar Falco bei einem Auftritt im Jahre 1997

Wien – Was bleibt von einem, der vor 20 Jahren gestorben ist? Welche Orte flüstern noch heute seinen Namen - oder schreien ihn laut heraus? Im Fall von Johann "Hans" Hölzel alias Falco kann all diese Fragen nur eine Stadt beantworten: Wien. Hier wurde er am 19. Februar 1957 geboren und am 14. Februar 1998 beerdigt. Zwölf Tage nach seinem Tod am 6. Februar in der Dominikanischen Republik. Susanne Schramm begibt sich auf Spurensuche.

9 Uhr, Zentralfriedhof Wien. Zwei Grad über Null. Milchiger Nebel, schwarze Rabenvögel, knirschender Kies. Eine Kulisse wie gemacht für einen Filmdreh. Am Ehrengrab, Gruppe 40, Nr. 64, geben Horst Bork (69) und Conny de Beauclair (65) Interviews vor laufenden Kameras, gezückten Blöcken und hochgereckten Mikrofonen. Wie war er denn so, der Falco?

Eine Frage, die weder Bork, der zwölf Jahre lang sein Manager und Vertrauter war, noch de Beauclair, der vom Türsteher seiner Lieblingsdisco „U4“ zum Freund avancierte, so einfach beantworten können. „Da gab es große Siege und bittere Niederlagen“, sagt Bork, „er hat sich immer bemüht, aber meistens war der Wunsch der Vater des Gedankens. Privat war der Hans ein schüchterner und zurückhaltender Mensch, und in den schönsten Momenten sehr fürsorglich und sehr herzlich. Aber leider waren das seltene Momente – die meisten waren wesentlich schwieriger.“

„Ich hab’ ihn nie so betrunken erlebt, dass ich ihn zum Taxi begleiten musste“, erinnert sich de Beauclair, „aber er hat schon eine Menge vertragen.“ Dass sich Falco gerade mit ihm, dem Nichtraucher und Nichttrinker, anfreundete, führt der auf seine Sonderstellung zurück: „Auf der einen Seite war ich in der Szene drin, auf der anderen Seite hatte ich so ein biederes Familienleben mit Kind und Frau.“ Falco, der als Star ein Leben auf der Überholspur führte, fühlte sich davon angezogen. Oft hat er die de Beauclairs daheim besucht. Ein Stück vom Glück, das ihm nie beschieden war. Seine Ehe dauerte kaum zwölf Monate.

14.30 Uhr, Gars am Kamp, im Waldviertel, 87 Kilometer nordwestlich von Wien. Hier steht die Villa, die sich Falco 1985 gekauft hat. Ein zweistöckiges Anwesen aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Außen gestrichen in Schönbrunner Gelb, mit Anbau, Studio und Sauna im Keller. Hinterm Haus führt ein weitläufiger Garten mit knorrigen Obstbäumen hinaus bis ans Ufer der Kamp. Falcos Rückzugsort.

„Wenn er hier war, war er alleine“, sagt Markus Spiegel (63), bis zu Falcos Tod sein Produzent, „nur für seine Mutter gab’s ein Zimmer. Zu ihr hatte er ein ganz besonderes Verhältnis.“ In der Villa scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Türkisfarbene Sofas, weiß lackierte Korbmöbel, ein altrosa Nepalteppich, dazu farblich passend die Satin-Schabracken der Gardinen. Gefliester weißer Boden, opulente Deckenlüster – 80er-Jahre-Schick wie aus dem Kaufhaus direkt hier herein gestellt, inklusive der abstrakten Kunst.

Heute gehört die Villa der 2004 gegründeten Falco-Privatstiftung, die sich darum kümmert, das alles so bleibt, wie es ist (und die man kontaktieren muss, wenn man das Haus besichtigen möchte).

In seiner Villa ist noch alles so wie zu seinen Lebzeiten – von den Tassen, auf denen „Hansi“ und „Mama“ steht, bis hin zu Wohnzimmer mit der modernen Kunst an der Wand und den Sofas im 80er-Jahre-Schick.

In seiner Villa ist noch alles so wie zu seinen Lebzeiten – von den Tassen, auf denen „Hansi“ und „Mama“ steht, bis hin zu Wohnzimmer mit der modernen Kunst an der Wand und den Sofas im 80er-Jahre-Schick.

Eine Kaffeetasse extra nur für die Mama

Bis hin zu den Gewürzen in der Küche, die in den Gläsern langsam einschrumpeln, den Kaffeebechern mit dem Rosenmuster und den Aufschriften „Maria“ (Falcos Mutter) und „Hansi“, der Rasierwassergalerie im Bad und den Preisen und Auszeichnungen unten im Studio. „Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, 1980 bei einem Konzert mit Drahdiwaberl, da sah er ein bisschen so aus wie der junge Alain Delon“, erinnert sich Spiegel.

Auch er spricht von den zwei Facetten des Künstlers: „Da gab es die Kunstfigur und die Privatperson. Ich bin mit der Kunstfigur weniger gut klargekommen. Der liebenswürdige, sensible, einfühlsame Hansi war nicht so auf dem Egotrip wie der arrogante Falco. Das war so etwas wie ein Jekyll-and-Hyde-Syndrom.“

Auch Spiegel macht aus den Drogenproblemen seines einstigen Schützlings kein Hehl: „Wenn wir zusammen gesessen haben, da ging’s mit dem Rotwein los. Nach der dritten Flasche hab’ ich gesagt, ich bin jetzt durch. Da hat der Falco erst mit dem Whiskey angefangen.“

Dazwischen gab’s Abstinenz-Phasen: „Das war ein rauf und runter. Er hatte auch einen Haufen privater Probleme, den Abgabedruck von seinen Platten, die hohen Vorschüsse, die Kreativität auf Knopfdruck. Da muss man ein Ventil haben. Bei ihm ging alles bis zum Exzess. Das Wort ,Stopp’ kannte er nicht.“ Drei Tage bevor er starb, hat ihm Falco am Telefon sein neues Album vorgespielt. Spiegel hat es als sehr kommerziell empfunden. Und irrte sich nicht: „Der Tod ist ein verlässlicher Multiplikator.“

Auch mit Sicherheit für „Falco – Das Musical“, das 2017, einen Tag vor Falcos 60. Geburtstag, in Berlin aufgeführt wurde. Jetzt zu Falcos 20. Todestag geht es erneut auf Tour, ist unter anderem auch in Köln und Bonn zu sehen. Roter Faden im Bühnenstück: das Leben des Künstlers, wobei seine Stücke Schlaglichter setzen, Eck- und Wendepunkte markieren.

21.15 Uhr, Disco „U4“, Schönbrunner Str. 222-228. Hier kam Falco in den 1980ern regelmäßig vorbei. „Immer so gegen zwei, drei Uhr“, sagt Gewährsmann de Beauclair, „er stand immer an einer ganz bestimmten Bar – an der von der bildhübschen Isabella.“ Die aussah wie das Supermodel Jerry Hall. Geraucht hat er Marlboro, getrunken Jim Beam oder Johnnie Walker. Immer pur.

Beim Tribute-Konzert der Band „Goldfisch“, mit dem die Falco-Musiker ihren verstorbenen Frontmann ehren, gibt’s einen besonderen Gast: Alexander Kerbst, Hauptdarsteller und Co-Autor des Musicals. Bei „Out of the Dark“, „Der Kommissar“ und „Jeannie“ sieht er mit dunkler Sonnenbrille und nach hinten gegeelten Haaren aus wie ein Double des Austro-Pop-Heroen.

Falco

Der österreichische Popstar Falco bei seinem Auftritt im "WWF-Club in Köln"

Der Trick des Nicht-Österreichers Kerbst: „Sachen, die typisch sind, einfach übertreiben.“ In die Kunstfigur Falco verwandelt er sich, mit Unterbrechungen, schon seit 16 Jahren: „Aber es ist nach wie vor eine Rolle, in die ich schlüpfe. Ich versuche, die Distanz zu wahren – und nach der zweiten Flasche Rotwein hör’ ich auf.“

„Falco – Das Musical“ gastiert unter anderem in Aachen (4.4., Eurogress), Köln (5.4, Lanxess-Arena), Bonn (6.4., Maritim) und in Düsseldorf (21.4., Capitol Theater).

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